Ferdinand (frostig). Hier brauch' ich sie nicht.
Lady (mit immer steigender Angst). Aber fuer was muss ich diesen Vorbericht nehmen?
Ferdinand (langsam und mit Nachdruck). Fuer den Einwurf der Ehre, wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen.
Lady (auffahrend). Was ist das, Herr Major?
Ferdinand (gelassen). Die Sprache meines Herzens-meines Wappens-und dieses Degens.
Lady. Diesen Degen gab Ihnen der Fuerst.
Ferdinand. Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fuersten-mein Herz Gott-mein Wappen ein halbes Jahrtausend.
Lady. Der Name des Herzogs-Ferdinand (hitzig). Kann der Herzog Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen muenzen wie seine Dreier?-Er selbst ist nicht ueber die Ehre erhaben, aber er kann ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin ueber seine Schande herwerfen. Ich bitte mir aus, davon nichts mehr, Milady.-Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und Ahnen-oder von dieser Degenquaste-oder von der Meinung der Welt. Ich bin bereit, Dies alles mit Fuessen zu treten, sobald Sie mich nur ueberzeugt haben werden, dass der Preis nicht schlimmer noch als das Opfer ist.
Lady (schmerzhaft von ihm weggehend). Herr Major! das hab' ich nicht verdient.
Ferdinand (ergreift ihre Hand). Vergeben Sie. Wir reden hier ohne Zeugen. Der Umstand, der Sie und mich-heute und nie mehr-zusammenfuehrt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein geheimstes Gefuehl nicht zurueck zu halten.-Es will mir nicht zu Kopfe, Milady, dass eine Dame von so viel Schoenheit und Geist-Eigenschaften, die ein Mann schaetzen wuerde-sich an einen Fuersten sollte wegwerfen koennen, der nur das Geschlecht an ihr zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schaemte, vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten.
Lady (schaut ihm gross ins Gesicht). Reden Sie ganz aus!
Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Erlauben Sie mir-ich kann es nicht glauben, dass Sie eine Brittin sind. Die freigeborne Tochter des freiesten Volks unter dem Himmel-das auch zu stolz ist, fremder Tugend zu raeuchern-kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen. Es ist nicht moeglich, dass Sie eine Brittin sind,-oder das Herz dieser Brittin muss um so viel kleiner sein, als groesser und kuehner Britanniens Adern schlagen.
Lady. Sind Sie zu Ende?
Ferdinand. Man koennte antworten, es ist weibliche Eitelkeit-Leidenschaft-Temperament-Hang zum Vergnuegen. Schon oefters ueberlebte Tugend die Ehre. Schon Manche, die mit Schande in diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit sich ausgesoehnt und das haessliche Handwerk durch einen schoenen Gebrauch geadelt-Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des Landes, die vorher nie so gewesen?-Das war im Namen des Herzogthums. -Ich bin zu Ende.
Lady (mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, dass solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch, dem ich darauf antworte-Dass Sie meine Hand verwerfen, darum schaetz' ich Sie. Dass Sie meine Hand laestern, vergebe ich Ihnen. Dass es Ihr Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt, Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muss dieser Dame eine grosse Seele zutrauen, oder-von Sinnen sein-Dass Sie den Ruin des Landes auf meine Brust waelzen, vergebe Ihnen Gott der Allmaechtige, der Sie und mich und den Fuersten einst gegen einander stellt.-Aber Sie haben die Englaenderin in mir aufgefordert, und auf Vorwuerfe dieser Art muss mein Vaterland Antwort haben.
Ferdinand (auf seinen Degen gestuetzt). Ich bin begierig.
Lady. Hoeren Sie also, was ich, ausser Ihnen, noch Niemand vertraute, noch jemals einem Menschen vertrauen will.-Ich bin nicht die Abenteurerin, Walter, fuer die Sie mich halten. Ich koennte gross thun und sagen: ich bin fuerstlichen Geblueths-aus des ungluecklichen Thomas Norfolks Geschlechte, der fuer die schottische Maria ein Opfer ward. -Mein Vater, des Koenigs oberster Kaemmerer, wurde bezichtigt, in verraetherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet.-Alle unsre Gueter fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich-ein vierzehnjaehriges Maedchen-flohe nach Deutschland mit meiner Waerterin-einem Kaestchen Juwelen-und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.
Ferdinand (wird nachdenkend und heftet waermere Blicke auf die Lady).
