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Lady (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das Folgende mit der innigsten Ruehrung). Ihr steht bestuerzt, guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Raethsel entwickeln wird?-Kommt naeher, meine Lieben!-Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir oefter in die Augen, als ich die Boerse; euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz-meine Gnade!-Dass das Andenken eurer Treue zugleich das Gedaechtniss meiner Erniedrigung sein muss! Trauriges Schicksal, dass meine schwaerzesten Tage eure gluecklichen waren! (Mit Thraenen in den Augen.) Ich entlasse euch, meine Kinder-Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld abzutragen-Mein Schatzmeister stuerze meine Schatulle unter euch-Dieser Palast bleibt dem Herzog-Der Aermste von euch wird reicher von hinnen gehen, als seine Gebieterin. (Sie reicht ihre Haende hin, die alle nach einander mit Leidenschaft kuessen.) Ich verstehe euch, meine Guten-Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Fasst sich aus ihrer Beklemmung.) Ich hoere den Wagen vorfahren. (Sie reisst sich los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg.) Mann des Erbarmens, stehst du noch immer da?

Hofmarschall (der diese ganze Zeit ueber mit einem Geistesbankerott auf den Zettel sah). Und dieses Billet soll ich Seiner Hochfuerstlichen Durchlaucht zu Hoechsteigenen Haenden geben?

Lady. Mann des Erbarmens! zu Hoechsteigenen Haenden, und sollst melden zu Hoechsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuss nach Loretto koenne, so werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf, ihn beherrscht zu haben.

(Sie eilt ab. Alle Uebrigen gehen sehr bewegt auseinander.)

Fuenfter Akt.

Abend zwischen Licht im Zimmer beim Musikanten.

Erste Scene.

Luise sitzt stumm und ohne sich zu ruehren in dem finstersten Winkel des Zimmers, den Kopf auf den Arm gesunken. Nach einer grossen und tiefen Pause kommt Miller mit einer Handlaterne, leuchtet aengstlich im Zimmer herum, ohne Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf den Tisch und setzt die Laterne nieder.

Miller. Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht-Durch alle Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf allen Thoren hab' ich gefragt-mein Kind hat man nirgends gesehen. (Nach einigem Stillschweigen.) Geduld, armer, ungluecklicher Vater! Warte ab, bis es Morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann ans Ufer geschwommen-Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgoettisch an diese Tochter hing?-Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart! Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart! (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.)

Luise (spricht aus dem Winkel). Du thust recht, armer alter Mann! Lerne bei Zeit noch verlieren.

Miller (springt auf). Bist du da, mein Kind? Bist du?-Aber warum denn so einsam und ohne Licht?

Luise. Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum, hab' ich meine besten Besuche.

Miller. Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwaermt mit der Eule. Suenden und boese Geister scheuen das Licht.

Luise. Auch die Ewigkeit, Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet.

Miller. Kind! Kind! Was fuer Reden sind das?

Luise (steht auf und kommt vorwaerts). Ich hab' einen harten Kampf gekaempft. Er weiss es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater, man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub' Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schuetteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung druecken wir im Spass in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist lustig.

Miller. Hoere, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so besser.

Luise. Wie ich ihn ueberlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen betruegen will!-Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kuehner-das hat er nicht gewusst, der Mann mit dem traurigen Stern-O, sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu thun haben; aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Boeswichter dumm-Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sacramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen-Will Er mir dies Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein?

Miller. An wen, meine Tochter?

Luise. Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben mit einander nicht Raum genug fuer einen einzigen Gedanken an ihn-Wenn haett' ich denn wohl an sonst Jemand schreiben sollen?

Miller (unruhig). Hoere, Luise! Ich erbrechen den Brief.

Luise. Wie Er will, Vater-aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge der Liebe.

Miller (liest). "Du bist verrathen, Ferdinand!-Ein Bubenstueck ohne Beispiel zerriss den Bund unsrer Herzen, aber ein schrecklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat ueberall seine Horcher gestellt. Doch, wenn du Muth hast, Geliebter,-ich weiss einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher geht." (Miller haelt inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.)

Luise. Warum sieht Er mich so an? Les' Er doch ganz aus, Vater.

Miller. "Aber Muth genug musst du haben, eine finstre Strasse zu wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Luise und Gott-Ganz zur Liebe musst du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine brausenden Wuensche; nichts kannst du brauchen, als dein Herz. Willst du-so brich auf, wenn die Glocke den zwoelften Streich thut auf dem Carmeliterthurm. Bangt dir-so durchstreiche das Wort stark vor deinem Geschlechte, denn ein Maedchen hat dich zu Schanden gemacht." (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen, starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine Tochter?

Luise. Er kennt ihn nicht? Er kennt ihn wirklich nicht, Vater?-Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird ihn finden.

Miller. Hum! rede deutlicher.

Luise. Ich weiss so eben kein liebliches Wort dafuer-Er muss nicht erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein haessliches nenne. Dieser Ort-O warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! den schoensten haette sie diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater-aber Er muss mich ausreden lassen-der dritte Ort ist das Grab.

Miller (zu seinem Sessel hinwankend). O mein Gott!

Luise (geht auf ihn zu und haelt ihn). Nicht doch, mein Vater! Das sind nur Schauer, die sich um das Wort herum lagern-Weg mit diesem, und es liegt ein Brautbette da, worueber der Morgen seinen goldenen Teppich breitet und die Fruehlinge ihre bunten Guirlanden streun. Nur ein heulender Suender konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder, niedlicher Knabe, bluehend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tueckisch nicht-ein stiller, dienstbarer Genius, der der erschoepften Pilgerin Seele den Arm bietet ueber den Graben der Zeit, das Feenschloss der ewigen Herrlichkeit aufschliesst, freundlich nickt und verschwindet.

Miller. Was hast du vor, meine Tochter?-Du willst eigenmaechtig Hand an dich legen.

Luise. Nenn' Er es nicht so, mein Vater. Eine Gesellschaft raeumen, wo ich nicht wohl gelitten bin-an einen Ort vorausspringen, den ich nicht laenger missen kann-ist denn das Suende?

Miller. Selbstmord ist die abscheulichste, mein Kind-die einzige, die man nicht mehr bereuen kann, weil Tod und Missethat zusammenfallen.