Выбрать главу

Lexington, der immer alles getan hatte, was seine Tante ihm sagte, steckte das Geld ein, zog Schuhe und ein reines Hemd an, ging den Berg hinunter ins Dorf und trug dem Doktor sein Anliegen vor.

«Die alte Glosspan?», rief der Arzt. «Mein Gott, ist sie tot?»

«Ganz gewiss ist sie tot», antwortete der junge Mann. «Wenn Sie mit mir kommen wollen, werde ich sie ausgraben, und Sie können sich selbst davon überzeugen.»

«Wie tief haben Sie sie begraben?», erkundigte sich der andere.

«Sechs oder sieben Fuß tief, schätze ich.»

«Und wann?» – «Ach, vor etwa acht Stunden.»

«Dann ist sie tot», sagte der Arzt. «Hier ist der Totenschein.»

VII

Unser Held machte sich auf den Weg nach der Stadt New York, um Mr. Zuckermann aufzusuchen. Er reiste zu Fuß, schlief hinter Hecken, lebte von Beeren und wilden Kräutern und brauchte sechzehn Tage, um die Metropole zu erreichen.

«Was für ein erstaunlicher Ort», rief er, als er an der Ecke der Siebenundfünfzigsten Straße und der Fifth Avenue Umschau hielt. «Nirgends Kühe, nirgends Hühner, und von all den vielen Frauen sieht keine wie Tante Glosspan aus.»

Was Mr. Zuckermann betraf, so ließ auch er sich mit nichts vergleichen, was Lexington je gesehen hatte.

Der Anwalt war ein schwammiger kleiner Mann mit fahlen Wangen und einer riesigen blauroten Nase, und wenn er lächelte, schossen aus seinem Mund herrliche goldene Blitze. In seinem vornehm eingerichteten Büro drückte er Lexington warm die Hand und gratulierte ihm zum Tod seiner Tante.

«Ich nehme an, Sie wissen, dass Ihre verehrte Pflegemutter eine sehr wohlhabende Frau war?», fragte er.

«Meinen Sie die Kühe und die Hühner?»

«Ich meine eine halbe Million Dollar», sagte Mr. Zuckermann.

«Wie viel?»

«Eine halbe Million, mein Junge. Und dieses Vermögen hat sie Ihnen vermacht.» Mr. Zuckermann lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete die Hände über dem wabbeligen Bauch. Gleichzeitig schob er heimlich den rechten Zeigefinger durch die Weste und unter das Hemd, um sich in der Nabelgegend zu kratzen – eine Beschäftigung, die ihm besonderen Genuss bereitete. «Natürlich muss ich fünfzig Prozent für meine Bemühungen abziehen», fügte er hinzu, «aber zweihundertfünfzigtausend bleiben immerhin für Sie übrig.»

«Ich bin reich!», rief Lexington. «Wie herrlich! Wann kann ich das Geld haben?»

«Nun», sagte Mr. Zuckermann, «zum Glück stehe ich mit den Steuerbehörden hier in der Gegend auf ziemlich freundschaftlichem Fuß, und so werde ich sie wohl überreden können, dass sie auf alle Erbschaftssteuern und sonstigen Abgaben verzichten.»

«Das ist sehr freundlich von Ihnen», murmelte Lexington.

«Natürlich werde ich dem zuständigen Herrn ein kleines Honorar zahlen müssen.»

«Tun Sie, was Sie für richtig halten, Mr. Zuckermann.»

«Ich denke, hunderttausend werden genügen.»

«Du lieber Himmel, ist das nicht sehr viel?»

«Bei Steuerinspektoren und Polizisten darf man sich nie knauserig zeigen», erklärte Mr. Zuckermann. «Merken Sie sich das für die Zukunft.»

«Und was bleibt für mich übrig?», fragte der Jüngling in sanftem Ton.

«Einhundertfünfzigtausend. Aber davon gehen noch die Begräbniskosten ab.»

«Begräbniskosten?»

«Sie müssen das Bestattungsinstitut bezahlen. Ist Ihnen das nicht bekannt?»

«Ich habe sie doch selbst begraben, Mr. Zuckermann. Hinter dem Kuhstall.»

«Daran zweifle ich nicht», erwiderte der Rechtsanwalt. «Trotzdem …»

«Ich habe kein Bestattungsinstitut in Anspruch genommen.»

«Hören Sie», sagte Mr. Zuckermann geduldig. «Sie werden es vielleicht nicht wissen, aber wir haben in dieser Stadt ein Gesetz, demzufolge kein Testamentserbe einen Pfennig vom Nachlass bekommt, solange die Begräbniskosten nicht restlos beglichen sind.»

