Praesident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stuerzt auf ihn zu und kuesst ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung-Vater! meinen heissesten Dank fuer Ihre herzliche Meinung-Ihre Wahl ist untadelhaft-aber-ich kann-ich darf-bedauern Sie mich-ich kann die Graefin nicht lieben!
Praesident (tritt einen Schritt zurueck). Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler-Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot?-Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann faehrt er auf und will fortrennen).
Praesident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? (Der Major kehrt zurueck.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fuerst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig.-Wenn du mich zum Luegner machst, Junge-vor dem Fuersten-der Lady-der Stadt-dem Hof mich zum Luegner machst-Hoere, Junge-oder wenn ich hinter gewisse Historien komme?-Halt! Holla! Was blaest so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?
Ferdinand (schneeblass und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiss nichts, mein Vater!
Praesident (einen fuerchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es was ist-und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt-Ha, Junge! der blosse Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade faengt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist-Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Lass doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.)
Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betaeubung). Ist er weg? War das eines Vaters Stimme?-Ja! ich will zu ihr-will hin-will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten-Nichtswuerdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst-Im Angesicht des versammelten Adels, des Militaers und des Volks-Umguerte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands-Ich verwerfe dich-ein deutscher Juengling! (Er eilt hinaus.)
Zweiter Akt.
Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha, zur linken ein Fluegel.
Erste Scene.
Lady in einem freien, aber reizenden Negligé, die Haare noch unfrisiert, sitzt vor dem Fluegel und phantasiert; Sophie, die Kammerjungfer, kommt von dem Fenster.
Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist aus-aber ich sehe noch keinen Walter.
Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal macht). Ich weiss nicht, wie ich mich heute finde, Sophie-Ich bin noch nie so gewesen-Also du sahst ihn gar nicht?-Freilich wohl-Es wird ihm nicht eilen-Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Brust-Geh, Sophie-Man soll mir den wildesten Renner herausfuehren, der im Marstall ist. Ich muss ins Freie-Menschen sehen und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum.
Sophie. Wenn Sie sich unpaesslich fuehlen, Milady-berufen Sie Assemblee hier zusammen. Lassen Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hombretische vor Ihren Sopha setzen. Mir sollte der Fuerst und sein ganzer Hof zu Gebote stehen und eine Grille im Kopfe surren?
Lady (wirft sich in den Sopha). Ich bitte, verschone mich! Ich gebe dir einen Demant fuer jede Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen kann! Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren?-Das sind schlechte, erbaermliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein warmes herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreissen, als saehen sie eine Geist-Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich leichter als mein Filet regiere!-Was fang' ich mit Leuten an, deren Seelen so gleich als ihre Sackuhren gehen? Kann ich eine Freude dran finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiss, was sie mir antworten werden? Oder Worte mit ihnen zu wechseln, wenn sie das Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein?-Weg mit ihnen! Es ist verdriesslich, ein Ross zu reiten, das nicht auch in den Zuegel beisst. (Sie tritt zum Fenster.)
Sophie. Aber den Fuersten werden Sie doch ausnehmen, Lady? Den schoensten Mann-den feurigsten Liebhaber-den witzigsten Kopf in seinem ganzen Lande!
Lady (kommt zurueck). Denn es ist sein Land-und nur ein Fuerstenthum, Sophie, kann meinem Geschmack zur ertraeglichen Ausrede dienen-Du sagst, man beneide mich. Armes Ding! Beklagen soll man mich vielmehr! Unter Allen, die an den Bruesten der Majestaet trinken, kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem grossen und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet-Wahr ist's, er kann mit dem Talisman seiner Groesse jeden Gelust meines Herzens, wie ein Feenschloss, aus der Erde rufen.-Er setzt den Saft von zwei Indien auf die Tafel-ruft Paradiese aus Wildnissen-laesst die Quellen seines Landes in stolzen Boegen gen Himmel springen, oder das Mark seiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen-Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, gegen ein grosses, feuriges Herz gross und feurig zu schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schoenes Gefuehl exequieren?-Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne; und was helfen mich tausend bessre Empfindungen, wo ich nur Wallungen loeschen darf?
Sophie (blickt sie verwundernd an). Wie lang ist es denn aber, dass ich Ihnen diene, Milady?
Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt wirst?-Es ist wahr, liebe Sophie-ich habe dem Fuersten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe ich frei behalten-ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth ist-ueber welches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch ueber den Spiegel ging-Trau' es mir zu, meine Liebe, dass ich es laengst gegen diesen armseligen Fuersten behauptet haette, wenn ich es nur von meinem Ehrgeiz erhalten koennte, einer Dame am Hof den Rang vor mir einzuraeumen.
Sophie. Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern?
Lady (lebhaft). Als wenn es sich nicht schon geraecht haette?-Nicht jetzt noch raechte?-Sophie! (Bedeutend, indem sie die Hand auf Sophiens Achsel fallen laesst.) Wir Frauenzimmer koennen nur zwischen Herrschen und Dienen waehlen, aber die hoechste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die groessere Wonne versagt wird, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.
Sophie. Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt hoeren wollte!
Lady. Und warum, meine Sophie? Sieht man es denn dieser kindischen Fuehrung des Scepters nicht an, dass wir nur fuer das Gaengelband taugen? Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an-diesen wilden Ergoetzungen nicht an, dass sie nur wildere Wuensche in meiner Brust ueberlaermen sollten?
Sophie (tritt erstaunt zurueck). Lady!
Lady (lebhafter). Befriedige diese! Gib mir den Mann, den ich jetzt denke-den ich anbete-sterben, Sophie, oder besitzen muss. (Schmelzend.) Lass mich aus seinem Mund es vernehmen, dass Thraenen der Liebe schoener glaenzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm Haar, (feurig) und ich werfe dem Fuersten sein Herz und sein Fuerstenthum vor die Fuesse, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die entlegenste Wueste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an). Himmel! Was machen Sie? Wie wird Ihnen, Lady?
Lady (bestuerzt). Du entfaerbst dich?-Hab' ich vielleicht etwas zu viel gesagt? O so lass mich deine Zunge mit meinem Zutrauen binden-hoere noch mehr-hoere Alles-Sophie (schaut sich aengstlich um). Ich fuerchte, Milady-ich fuerchte-ich brauch' es nicht mehr zu hoeren.
Lady. Die Verbindung mit dem Major-Du und die Welt stehen im Wahn, sie sei eine Hof-Kabale-Sophie-erroethe nicht-schaeme dich meiner nicht-sie ist das Werk-meiner Liebe!