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»Ich glaube, sie wird gut passen«, sagte Ligurious.

»Das würde ich auch sagen«, meinte die Frau.

Ligurious hob die Hand an das Tuch, das unter meinen Armen hindurchführte. »Möchtest du sie ganz sehen?« fragte er. Ich wimmerte bei dem Gedanken, daß er mir das schützende Tuch nehmen, mich völlig entkleiden konnte.

»Du bist nicht so schlau, wie du selbst glaubst, Ligurious«, erwiderte die Frau. »Glaubst du, ich wüßte nicht, daß du, wenn du sie ausziehst, du mich selbst vor deinen Augen entkleidest?«

»Verzeih mir!« sagte Ligurious, der erste Minister von Corcyrus, lächelnd. »Du kennst meine Gefühle für dich.«

»Sie werden unerwidert bleiben«, sagte sie. »Halte dich an deine Sklavinnen.«

Ich hatte Angst vor der Frau, die sich über mich beugte. Sie mochte mir zwar äußerlich ähneln, doch unterschied sie sich in Wirklichkeit sehr von mir. Sie schien hochintelligent zu sein, zweifellos intelligenter als ich, und streng und entschlußfreudig. Darüber hinaus skrupellos und grausam, arrogant, ungeduldig anspruchsvoll, hochmütig und befehlsgewohnt. Eine solche Frau mochte eine echte Tatrix sein, was ich nicht war. Jedenfalls kam mir eine solche Frau mehr als ich geeignet vor, eine Stadt wie Corcyrus zu befehligen.

Schließlich hatte ich mich auf dem Bett hin und her geworfen und war in einen traumlosen Schlaf gesunken. Nun hörte ich Bewegungen vor meiner Tür. Der Wächter wurde abgelöst.

Ich lag im Dunkeln und fragte mich, ob tief in mir eine Tatrix schlummerte. Ich glaubte es eigentlich nicht. In mir ruhte etwas anderes, etwas, das mir erst auf dieser barbarischen Welt bewußt geworden war, eine Welt, die mich dazu zwang, mich meiner Weiblichkeit zu stellen.

Und plötzlich begriff ich den seltsamen Traum, den ich erlebt hatte. Seine Bilder hatten mir den Unterschied deutlich gemacht zwischen dem, was ich wirklich war, und dem, was zweifellos von einer Tatrix erwartet wurde. Der Gegensatz war klar hervorgetreten: Ich hatte unter Ligurious’ Griff hilflos geschluchzt, während sie hochmütig vor mir stand.

Ich verließ das Bett, stellte mich vor den Spiegel und betrachtete das Mädchen, das sich darin abzeichnete. Wer war ich? Was war ich?

»Ich bin die Tatrix von Corcyrus!« rief ich. Ich war die Tatrix dieser Stadt! Zornig legte ich meine gelbe Robe an und band den Gürtel fest. Dann lief ich zur Tür, umfaßte den Griff und bewegte ihn heftig. Schon hundertmal hatte ich die Tür geöffnet. Überrascht schrie ich auf. Die Tür gab nicht nach! Noch zweimal zog ich daran. Die Tür wurde von der anderen Seite festgehalten. Draußen schien etwas gegen ein Hindernis oder eine Barriere zu stoßen.

Ich hämmerte dagegen. »Laßt mich raus!« rief ich.

Es ertönte ein doppeltes Scharren. Draußen an der Tür, zur Mitte hin, hatte ich breite Metallösen entdeckt, paarweise gegenüber angeordnet, die bisher nicht benutzt worden waren. Schob man in diese Krampen einen Balken, ließ sich die Tür nicht mehr nach innen öffnen.

Jetzt ging die Tür auf. Fünf Wächter standen vor mir. Zwei lehnten breite Balken an die Wand; offensichtlich war damit die Tür versperrt gewesen.

»Die Tür war zu!« sagte ich.

»Ja, meine Dame«, antwortete der Anführer der Wächter. Wie Drusus Rencius stand er im dritten Rang. Er machte einen überraschten Eindruck. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, mich zu so später Stunde oder so früh am Morgen zu sehen.

»Warum war sie verschlossen?« fragte ich.

»Das ist sie doch immer in der Nacht.«

»Warum?«

»Auf Befehl?«

»Wer hat diesen Befehl gegeben?«

»Ligurious.«

»Warum sollte er so etwas anordnen?«

»Das ist so üblich – vermutlich zum Schutz der Tatrix. Es ginge doch nicht, daß die bei Nacht im Palast herumwandert.«

»Gibt es Gefahren im Palast?« fragte ich zornig.

Der Wächter zuckte die Achseln. »Vielleicht hat sich ein Mörder Zutritt verschafft.«

»In Begleitung meiner Wächter könnte mir nichts passieren«, sagte ich.

