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Frau. Hilf, Herr und Heiland!-Jetzt bricht auch der Alte los-ueber unserm Kopf wird das Wetter zusammenschlagen.

Praesident (der es nur halb gehoert hat). Regt sich der Kuppler auch?-Wir sprechen uns gleich, Kuppler.

Miller. Halten zu Gnaden. Ich heisse Miller, wenn Sie ein Adagio hoeren wollen-mit Buhlschaften dien' ich nicht. So lang der Hof da noch Vorrath hat, kommt die Lieferung nicht an uns Buergersleut'. Halten zu Gnaden.

Frau. Um des Himmels willen, Mann! Du bringst Weib und Kind um.

Ferdinand. Sie spielen hier eine Rolle, mein Vater, wobei Sie sich wenigstens die Zeugen haetten ersparen koennen.

Miller (kommt ihm naeher, herzhafter). Deutsch und verstaendlich. Halten zu Gnaden. Euer Excellenz schalten und walten im Land. Das ist meine Stube. Mein devotestes Compliment, wenn ich dermaleins ein pro memoria bringe, aber den ungehobelten Gast werf' ich zur Thuer hinaus-Halten zu Gnaden.

Praesident (vor Wuth blass). Was?-Was ist das? (Tritt naeher.)

Miller (zieht sich sachte zurueck). Das war nur so meine Meinung, Herr-Halten zu Gnaden.

Praesident (in Flammen). Ha, Spitzbube! Ins Zuchthaus spricht dich deine vermessene Meinung-Fort! Man soll Gerichtsdiener holen. (Einige vom Gefolge gehen ab; der Praesident rennt voll Wuth durch das Zimmer.) Vater ins Zuchthaus-an den Pranger Mutter und Metze von Tochter!-Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme borgen. Fuer diesen Schimpf muss ich schreckliche Genugthuung haben-Ein solches Gesindel sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn aneinander hetzen?-Ha, Verflucht! Ich will meinen Hass an eurem Untergang saettigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will ich meiner brennenden Rache opfern.

Ferdinand (tritt gelassen und standhaft unter sie hin). O nicht doch! Seit ausser Furcht! Ich bin zugegen. (Zum Praesidenten mit Unterwuerfigkeit.) Keine Uebereilung, mein Vater! Wenn Sie sich selbst lieben, keine Gewaltthaetigkeit!-Es gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das Wort Vater noch nie gehoert worden ist-Dringen Sie nicht bis in diese.

Praesident. Nichtswuerdiger! Schweig! Reize meinen Grimm nicht noch mehr!

Miller (kommt aus einer dumpfen Betaeubung zu sich selbst). Schau du nach deinem Kinde, Frau. Ich laufe zum Herzog-Der Leibschneider-das hat mir Gott eingeblasen!-der Leibschneider lernt die Floete bei mir. Es kann mir nicht fehlen beim Herzog. (Er will gehen.)

Praesident. Beim Herzog, sagst du?-Hast du vergessen, dass ich die Schwelle bin, worueber du springen oder den Hals brechen musst?-Beim Herzog, du Dummkopf?-Versuch' es, wenn du, lebendig todt, eine Thurmhoehe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit der Hoelle liebaeugelt und Schall und Licht wieder umkehren. Rassle dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zu viel geschehen.

Siebente Scene.

Gerichtsdiener. Die Vorigen.

Ferdinand (eilt auf Luisen zu, die ihm halb todt in die Arme faellt). Luise! Hilfe! Rettung! Der Schrecken ueberwaeltigt sie!

Miller (ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf und macht sich zum Angriff gefasst).

Frau (wirft sich auf die Kniee vor dem Praesident).

Praesident (zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entbloessend). Legt Hand an, im Namen des Herzogs-Weg von der Metze, Junge-Ohnmaechtig oder nicht-wenn sie nur erst das eiserne Halsband um hat, wird man sie schon mit Steinwuerfen aufwecken.