Lady (faehrt fort mit immer zunehmender Ruehrung). Krank-ohne Namen-ohne Schutz und Vermoegen-eine auslaendische Waise, kam ich nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen Franzoesisch-ein wenig Filet und den Fluegel-desto besser verstund ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die Schmeicheleien der Grossen Ihres Geschlechts aufzunehmen.-Sechs Jahre waren schon hingeweint.-Und die letzte Schmucknadel flog dahin-Meine Waerterin starb-und jetzt fuehrte mein Schicksal Ihren Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder mein Leiden das Tiefste waere?-Der Herzog sah mich, verfolgte mich, fand meinen Aufenthalt,-lag zu meinen Fuessen und schwur, dass er mich liebe. (Sie haelt in grossen Bewegungen inne, dann faehrt sie fort mit weinender Stimme.) Alle Bilder meiner gluecklichen Kindheit wachten jetzt wieder mit verfuehrendem Schimmer auf-Schwarz wie das Grab graute mich eine trostlose Zukunft an-Mein Herz brannte nach einem Herzen-Ich sank an das seinige. (Von ihm wegstuerzend.). Jetzt verdammen Sie mich!
Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und haelt sie zurueck). Lady! o Himmel! Was hoer' ich? Was that ich?-Schrecklich enthuellt sich mein Frevel mir. Sie koennen mir nicht mehr vergeben.
Lady (kommt zurueck und hat sich zu sammeln gesucht). Hoeren Sie weiter. Der Fuerst ueberraschte zwar meine wehrlose Jugend-aber das Blut der Norfolk empoerte sich in mir: Du, eine geborene Fuerstin, Emilie, rief es, und jetzt eines Fuersten Concubine?-Stolz und Schicksal kaempften in meiner Brust, als der Fuerst mich hieher brachte und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand!-Die Wollust der Grossen dieser Welt ist die nimmersatte Hyaene, die sich mit Heisshunger Opfer sucht.-Fuerchterlich hatte sie schon in diesem Lande gewuethet-hatte Braut und Braeutigam zertrennt-hatte selbst der Ehen goettliches Band zerrissen-hier das stille Glueck einer Familie geschleift-dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schuelerinnen schaeumten den Namen ihres Lehrers unter Fluechen und Zuckungen aus-Ich stellte mich zwischen das Lamm und den Tiger, nahm einen fuerstlichen Eid von ihm in einer Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung musste aufhoeren.
Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts mehr, Milady! Nicht weiter!
Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pariserinnen taendelten mit dem furchtbaren Scepter, und das Volk blutete unter ihren Launen-Sie alle erlebten ihren Tag. Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette, als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zuegel ab, der wolluestig in meiner Umarmung erschlappte-dein Vaterland, Walter, fuehlte zum erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen. (Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O dass der Mann, von dem ich allein nicht verkannt sein moechte, mich jetzt zwingen muss, gross zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu versengen!-Walter, ich habe Kerker gesprengt-habe Todesurtheile zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkuerzt. In unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam gegossen-maechtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thraene gerettet-Ha, Juengling, wie suess war mir das! Wie stolz konnte mein Herz jede Anklage meiner fuerstlichen Geburt widerlegen!-Und jetzt kommt der Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte-der Mann, den mein erschoepftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden schuf-der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon umfasse-Ferdinand (faellt ihr ins Wort, durch und durch erschuettert). Zu viel! zu viel! Das ist wieder die Abrede, Lady. Sie sollten sich von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen Sie-ich beschwoere Sie-schonen Sie meines Herzens, das Beschaemung und wuethende Reue zerreissen-Lady (haelt seine Hand fest). Jetzt oder nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand-das Gewicht dieser Thraenen musst du noch fuehlen. (Im zaertlichsten Ton.) Hoere, Walter-wenn eine Unglueckliche-unwiderstehlich, allmaechtig an dich gezogen-sich an dich presst mit einem Busen voll gluehender, unerschoepflicher Liebe-Walter!-und du jetzt noch das kalte Wort Ehre sprichst-wenn diese Unglueckliche-niedergedrueckt vom Gefuehl ihrer Schande-des Lasters ueberdruessig-heldenmaessig emporgehoben vom Rufe der Tugend-sich so-in deine Arme wirft (sie umfasst ihn, beschwoerend und feierlich)-durch dich gerettet-durch dich dem Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm abgewandt, mit hohler bebender Stimme) deinem Bild zu entfliehen, dem fuerchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt-Ferdinand (von ihr losreissend, in der schrecklichsten Bedraengniss). Nein, beim grossen Gott! ich kann das nicht aushalten-Lady, ich muss-Himmel und Erde liegen auf mir-ich muss Ihnen ein Gestaendniss thun, Lady!