«Das ist ein Gesetz

«Allerdings, und zwar ein sehr gutes. Die Bestattungsinstitute gehören zu unseren großen nationalen Errungenschaften und müssen unter allen Umständen geschützt werden.»

Mit einer Gruppe auf das Gemeinwohl bedachter Ärzte leitete Mr. Zuckermann selbst ein Unternehmen dieser Art, das in der Stadt neun luxuriös eingerichtete Institute besaß, ganz zu schweigen von einer Sargfabrik in Brooklyn und einer Fortbildungsschule für Einbalsamierer in Washington Heights. Folglich waren feierliche Beisetzungen in Mr. Zuckermanns Augen eine durch und durch religiöse Angelegenheit. Ja, das alles bewegte ihn tief – fast so tief, möchte man sagen, wie die Geburt Jesu Christi den Krämer.

«Sie hatten kein Recht, Ihre Tante auf diese Weise zu beerdigen», erklärte er. «Absolut kein Recht.»

«Es tut mir sehr leid, Mr. Zuckermann.»

«Gerade umstürzlerisch ist das.»

«Ich will ja alles tun, was Sie sagen, Mr. Zuckermann. Aber ich möchte gern wissen, wie viel mir bleibt, wenn auch das erledigt ist.»

Eine Pause entstand. Mr. Zuckermann seufzte, runzelte die Stirn und fuhr insgeheim fort, mit der Fingerspitze den Rand seines Nabels zu bearbeiten.

«Wie wär’s mit fünfzehntausend?», schlug er vor und ließ ein breites goldenes Lächeln aufblitzen. «Das ist eine hübsche, runde Summe.»

«Kann ich das Geld gleich mitnehmen?»

«Bitte sehr, wie Sie wünschen.»

Mr. Zuckermann rief seinen Kassierer und wies ihn an, Lexington aus der Kleingeldkasse fünfzehntausend Dollar gegen Quittung zu verabfolgen. Der Jüngling, der mittlerweile froh war, überhaupt etwas zu bekommen, nahm das Geld dankbar an und steckte es in sein Ränzel. Dann schüttelte er Mr. Zuckermann die Hand, dankte ihm herzlich für seine Hilfe und verließ das Büro.

«Die Welt gehört mir!», rief unser Held, als er auf die Straße hinaustrat. «Jetzt habe ich fünfzehntausend Dollar, von denen ich leben kann, bis mein Buch erschienen ist. Und dann werde ich natürlich noch viel mehr haben.» Er stand vor Mr. Zuckermanns Haus und überlegte, in welche Richtung er gehen sollte. Schließlich wandte er sich nach links, schlenderte gemächlich die Straße hinunter und bewunderte die Sehenswürdigkeiten der Großstadt.

«Was für ein widerwärtiger Geruch», sagte er schnüffelnd. «Das ist ja nicht auszuhalten.» Für seine empfindlichen Geruchsnerven, die nur an die köstlichsten Küchendüfte gewöhnt waren, bedeutete der Gestank der aus den Omnibussen dringenden Auspuffgase eine wahre Folter.

«Nur fort von hier, bevor meine Nase völlig ruiniert ist», murmelte er. «Aber zuerst muss ich etwas zu essen haben. Ich sterbe vor Hunger.» Der arme Junge hatte in den letzten Wochen nur von Beeren und wilden Kräutern gelebt, und sein Magen schrie nach einer soliden Mahlzeit. Jetzt hätte ich gern ein hübsches Maiskotelett, dachte er, oder vielleicht ein paar saftige Schwarzwurzelpfannkuchen.

Er überquerte die Straße und trat in ein kleines Restaurant. Drinnen war es heiß, dunkel und still. Ein durchdringender Geruch nach Bratfett und Kohlwasser erfüllte die Luft. Der einzige Gast, ein Mann mit einem braunen Hut auf dem Kopf, saß hingegeben über sein Essen gebeugt und sah bei Lexingtons Eintritt nicht auf.

Unser Held nahm an einem Ecktisch Platz und hängte sein Ränzel über die Stuhllehne. Das wird höchst interessant, sagte er sich. Zeit meines Lebens, also siebzehn Jahre lang, habe ich nur Gerichte gegessen, die Tante Glosspan oder ich gekocht hatten – abgesehen natürlich von der Milch, die mir McPottle gewärmt haben muss, solange ich ihr anvertraut war. Jetzt aber habe ich Gelegenheit, die Kunst eines neuen Küchenchefs zu begutachten, und mit einigem Glück springen dabei vielleicht ein paar nützliche Anregungen für mein Buch heraus.