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Luise (die sich jetzt gefasst hat). Wo bin ich? Wo war ich? Was hab' ich merken lassen? Wen hab' ich's merken lassen?-O Luise, edle, grosse, goettliche Seele! Vergib's einer Rasenden-Ich will dir kein Haar kraenken, mein Kind. Wuensche! Fordre! Ich will dich auf den Haenden tragen, deine Freundin, deine Schwester will ich sein-Du bist arm-Sieh! (Einige Brillanten herunternehmend.) Ich will diesen Schmuck verkaufen-meine Garderobe, Pferd und Wagen verkaufen-Dein sei Alles, aber entsag' ihm!

Luise (tritt zurueck voll Befremdung). Spottet sie einer Verzweifelnden, oder sollte sie an der barbarischen That im Ernst keinen Antheil gehabt haben?-Ha! So koennt' ich mir ja noch den Schein einer Heldin geben und meine Ohnmacht zu einem Verdienst aufputzen. (Sie steht eine Weile gedankenvoll, dann tritt sie naeher zur Lady, fasst ihre Hand und sieht sie starr und bedeutend an.) Nehmen Sie ihn denn hin, Milady!-Freiwillig tret' ich Ihnen ab den Mann, den man mit Haken der Hoelle von meinem blutenden Herzen riss. -Vielleicht wissen Sie es selbst nicht, Milady, aber Sie haben den Himmel zweier Liebenden geschleift, von einander gezerrt zwei Herzen, die Gott aneinander band; zerschmettert ein Geschoepf, das ihm nahe ging wie Sie, das er zur Freude schuf wie Sie, das ihn gepriesen hat wie Sie, und ihn nun nimmermehr preisen wird-Lady! ins Ohr des Allwissenden schreit auch der letzte Krampf des zertretenen Wurms-Es wird ihm nicht gleichgueltig sein, wenn man Seelen in seinen Haenden mordet! Jetzt ist er Ihnen! Jetzt, Milady, nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme! Reissen Sie ihn zum Altar-Nur vergessen Sie nicht, dass zwischen Ihren Brautkuss das Gespenst einer Selbstmoerderin stuerzen wird-Gott wird barmherzig sein-Ich kann mir nicht anders helfen! (Sie stuerzt hinaus.)

Achte Scene.

Lady allein, steht erschuettert und ausser sich, den starren Blick nach der Thuere gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt; endlich erwacht sie aus ihrer Betaeubung.

Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach die Unglueckliche?-Noch, o Himmel! noch zerreissen sie meine Ohren, die fuerchterlichen, mich verdammenden Worte: nehmen Sie ihn hin!-Wen, Unglueckselige? das Geschenk deines Sterberoechelns-das schauervolle Vermaechtniss deiner Verzweiflung? Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken-so ploetzlich von allen Thronen meines Stolzes herabgestuerzt, dass ich heisshungrig erwarte, was einer Bettlerin Grossmuth aus ihrem letzten Todeskampfe mir zuwerfen wird?-Nehmen Sie ihn hin! und das spricht sie mit einem Tone, begleitet sie mit einem Blick-Ha! Emilie! bist du darum ueber die Grenzen deines Geschlechts weggeschritten? Musstest du darum um den praechtigen Namen des grossen brittischen Weibes buhlen, dass das prahlende Gebaeude deiner Ehre neben der hoeheren Tugend einer verwahrlosten Buergerdirne versinken soll?-Nein, stolze Unglueckliche! nein!-Beschaemen laesst sich Emilie Milford-doch beschimpfen nie! Auch ich habe Kraft, zu entsagen.

(Mit majestaetischen Schritten auf und nieder.)

Verkrieche dich jetzt, weiches, leidendes Weib!-Fahret hin, suesse, goldene Bilder der Liebe-Grossmuth allein sei jetzt meine Fuehrerin!-Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muss ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fuersten erloeschen! (Nach einer Pause, lebhaft.) Es ist geschehen!-Gehoben das furchtbare Hinderniss-zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wuethende Liebe!-In deine Arme werf' ich mich, Tugend!-Nimm sie auf, deine reuige Tochter Emilie!-Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht, so gehoben mich fuehle!-Gross, wie eine fallende Sonne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit heruntersinken, meine Herrlichkeit sterbe mit meiner Liebe, und nichts als mein Herz begleite mich in diese stolze Verweisung. (Entschlossen zum Schreibpult gehend.) Jetzt gleich muss es geschehen-jetzt auf der Stelle, ehe die Reize des lieben Juenglings den blutigen Kampf meines Herzens erneuern. (Sie setzt sich nieder und faengt an zu schreiben.)

