«Bitte, ich möchte Herrn Dr. Landy sprechen.»
«Wer ist am Apparat?»
«Mrs. Pearl. Mrs. William Pearl.»
«Einen Moment bitte.»
Landy meldete sich fast augenblicklich.
«Mrs. Pearl?»
«Hier ist Mrs. Pearl.» – Kleine Pause.
«Ich freue mich sehr, dass Sie anrufen, Mrs. Pearl. Hoffentlich sind Sie wohlauf.» Die Stimme war ruhig und höflich. «Hätten Sie nicht Lust, mich im Krankenhaus zu besuchen? Wir könnten ein wenig plaudern. Ich denke mir, Sie möchten gern wissen, wie alles geworden ist.»
Sie schwieg.
«Ich kann Ihnen sagen, dass die Sache in jeder Beziehung glattgegangen ist. Viel besser sogar, als ich zu hoffen wagte. Es lebt nicht nur, Mrs. Pearl, es ist bei Bewusstsein. Schon am zweiten Tag hat es das Bewusstsein wiedererlangt. Ist das nicht interessant?»
Sie wartete, dass er weiterspräche.
«Und das Auge sieht. Wir wissen das mit Sicherheit, weil der Enzephalograph sofort reagiert, wenn wir dem Auge irgendetwas vorhalten. Wir geben ihm jetzt jeden Tag die Zeitung zu lesen.»
«Welche Zeitung?», fragte Mrs. Pearl scharf.
«Den Daily Mirror. Der hat die größten Schlagzeilen.»
«Er hasst den Mirror. Geben Sie ihm die Times.»
Nach kurzem Schweigen sagte der Doktor: «Also gut, Mrs. Pearl, wir werden ihm die Times geben. Wir wollen natürlich alles tun, um es bei guter Laune zu erhalten.»
«Ihn«, verbesserte sie. «Nicht es. Ihn!»
«Ihn», wiederholte der Doktor. «Ja, verzeihen Sie, bitte. Um ihn bei guter Laune zu erhalten. Deswegen habe ich Sie auch gebeten, recht bald herzukommen. Ich glaube, es würde ihm Freude machen, Sie zu sehen. Sie könnten ihm zeigen, wie froh Sie sind, wieder bei ihm zu sein – ihm zulächeln, ihm eine Kusshand zuwerfen und Ähnliches mehr. Es muss angenehm für ihn sein, Sie in seiner Nähe zu wissen.»
Eine lange Pause trat ein.
«Gut», sagte Mrs. Pearl schließlich, und ihre Stimme klang auf einmal sehr sanft, sehr milde. «Dann werde ich also kommen und nach ihm sehen.»
«Schön, ich wusste ja, dass Sie es tun würden. Sie finden mich in meinem Dienstzimmer im zweiten Stock. Ich warte auf Sie. Auf Wiedersehen.»
Eine halbe Stunde später war Mrs. Pearl im Krankenhaus. «Erschrecken Sie nicht über sein Aussehen», sagte Landy, als er neben ihr einen Korridor entlangging.
«Nein, gewiss nicht.»
«Zweifellos wird es zuerst ein Schock für Sie sein. Ich fürchte, er ist in seinem gegenwärtigen Zustand nicht sehr attraktiv.»
«Ich habe ihn nicht wegen seiner Schönheit geheiratet, Doktor.»
Landy wandte den Kopf und blickte sie an. Ein sonderbares Geschöpf war diese kleine Frau mit den großen Augen und der grämlichen, fast beleidigten Miene. Ihre Gesichtszüge, die einmal recht hübsch gewesen sein mussten, waren gänzlich verfallen. Der Mund war schlaff, das Fleisch der Wangen lose und welk; Jahre und Jahre eines freudlosen Ehelebens schienen Mrs. Pearl langsam, aber sicher zermürbt zu haben. Eine Weile gingen die beiden schweigend nebeneinanderher.
«Lassen Sie sich Zeit, wenn Sie hineinkommen», sagte Landy. «Er wird erst wissen, dass Sie da sind, wenn Sie Ihr Gesicht direkt über sein Auge halten. Das Auge ist immer offen, aber bewegen kann er es nicht, sodass sein Blickfeld sehr begrenzt ist. Im Moment lassen wir ihn zur Decke hinaufschauen. Hören kann er natürlich nichts. Wir brauchen also bei unseren Gesprächen keinerlei Rücksicht zu nehmen. Bitte, hier hinein.» Landy öffnete eine Tür, und sie traten in ein kleines, quadratisches Zimmer.
