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Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller. Kabale und Liebe

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Friedrich Schiller

Kabale und Liebe

Ein buergerliches Trauerspiel.

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Personen:

Praesident von Walter, am Hof eines deutschen Fuersten.

Ferdinand, sein Sohn, Major.

Hofmarschall von Kalb.

Lady Milford, Favoritin des Fuersten.

Wurm, Haussecretaer des Praesidenten.

Miller, Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten

nennt, Kunstpfeifer.

Dessen Frau.

Luise, dessen Tochter.

Sophie, Kammerjungfer der Lady.

Ein Kammerdiener des Fuersten.

Verschiedene Nebenpersonen.

Erster Akt.

Erste Scene.

Zimmer beim Musikus.

Miller steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncell auf die Seite. An einem Tisch sitzt Frau Millerin noch im Nachtgewand und trinkt ihren Kaffee.

Miller (schnell auf-und abgehend). Einmal fuer allemal! Der Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Praesident bekommt Wind, und kurz und gut, ich biete dem Junker aus.

Frau. Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt-hast ihm deine Tochter nicht nachgeworfen.

Miller. Hab' ihn nicht in mein Haus geschwatzt-hab' ihm 's Maedel nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon?-Ich war Herr im Haus. Ich haett' meine Tochter mehr coram nehmen sollen. Ich haett' dem Major besser auftrumpfen sollen-oder haett' gleich Alles Seiner Excellenz, dem Herrn Papa, stecken sollen. Der junge Baron bringt's mit einem Wischer hinaus, das muss ich wissen, und alles Wetter kommt ueber den Geiger.

Frau (schluerft eine Tasse aus). Possen! Geschwaetz! Was kann ueber dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner Profession nach und raffst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen sind.

Miller. Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Commerz auch herauskommen?-Nehmen kann er das Maedel nicht-Vom Nehmen ist gar die Rede nicht, und zu einer-dass Gott erbarm?-Guten Morgen!-Gott, wenn so ein Musje von sich da und dort, und dort und hier schon herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiss! was als? geloest hat, schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf suess Wasser zu graben. Gib du Acht! gib du Acht! und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache staendest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Maedel Eins hinsetzen und fuehrt sich ab, und das Maedel ist verschimpfiert auf ihr Lebenlang, bleibt sitzen, oder hat's Handwerk verschmeckt, treibt's fort. (Die Hand vor der Stirn) Jesus Christus!

Frau. Gott behuet' uns in Gnaden!

Miller. Es hat sich zu behueten. Worauf kann so ein Windfuss wohl sonst sein Absehen richten?-Das Maedel ist schoen-schlank-fuehrt seinen netten Fuss. Unterm Dach mag's aussehen, wie's will. Darueber guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn's nur der liebe Gott parterre nicht hat fehlen lassen-Stoebert mein Springinsfeld erst noch dieses Kapital aus-he da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun muessen alle Segel dran, und drauf los, und-ich verdenk's ihm gar nicht. Mensch ist Mensch. Das muss ich wissen.

Frau. Solltest nur die wunderhuebsche Billeter auch lesen, die der gnaedige Herr an deine Tochter als schreiben thut. Guter Gott! da sieht man's ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schoene Seele zu thun ist.

Miller. Das ist die rechte Hoehe. Auf den Sack schlaegt man, den Esel meint man. Wer einen Gruss an das liebe Fleisch zu bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen. Wie hab' ich's gemacht? Hat man's nur erst so weit im Reinen, dass die Gemuether topp machen, wutsch! nehmen die Koerper ein Exempel; das Gesind macht's der Herrschaft nach, und der silberne Mond ist am End nur der Kuppler gewesen.

Frau. Sieh doch nur erst die praechtigen Buecher an, die der Herr Major ins Haus geschafft haben. Deine Tochter betet auch immer draus.

Miller (pfeift). Hui da! Betet! Du hast den Witz davon. Die rohen Kraftbruehen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart.-Er muss sie erst in der hoellischen Pestilenzkueche der Belletristen kuenstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark. Da saugt mir das Maedel-weiss Gott, was als fuer?-ueberhimmlische Alfanzereien ein, das laeuft dann wie spanische Mucken ins Blut und wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt. Ins Feuer, sag' ich. Das Maedel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; ueber all dem Herumschwaenzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath nicht mehr, vergisst, schaemt sich, dass sein Vater Miller der Geiger ist, und verschlaegt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt haette-Nein! Gott verdamm mich! (Er springt auf, hitzig.) Gleich muss die Pastete auf den Herd, und dem Major-ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat. (Er will fort.)

Frau. Sei artig, Miller. Wie manchen schoenen Groschen haben uns nur die Praesenter-Miller (kommt zurueck und bleibt vor ihr stehen). Das Blutgeld meiner Tochter?-Schier dich zum Satan, infame Kupplerin! -Eh will ich mit meiner Geig' auf den Bettel herumziehen und das Concert um was Warmes geben-eh will ich mein Violoncello zerschlagen und Mist im Sonanzboden fuehren, eh ich mir's schmecken lass' von dem Geld, das mein einziges Kind mit Seel' und Seligkeit abverdient. -Stell den vermaledeiten Kaffee ein und das Tobackschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markt zu treiben. Ich hab mich satt gefressen und immer ein gutes Hemd auf dem Leib gehabt, eh so ein vertrackter Tausendsasa in meine Stube geschmeckt hat.

Frau. Nur nicht gleich mit der Thuer ins Haus! Wie du doch den Augenblick in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man muess' den Herrn Major nicht disguschthueren, weil Sie des Praesidenten Sohn sind.

Miller. Da liegt der Haas im Pfeffer. Darum, just eben darum muss die Sach noch heut auseinander. Der Praesident muss es mir Dank wissen, wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen rothen plueschenen Rock ausbuersten, und ich werde mich bei Seiner Excellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu seiner Excellenz: Dero Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta!-Ich heisse Miller.

Zweite Scene.

Secretaer Wurm. Die Vorigen.

Frau. Ah guten Morgen, Herr Sekertare! Hat man auch einmal wieder das Vergnuegen von Ihnen?

Wurm. Meinerseits, meinerseits, Frau Base! Wo eine Cavaliersgnade einspricht, kommt mein buergerliches Vergnuegen in gar keine Rechnung.

Frau. Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Blaesier; doch verachten wir darum Niemand.

Miller (verdriesslich). Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollen's ablegen, Herr Landsmann?

Wurm (legt Hut und Stock weg, setzt sich). Nun! nun! und wie befindet sich denn meine Zukuenftige-oder Gewesene?-Ich will doch nicht hoffen-kriegt man sie nicht zu sehen-Mamsell Luisen?

Frau. Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist doch gar nicht hochmuethig.

Miller (aergerlich, stoesst sie mit dem Ellenbogen). Weib!

Frau. Bedauern's nur, dass sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn Sekertare. Sie ist eben in der Mess, meine Tochter.