Wurm. Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme, christliche Frau an ihr haben.
Frau (laechelt dumm-vornehm). Ja-aber, Herr Sekertare-Miller (in sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren). Weib!
Frau. Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann-mit allem Vergnuegen, Herr Sekertare-Wurm (macht falsche Augen). Sonst irgendwo! Schoenen Dank! Schoenen Dank!-Hem! hem! hem!
Frau. Aber-wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden haben-Miller (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stossend). Weib!
Frau. Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind mag man doch auch nicht vor seinem Glueck sein. (Baeurisch-stolz.) Sie werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare?
Wurm (rueckt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an Manschetten und Jabot). Merken? Nicht doch-O ja-Wie meinen Sie denn?
Frau. Nu-nu-ich daechte nur-ich meine, (hustet) weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnaedigen Madam will haben-Wurm (faehrt vom Stuhl). Was sagen Sie da? Was?
Miller. Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnaedige Madam herkommen? Was fuer ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwaetze?
Frau. Schmaehl du, so lang du willst. Was ich weiss, weiss ich-und was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.
Miller (aufgebracht, springt nach der Geige). Willst du dein Maul halten? Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen?-Was kannst du wissen? Was kann er gesagt haben?-Kehren sich an das Geklatsch nicht, Herr Vetter-Marsch du, in deine Kueche!-Werden mich doch nicht fuer des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, dass ich oben aus woll' mit dem Maedel? Werden doch das nicht von mir denken, Herr Secretarius?
Wurm. Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine Ansprueche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushaelter naehren kann; der Praesident ist mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich hoeher poussieren will. Sie sehen, dass meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel herumgeholt-Frau. Herr Sekertare Wurm! Mehr Respect, wenn man bitten darf-Miller. Halt du dein Maul, sag' ich-Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an-wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie gluecklich mit Ihnen wird. Schuettelt sie den Kopf-noch besser-in Gottes Namen wollt' ich sagen-so stecken Sie den Korb ein und trinken eine Bouteille mit dem Vater-Das Maedel muss mit Ihnen leben-ich nicht.-Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?-Dass mich der boese Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret herumhetzt-dass ich's in jedem Glas Wein zu saufen-in jeder Suppe zu fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert hat.
Frau. Und kurz und gut-ich geb meinen Consenz absolut nicht; meine Tochter ist zu was Hohem gemuenzt, und ich lauf' in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen laesst.
Miller. Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul?
Wurm (zu Millern). Ein vaeterlicher Rath vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?
Miller. Dass dich alle Hagel! 's Maedel muss Sie kennen. Was ich alter Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fuers junge naschhafte Maedel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein Mann fuers Orchester sind-aber eine Weiberseel' ist auch fuer einen Kapellmeister zu spitzig.-Und dann von der Brust weg, Herr Vetter-ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl-fuer meinen Rath wuerden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rathe meiner Tochter zu Keinem-aber Sie missrath ich meiner Tochter, Herr Secretarius! Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft, trau' ich-erlauben Sie-keine hohle Haselnuss zu. Ist er was, so wird er sich schaemen, seine Talente durch diesen altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen-Hat er's Courage nicht, so ist er ein Hasenfuss, und fuer den sind keine Luisen gewachsen-Da! hinter dem Ruecken des Vaters muss er sein Gewerb an die Tochter bestellen. Machen muss er, dass das Maedel lieber Vater und Mutter zum Teufel wuenscht, als ihn fahren laesst,-oder selber kommt, dem Vater zu Fuessen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet-Das nenn' ich einen Kerl! das heisst lieben!-und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll-auf seinem Gaensekiel reiten.
Wurm (greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus). Obligation, Herr Miller!
Miller (geht ihm langsam nach). Fuer was? fuer was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Secretarius! (Zurueckkommend.) Nichts hoert er, und hin zieht er-Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter widriger Kerl, als haett' ihn irgend ein Schleichhaendler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert-Die kleinen tueckischen Mausaugen-die Haare brandroth-das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur fuer purem Gift ueber das verhunzte Stueck Arbeit meinen Schlingel da angefasst und in irgend eine Ecke geworfen haette-Nein! eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir-Gott verzeih mir's-Frau (spuckt aus, giftig). Der Hund!-aber man wird dir's Maul sauber halten!
Miller. Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker-Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht-Bist doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen gescheidt sein solltest. Was hat das Getraetsch von einer gnaedigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte! Dem muss man so was an die Nase heften, wenn's morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Haeusern herumriechen, ueber Keller und Koch raesonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort uebers Maul-Bumbs! haben's Fuerst und Maetress und Praesident, und du hast das siedende Donnerwetter am Halse.
Dritte Scene.
Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige.
Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drueckt ihm die Hand). Guten Morgen, lieber Vater.
Miller (warm). Brav, meine Luise-Freut mich, dass du so fleissig an deinen Schoepfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.
Luise. O! ich bin eine schwere Suenderin, Vater-War er da, Mutter?
Frau. Wer, mein Kind?
Luise. Ah! ich vergass, dass es noch ausser ihm Menschen gibt-Mein Kopf ist so wueste-Er war nicht da? Walter?
Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise haette den Namen in der Kirche gelassen?
Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater-fuehle das Messer, das Er in mein Gewissen stoesst; aber es kommt zu spaet.-Ich hab' keine Andacht mehr, Vater-der Himmel und Ferdinand reissen an meiner blutenden Seele, und ich fuerchte-ich fuerchte-(Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn ueber dem Gemaelde vernachlaessigen, findet sich ja der Kuenstler am feinsten gelobt.-Wenn meine Freude ueber sein Meisterstueck mich ihn selbst uebersehen macht, Vater, muss das Gott nicht ergoetzen?
Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.
Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?-Die vornehmen Fraeulein, die ihn sehen-ihn hoeren-ich bin ein schlechtes, vergessenes Maedchen. (Erschrickt an dem Wort und stuerzt ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig-an ihn denken-das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben-duerft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lueftchen, sein Gesicht abzukuehlen;-dies Bluemchen Jugend-waer' es ein Veilchen, und er traete drauf, und es duerfte bescheiden unter ihm sterben!-Damit genuegte mir, Vater! Wenn die Muecke in ihren Strahlen sich sonnt-kann sie das strafen, die stolze majestaetische Sonne?