Neunte Scene.

Lady. Ein Kammerdiener. Sophie, hernach der Hofmarschall, zuletzt Bedienter.

Kammerdiener. Hofmarschall von Kalb stehen im Vorzimmer mit einem Auftrag vom Herzog.

Lady (in der Hitze des Schreibens.) Auftaumeln wird sie, die fuerstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug, so eine durchlauchtigte Hirnschale auseinander zu treiben!-Seine Hofschranzen werden wirbeln-Das ganze Land wird in Gaehrung kommen.

Kammerdiener und Sophie. Der Hofmarschall, Milady-Lady (dreht sich um). Wer? Was?-Desto besser! Diese Sorte von Geschoepfen ist zum Sacktragen auf der Welt. Er soll mir willkommen sein.

Kammerdiener (geht ab).

Sophie (aengstlich naeher kommend). Wenn ich nicht fuerchten muesste, Milady, es waere Vermessenheit (Lady schreibt hitzig fort.) Die Millerin stuerzte ausser sich durch den Vorsaal-Sie gluehen-Sie sprechen mit sich selbst. (Lady schreibt immer fort.) Ich erschrecke-Was muss geschehen sein?

Hofmarschall (tritt herein, macht dem Ruecken der Lady tausend Verbeugungen; da sie ihn nicht bemerkt, kommt er naeher, stellt sich hinter ihren Sessel, sucht den Zipfel ihres Kleides wegzukriegen und drueckt einen Kuss darauf, mit furchtsamem Lispeln). Serenissimus-Lady (indem sie Sand streut und das Geschriebene durchfliegt). Er wird mir schwarzen Undank zur Last legen-Ich war eine verlassene. Er hat mich aus dem Elend gezogen-Aus dem Elend?-Abscheulicher Tausch! -Zerreisse deine Rechnung, Verfuehrer! Meine ewige Schamroethe bezahlt sie mit Wucher.

Hofmarschall (nachdem er die Lady vergeblich von allen Seiten umgangen hat). Milady scheinen etwas distrait zu sein-Ich werde mir wohl selbst die Kuehnheit erlauben muessen. (Sehr laut.) Serenissimus schicken mich, Milady zu fragen, ob diesen Abend Vauxhall sein werde oder deutsche Komoedie?

Lady (lachend aufstehend). Eines von beiden, mein Engel-Unterdessen bringen Sie Ihrem Herzog diese Karte zum Dessert! (Gegen Sophie.). Du, Sophie, befiehlst, dass man anspannen soll, und rufst meine ganze Garderobe in diesem Saal zusammen-Sophie (geht ab voll Bestuerzung). O Himmel! Was ahnet mir? Was wird das noch werden?

Hofmarschall. Sie sind echauffiert, meine Gnaedige?

Lady. Um so weniger wird hier gelogen sein-Hurrah, Herr Hofmarschall! Es wird eine Stelle vacant. Gut Wetter fuer Kuppler! (Das der Marschall einen zweifelhaften Blick auf den Zettel wirft.) Lesen Sie, lesen Sie!-Es ist mein Wille, dass der Inhalt nicht unter vier Augen bleibe.

Hofmarschall (liest, unterdessen sammeln sich die Bedienten der Lady im Hintergrund):

"Gnaedigster Herr!

Ein Vertrag, den Sie so leichtsinnig brachen, kann mich nicht mehr binden. Die Glueckseligkeit Ihres Landes war die Bedingung meiner Liebe. Drei Jahre waehrte der Betrug. Die Binde faellt mir von den Augen. Ich verabscheue Gunstbezeugungen, die von den Thraenen der Unterthanen triefen.-Schenken Sie die Liebe, die ich Ihnen nicht mehr erwiedern kann, Ihrem weinenden Lande und lernen von einer brittischen Fuerstin Erbarmen gegen Ihr deutsches Volk. In einer Stunde bin ich ueber der Grenze.

Johanna Norfolk."

Alle Bedienten (murmeln bestuerzt durcheinander). Ueber der Grenze?

Hofmarschall (legt die Karte erschrocken auf den Tisch). Behuete der Himmel, meine Beste und Gnaedige! Den Ueberbringer muesste der Hals eben so juecken, als der Schreiberin.

Lady. Das ist deine Sorge, du Goldmann-Leider weiss ich es, dass du und deines Gleichen am Nachbeten Dessen, was Andre gethan haben, erwuergen!-Mein Rath waere, man backt den Zettel in eine Wildpretpastete, so faenden ihn Serenissimus auf dem Teller-Hofmarschall. Ciel! Diese Vermessenheit!-So erwaegen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen, Lady!