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Rauben?-rauben den letzten Nothpfenning einem Bettler? Die Kruecke zerbrochen vor die Fuesse werfen dem Lahmen? Wie? Hab' ich auch Brust fuer das?-Und wenn er nun heimeilt und nicht erwarten kann, die ganze Summe seiner Freuden vom Gesicht dieser Tochter herunter zu zaehlen, und hereintritt und sie da liegt, die Blume-welk-todt-zertreten, muthwillig, die letzte, einzige, unueberschwaengliche Hoffnung-Ha, und er dasteht vor ihr, und dasteht und ihm die ganze Natur den lebendigen Odem anhaelt, und sein erstarrter Blick die entvoelkerte Unendlichkeit fruchtlos durchwandert, Gott sucht, und Gott nicht mehr finden kann und leerer zurueckkommt-Gott! Gott! Aber auch mein Vater hat diesen einzigen Sohn-den einzigen Sohn, doch nicht den einzigen Reichthum-(Nach einer Pause.) Doch wie? Was verliert er denn? Das Maedchen, dem die heiligsten Gefuehle der Liebe nur Puppen waren, wird es den Vater gluecklich machen koennen?-Es wird nicht, es wird nicht! Und ich verdiene noch Dank, dass ich die Natter zertrete, ehe sie auch noch den Vater verwundet.

Fuenfte Scene.

Miller, der zurueckkommt, und Ferdinand.

Miller. Gleich sollen Sie bedient sein, Baron! Draussen sitzt das arme Ding und will sich zu Tod weinen. Sie wird Ihnen mit der Limonade auch Thraenen zu trinken geben.

Ferdinand. Und wohl, wenn's nur Thraenen waeren!-Weil wir vorhin von der Musik sprachen, Miller-(Eine Boerse ziehend.) Ich bin noch Sein Schuldner.

Miller. Wie? Was? Gehen Sie mir, Baron! Wofuer halten Sie mich? Das steht ja in guter Hand, thun Sie mir doch den Schimpf nicht an, und sind wir ja, will's Gott, nicht das letzte Mal bei einander.

Ferdinand. Wer kann das wissen? Nehm' Er nur. Es ist fuer Leben und Sterben.

Miller (lachend). O desswegen, Baron! Auf den Fall, denk' ich, kann man's wagen bei Ihnen.

Ferdinand. Man wagte wirklich-Hat Er nie gehoert, dass Juenglinge gefallen sind-Maedchen und Juenglinge, die Kinder der Hoffnung, die Luftschloesser betrogener Vaeter-Was Wurm und Alter nicht thun, kann oft ein Donnerschlag ausrichten-Auch Seine Luise ist nicht unsterblich.

Miller. Ich hab' sie von Gott.

Ferdinand. Hoer' Er-Ich sag' Ihm, sie ist nicht unsterblich. Diese Tochter ist Sein Augapfel. Er hat sich mit Herz und Seel' an diese Tochter gehaengt. Sei Er vorsichtig, Miller. Nur ein verzweifelter Spieler setzt Alles auf einen einzigen Wurf. Einen Waghals nennt man den Kaufmann, der auf ein Schiff sein ganzes Vermoegen ladet-Hoer' Er, denk' Er der Warnung nach-Aber warum nimmt Er Sein Geld nicht?

Miller. Was, Herr? die ganze allmaechtige Boerse? Wohin denken Eure Gnaden?

Ferdinand. Auf meine Schuldigkeit-Da! (Er wirft den Beutel auf den Tisch, dass Goldstuecke herausfallen.) Ich kann den Quark nicht eine Ewigkeit so halten.

Miller (bestuerzt). Was beim grossen Gott? Der klang nicht wie Silbergeld! (Er tritt zum Tisch und ruft mit Entsetzen.) Wie, um aller Himmel willen, Baron? Baron? Wie sind Sie? Was treiben Sie, Baron? Das nenn' ich mir Zerstreuung! (Mit zusammengeschlagenen Haenden.) Hier liegt ja-oder bin ich verhext,-oder-Gott verdamm mich! Da greif' ich ja das baare, gelbe, leibhaftige Gottesgold-Nein, Satanas! Du sollst mich nicht daran kriegen!

Ferdinand. Hat Er Alten oder Neuen getrunken, Miller?

Miller (grob). Donner und Wetter! Da schauen Sie nur hin!-Gold!

Ferdinand. Und was weiter?

Miller. Ins Henkers Namen-ich sage-ich bitte Sie um Gottes Christi willen-Gold!

Ferdinand. Das ist nun freilich etwas Merkwuerdiges.

Miller (nach einigem Stillschweigen zu ihm gehend, mit Empfindung). Gnaediger Herr, ich bin ein schlichter, gerader Mann, wenn Sie mich etwa zu einem Bubenstueck anspannen wollen-denn so viel Geld laesst sich, weisst Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen.