Frau. Erbarmung, Ihro Excellenz! Erbarmung! Erbarmung!

Miller (reisst seine Frau in die Hoehe). Knie vor Gott! alte Heulhure, und nicht vor-Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muss.

Praesident (beisst die Lippen). Du kannst dich verrechnen, Bube. Es stehen noch Galgen leer! (Zu den Gerichtsdienern.) Muss ich es noch einmal sagen?

Gerichtsdiener (dringen auf Luisen ein).

Ferdinand (springt an ihr auf und stellt sich vor sie, grimmig). Wer will was? (Er zieht den Degen sammt der Scheide und wehrt sich mit dem Gefaess.) Wag' es, sie anzuruehren, wer nicht auch die Hirnschale an die Gerichte vermiethet hat. (Zum Praesident.) Schonen Sie Ihrer selbst! Treiben Sie mich nicht weiter, mein Vater.

Praesident (drohend zu den Gerichtsdienern). Wenn euch euer Brod lieb ist, Memmen-Gerichtsdiener (greifen Luisen wieder an).

Ferdinand. Tod und alle Teufel! Ich sage: Zurueck!-Noch einmal! Haben Sie Erbarmen mit sich selbst. Treiben Sie mich nicht aufs Aeusserste, Vater.

Praesident (aufgebracht zu den Gerichtsdienern). Ist das euer Diensteifer, Schurken?

Gerichtsdiener (greifen hitziger an).

Ferdinand. Wenn es denn sein muss (indem er den Degen zieht und einige von denselben verwundet), so verzeih mir, Gerechtigkeit!

Praesident (voll Zorn). Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen fuehle. (Er fasst Luisen selbst, zerrt sie in die Hoehe und uebergibt sie einem Gerichtsknecht.)

Ferdinand (lacht erbittert). Vater, Vater! Sie machen hier ein beissendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so uebel auf ihre Leute verstund und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister machte.

Praesident (zu den Uebrigen). Fort mit ihr!

Ferdinand. Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major, des Praesidenten Sohn-Bestehen Sie noch darauf?

Praesident. Desto possierlicher wird das Spektakel-Fort!

Ferdinand. Vater, ich werfe meinen Officiersdegen auf das Maedchen. -Bestehen Sie noch darauf?

Praesident. Das Porte-Epée ist an deiner Seite des Prangerstehens gewohnt worden-Fort! Fort! Ihr wisst meinen Willen.

Ferdinand (drueckt einen Gerichtsdiener weg, fasst Luisen an einem Arm, mit dem andern zueckt er den Degen auf sie). Vater! Eh Sie meine Gemahlin beschimpfen, durchstoss' ich sie-Bestehen Sie noch darauf?

Praesident. Thu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist.

Ferdinand (laesst Luisen fahren und blickt fuerchterlich zum Himmel). Du, Allmaechtiger, bist Zeuge! Kein menschliches Mittel liess ich unversucht-ich muss zu einem teuflischen schreiten-Ihr fuehrt sie zum Pranger fort, unterdessen (dem Praesidenten ins Ohr rufend) erzaehl' ich der Residenz eine Geschichte, wie man Praesident wird. (Ab.)

Praesident (wie vom Blitz geruehrt). Was ist das?-Ferdinand-Lasst sie ledig! (Er eilt dem Major nach.)

Dritter Akt.

Saal beim Praesidenten.

Erste Scene.

Der Praesident und Sekretaer Wurm kommen.

Praesident. Der Streich war verwuenscht.

Wurm. Wie ich befuerchtete, gnaediger Herr. Zwang erbittert die Schwaermer immer, aber bekehrt sie nie.

Praesident. Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag gesetzt. Ich urtheilte so: Wenn das Maedchen beschimpft wird, muss er, als Officier, zuruecktreten.

Wurm. Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen haett' es auch kommen sollen.

Praesident. Und doch-wenn ich es jetzt mit kaltem Blut ueberdenke-Ich haette mich nicht sollen eintreiben lassen-Es war eine Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht haette.