(Die Augen grass in einen Winkel geworfen.)
Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammniss geflochten-Augen in Augen wurzelnd-Haare zu Berge stehend gegen Haare-auch unser hohles Wimmern in eins geschmolzen-und jetzt zu wiederholen meine Zaertlichkeiten und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwuere-Gott! Gott! die Vermaehlung ist fuerchterlich-aber ewig! (Er will schnell hinaus. Der Praesident tritt herein.)
Fuenfte Scene.
Der Praesident und Ferdinand.
Ferdinand (zuruecktretend). O!-mein Vater!
Praesident. Sehr gut, dass wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir etwas Angenehmes zu verkuendigen, und etwas, lieber Sohn, das dich ganz gewiss ueberraschen wird. Wollen wir uns setzen?
Ferdinand (sieht ihn lange Zeit starr an). Mein Vater! (Mit staerkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater! (Seine Hand kuessend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater!
Praesident. Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und zittert.
Ferdinand (mit wilder, feuriger Empfindung). Verzeihung fuer meinen Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre Guete misskannt! Sie meinten es mit mir so vaeterlich!-O! Sie hatten eine weissagende Seele-jetzt ist's zu spaet-Verzeihung! Verzeihung! Ihren Segen, mein Vater!
Praesident (heuchelt eine schuldlose Miene). Steh auf, mein Sohn! Besinne dich, dass du mir Raethsel sprichst.
Ferdinand. Diese Millerin, mein Vater-O, Sie kennen den Menschen-Ihre Wuth war damals so gerecht, so edel, so vaeterlich warm-nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges-diese Millerin!
Praesident. Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Haerte! Ich bin gekommen, dir abzubitten.
Ferdinand. Abbitten an mir! Verfluchen an mir!-Ihre Missbilligung war Weisheit. Ihre Haerte war himmlisches Mitleid-Diese Millerin, Vater-Praesident. Ist ein edles, ein liebes Maedchen.-Ich widerrufe meinen uebereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben.
Ferdinand (springt erschuettert auf). Was? auch Sie?-Vater! auch Sie?-und nicht wahr, mein Vater, ein Geschoepf wie die Unschuld?-Und es ist so menschlich, dieses Maedchen zu lieben?
Praesident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben.
Ferdinand. Unerhoert! Ungeheuer!-Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! -Heuchelei ohne Beispiel-Diese Millerin, Vater-Praesident. Ist es werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend fuer Ahnen und ihre Schoenheit fuer Gold. Meine Grundsaetze weichen deiner Liebe-Sie sei dein!
Ferdinand (stuerzt fuerchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch! -Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)
Praesident (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin stuermst du? (Ab.)
Sechste Scene.
Ein praechtiger Saal bei der Lady.
Lady und Sophie treten herein.
Lady. Also sahst du sie? Wird sie kommen?
Sophie. Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.
Lady. Sage mir nichts von ihr-Stille-wie eine Verbrecherin zittre ich, die Glueckliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fuehlt-Und wie nahm sie sich bei der Einladung?
Sophie. Sie schien bestuerzt, wurde nachdenkend, sah mich mit grossen Augen an und schwieg. Ich hatt mich schon auf ihre Ausfluechte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz ueberraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte.
Lady (sehr unruhig). Lass mich, Sophie. Beklage mich. Ich muss erroethen, wenn sie nur das gewoehnliche Weib ist, und wenn sie mehr ist, verzagen.
Sophie. Aber, Milady-das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt, Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muss die stolze Pracht Ihres Anblicks erheben.
Lady (zerstreut). Was schwatzt die Naerrin da?
Sophie (boshaft). Oder ist es vielleicht Zufall, dass eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, dass eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muss-dass Ihre Antichambre von Heiducken und Pagen wimmelt und das Buergermaedchen im fuerstlichen Saal Ihres Palastes erwartet wird?
Lady (auf und ab voll Erbitterung). Verwuenscht! Unertraeglich! Dass Weiber fuer Weiberschwaechen solche Luchsaugen haben!-Aber wie tief, wie tief muss ich schon gesunken sein, dass eine solche Creatur mich ergruendet!
Ein Kammerdiener (tritt auf). Mamsell Millerin-Lady (zu Sophien). Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg! Ich befehl' es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den Saal.) Gut! Recht gut, dass ich in Wallung kam! Ich bin, wie ich wuenschte! (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten. (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sopha und nimmt eine vornehm-nachlaessige Lage an.)
Siebente Scene.
Luise Millerin tritt schuechtern herein und bleibt in einer grossen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Ruecken zugewandt und betracht sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenueber stehenden Spiegel. (Nach einer Pause.)
Luise. Gnaedige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.
Lady (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopfe, fremd und zurueckgezogen). Aha! Ist Sie hier?-Ohne Zweifel die Mamsell-eine gewisse-wie nennt man Sie doch?
Luise (etwas empfindlich). Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.
Lady. Recht! Recht! ich entsinne mich-die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Seht interessant, und doch keine Schoenheit-(Laut zu Luisen.) Treten Sie naeher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen uebten-Wie lieb' ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur naeher-Nur ganz nah-Gutes Kind, ich glaube, du fuerchtest mich?
Luise (gross, mit entschiedenem Ton). Nein, Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge.
Lady (vor sich). Sieh doch! und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben und sonst auch zu leben wissen-Nun ja. Ich will's glauben-auch naehm' ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fuersprecher Luegen zu strafen.
Luise. Doch kenn' ich Niemand, Milady, der sich Muehe gaebe, mir eine Patronin zu suchen.
Lady (geschraubt). Muehe um die Clientin oder Patronin?
Luise. Das ist mir zu hoch, gnaedige Frau.
Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuthen laesst! Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?
Luise. Sechzehn gewesen.
Lady (steht rasch auf). Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft!-Auf dem unberuehrten Clavier der erste einweihende Silberton-Nichts ist verfuehrender-Setz dich, ich bin dir gut, liebes Maedchen-Und auch er liebt zum ersten Mal-Was Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenroths finden? (Sehr freundlich und ihre Hand ergreifend.) Es bleibt dabei, ich will dein Glueck machen, Liebe-Nichts, nichts als die suesse, fruehe verfliegende Traeumerei. (Luisen auf die Wange klopfend.) Meine Sophie heirathet. Du sollst ihre Stelle haben-Sechzehn Jahr! Es kann nicht von Dauer sein.