Ferdinand (bewegt). Sei Er ganz getrost, lieber Miller. Das Geld hat Er laengst verdient, und Gott bewahre mich, dass ich mich mit Seinem guten Gewissen dafuer bezahlt machen sollte.

Miller (wie ein Halbnarr in die Hoehe springend). Mein also! mein! Mit des guten Gottes Wissen und Willen, mein! (Nach der Thuer laufend, schreiend.) Weib! Tochter! Victoria! Herbei! (Zurueckkommend.) Aber du lieber Himmel! Wie komm' ich denn so auf einmal zu dem ganzen grausamen Reichthum? Wie verdien' ich ihn? lohn' ich ihn? Heh?

Ferdinand. Nicht mit Seinen Musikstunden, Miller.-Mit dem Geld hier bezahl' ich Ihm, (von Schauern ergriffen haelt er inn) bezahl' ich Ihm (nach einer Pause mit Wehmuth) den drei Monat langen gluecklichen Traum von Seiner Tochter.

Miller (fasst seine Hand, die er stark drueckt). Gnaediger Herr! Waeren Sie ein schlechter, geringer Buergersmann-(rasch) und mein Maedel liebte Sie nicht-erstechen wollt' ich's, das Maedel! (Wieder beim Geld, darauf niedergeschlagen.) Aber da hab' ich ja nun Alles und Sie nichts, und da werd' ich nun das ganze Gaudium wieder herausblechen muessen? Heh?

Ferdinand. Lass Er sich das nicht anfechten, Freund-Ich reise ab, und in dem Land, wo ich mich zu setzen gedenke, gelten die Stempel nicht.

Miller (unterdessen mit unverwandten Augen auf das Gold hingeheftet, voll Entzueckung). Bleibt's also mein? Bleibt's?-Aber das thut mir nur leid, dass Sie verreisen-Und wart, was ich jetzt auftreten will! Wie ich die Backen jetzt vollnehmen will! (Er setzt den Hut auf und schiesst durch das Zimmer.) Und auf den Markt will ich und meine Musikstunden geben und Numero fuenfe Dreikoenig rauchen, und wenn ich wieder auf dem Dreibatzenplatz sitze, soll mich der Teufel holen. (Will fort.)

Ferdinand. Bleib' Er! Schweig' Er! und streich' Er sein Geld ein! (Nachdruecklich.) Nur diesen Abend noch schweig' Er und geb' Er, mir zu Gefallen, von nun an keine Musikstunden mehr.

Miller (noch hitziger und ihn hart an der Weste fassend, voll inniger Freude). Und, Herr! meine Tochter! (Ihn werden loslassend.) Geld macht den Mann nicht-Geld nicht-Ich habe Kartoffeln gegessen oder ein wildes Huhn; satt ist satt, und dieser Rock da ist ewig gut, wenn Gottes liebe Sonne nicht durch den Aermel scheint-Fuer mich ist das Plunder-Aber dem Maedel soll der Segen bekommen; was ich ihr nur an den Augen absehen kann, soll sie haben-Ferdinand (faellt rasch ein). Stille, o stille-Miller (immer feuriger). Und soll mir Franzoesisch lernen aus dem Fundament und Menuet-Tanzen und Singen, dass man's in den Zeitungen lesen soll; und eine Haube soll sie tragen, wie die Hofrathstoechter, und einen Kidebarri, wie sie's heissen, und von der Geigerstochter soll man reden auf vier Meilen weit-Ferdinand (ergreift seine Hand mit der schrecklichsten Bewegung). Nichts mehr! Nichts mehr! Um Gotteswillen, schweig' Er still! Nur noch heute schweig' Er still! Das sei der einzige Dank, den ich von Ihm fordre.

Sechste Scene.

Luise mit der Limonade, und die Vorigen.

Luise (mit rotgeweinten Augen und zitternder Stimme, indem sie dem Major das Glas auf einem Teller bringt). Sie befehlen, wenn sie nicht stark genug ist.

Ferdinand (nimmt das Glas, setzt es nieder und dreht sich rasch gegen Millern). O beinahe haett' ich das vergessen!-Darf ich Ihn um etwas bitten, lieber Miller? Will Er mir einen kleinen Gefallen thun?

Miller. Tausend fuer einen! Was befehlen-Ferdinand. Man wird mich bei der Tafel erwarten. Zum Unglueck hab' ich eine sehr boese Laune. Es ist mir ganz unmoeglich, unter Menschen zu gehn-Will Er einen Gang thun zu meinem Vater und mich entschuldigen?

Luise (erschrickt und faellt schnell ein). Den Gang kann ja ich thun.