«Nicht gleich zu dicht heran», mahnte er und legte ihr die Hand auf den Arm. «Warten Sie einen Moment, bis Sie sich an das alles gewöhnt haben.»
Auf einem hohen weißen Tisch in der Mitte des Raumes stand eine weiße Emailleschale, etwa von der Größe einer Waschschüssel. Die sechs dünnen Plastikschläuche, die aus ihr herausragten, waren mit einer gläsernen Apparatur verbunden, in der man das Blut zum künstlichen Herzen und von ihm fortfließen sah. Die Maschine gab ein sanftes, rhythmisch pulsierendes Geräusch von sich.
«Da ist er drin», sagte Landy, auf die Schale weisend, die so hoch stand, dass Mrs. Pearl nicht hineinblicken konnte. «Kommen Sie etwas näher. Nicht zu nah.»
Er führte sie zwei Schritte vorwärts.
Als sie den Hals reckte, sah sie die Flüssigkeit in der Schale. Auf der klaren, unbewegten Oberfläche schwamm eine ovale Kapsel, ungefähr so groß wie ein Taubenei.
«Das ist das Auge», erklärte Landy. «Können Sie es sehen?»
«Ja.»
«Soweit wir wissen, ist es in ausgezeichnetem Zustand. Es ist sein rechtes Auge, und der Plastikbehälter trägt eine Linse, die genauso geschliffen ist wie seine Brillengläser. Vermutlich sieht er ebenso gut wie früher.»
«An der Zimmerdecke ist nicht viel zu sehen», meinte Mrs. Pearl.
«Darüber machen Sie sich keine Sorgen. Wir sind im Begriff, eine Art Unterhaltungsprogramm für ihn auszuarbeiten, aber wir möchten nichts übereilen.»
«Geben Sie ihm ein gutes Buch.»
«Gewiss, gewiss. Wie fühlen Sie sich, Mrs. Pearl?»
«Gut.»
«Dann wollen wir ein wenig dichter herangehen, damit Sie alles sehen können.»
Er führte sie vorwärts, bis sie nur noch ein paar Schritte vom Tisch entfernt waren, und nun konnte sie auf den Grund der Schale blicken.
«So», sagte Landy, «das ist William.»
Er war viel größer, als sie erwartet hatte, und dunkler in der Farbe. Mit all den Furchen und Falten, die über seine Oberfläche liefen, erinnerte er an eine riesige eingemachte Walnuss. Sie sah die Stümpfe der vier großen Arterien und der beiden Venen, die sich an seiner Unterseite befanden und säuberlich mit den Plastikschläuchen verbunden waren; bei jedem Schlag des künstlichen Herzens gab es im Takt des hindurchgepumpten Blutes einen kleinen Ruck in sämtlichen Schläuchen.
«Lehnen Sie sich über die Schale», riet Landy, «und halten Sie Ihr hübsches Gesicht unmittelbar über das Auge. Er wird Sie sehen, und Sie können ihm zulächeln oder ihm eine Kusshand zuwerfen. An Ihrer Stelle würde ich ihm auch ein paar nette Worte sagen. Hören kann er sie zwar nicht, aber ich bin sicher, dass er den Sinn begreifen wird.»
«Er hasst Leute, die ihm Kusshände zuwerfen», erwiderte Mrs. Pearl. «Ich will es auf meine Weise versuchen, wenn Sie nichts dagegen haben.»
Sie trat dicht an den Tisch heran, beugte sich vor, bis ihr Gesicht direkt über der Schale war, und blickte in Williams Auge. «Hallo, Lieber», flüsterte sie. «Ich bin’s – Mary.»
Klar wie immer starrte das Auge sie unverwandt mit absonderlicher Intensität an.
«Wie geht es dir, Lieber?», fragte sie.
Die Plastikkapsel war rundherum durchsichtig, sodass man den ganzen Augapfel sah. Der mit dem Gehirn verbundene Sehnerv glich einem Stückchen grauen Spaghettis.
«Fühlst du dich wohl, William?»
Es war ein sonderbares Gefühl, ihrem Mann ins Auge und doch nicht ins Gesicht zu schauen. Alles, was sie vor sich hatte, war das Auge, und sie fuhr fort, es anzustarren. Nach und nach wurde es immer größer, bis sie schließlich nichts anderes mehr sah – es war zu einer Art Gesicht geworden. Ein Netzwerk dünner roter Äderchen zog sich über das Weiße des Augapfels, und in der eisblauen Iris waren drei oder vier hübsche dunkle Streifen, die von der Pupille ausstrahlten. Die eine Seite der großen schwarzen Pupille reflektierte einen kleinen Lichtfunken.