»Um diese Ahn ist es üblich, daß sich die Tatrix in ihren Gemächern aufhält.«

»Ich verlasse sie aber«, widersprach ich und machte Anstalten, mich an ihm vorbeizudrängen. Doch sein Arm, hart wie Eisen, versperrte mir den Weg. »Verzeih mir, hohe Dame«, sagte er, »aber du darfst nicht durch.«

Erstaunt trat ich einen Schritt zurück. »Ich bin die Tatrix!« sagte ich.

»Ja, meine Dame.«

»Aus dem Weg!«

»Es tut mir leid, du darfst hier nicht durch.«

»Ruf Ligurious!« rief ich, entschlossen, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen.

»Ich kann den ersten Minister um diese Ahn nicht stören.«

»Warum nicht?«

»Er ist bei seinen Frauen.«

»Seinen Frauen!« rief ich.

»Wenn du willst, kann ich Drusus Rencius rufen.«

»Nein«, sagte ich. »Nein.« Ich kehrte in mein Zimmer zurück. Ich sah, wie sich die Tür hinter mir schloß. Gleich darauf war zu hören, wie die beiden Balken wieder angebracht wurden.

»Ich bin die Tatrix!« schrie ich zornig.

Dann warf ich mein Gewand ab und schleuderte es zu Boden. Ich konnte nicht ausgehen. Wozu auch?

Dann begann ich zu zittern und sank neben meinem Bett in die Knie. Ich hatte durch den Palast wandern wollen.

Man hatte es mir verwehrt, Männer hatten es mir verboten. Ich war zornig! Doch wußte ich, daß da andere Gefühle in mir lauerten, tief drinnen, fremdartige, beunruhigende Regungen, unkontrollierbare Gefühle, die einen Ausweg suchten. Mein Wille war ausgeschaltet worden. Ich hatte gehorchen müssen. »Ich bin eine Tatrix!« rief ich zornig.

5

»Der arrogante Bursche, der sich da dem Thron nähert«, flüsterte mir Ligurious ins Ohr, »ist Miles, Botschafter und General aus Argentum.«

Der Mann, der mit großen Schritten auf die Plattform meines Thrones zukam, war in der Tat eine kühne Erscheinung. In der linken Armbeuge trug er einen Helm, der von Sleenhaar gekrönt war. Hinter ihm wirbelte ein mächtiges Cape aus kurzgeschnittenem weißen Fell.

»Vergiß nicht, daß Argentum mit uns verfeindet ist, ebenso wie mit unserem großen Verbündeten Cos.«

»Ich werde daran denken«, sagte ich.

»Die Männer hinter ihm«, fuhr Ligurious fort, »bringen Truhen voller Schätze. Er will damit um deine Gunst buhlen.«

»Sehr unterwürfig scheint er mir aber nicht zu sein«, sagte ich.

»Streif ein wenig deine Robe zur Seite, damit er dich besser sehen kann.«

Ich kam der Aufforderung nach.

»Da es hier um schwierige Dinge gehen kann, gestatte mir bitte, das Audienzgespräch zu führen«, sagte Ligurious.

»Selbstverständlich.« Ich war erleichtert darüber, daß Ligurious die Initiative behalten würde. Mir war bekannt, daß zwischen Corcyrus und Argentum große Spannungen herrschten. Ich wollte keinen Fehler machen, der sich auf den Thron nachteilig auswirken konnte. Ligurious wußte, was zu tun war.

Der Mann, der da näher kam, gefiel mir nicht. Er kam aus Argentum.

Ich richtete mich auf dem wunderschönen Thron Corcyrus’ auf, der in dem großen Palastsaal auf einer breiten Plattform stand. Angehörige hoher Räte umgaben mich. Auch waren zahlreiche Wächter anwesend. Drusus Rencius trug eine prächtige Ausgehuniform, wie es sich für den Wächter einer Tatrix geziemte, und wartete in der Nähe. Auf den Stufen, die zum Thron emporführten, waren hier und dort Reichtümer zur Schau gestellt: kostbare Stoffe, Goldmünzen und einige angekettete Sklavinnen. Susan kniete schräg hinter dem Thron.

»Miles, Botschafter von Argentum, General von Argentum«, verkündete der Herald.

Die Männer hinter Miles stellten die Truhen hin. Zweifellos würden bald neue Schätze die Thronstufen zieren.

»Der Thron von Corcyrus«, begann Ligurious, »begrüßt den Botschafter aus Argentum, Miles, General von Argentum.«

»Im Namen Claudius’, des Ubar von Argentum, nehme ich den Gruß Corcyrus’ an«, sagte Miles.