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Auf der hohen Stadtmauer wandte ich mich um und schaute über die Dächer der Stadt. Zwischen Bäumen sah ich die verschiedenen Theater und das Stadion. Auch den Palast konnte ich ausmachen, ebenso einige Parks und das Dach der Bibliothek an der Straße des Iphicrates.

»Die Stadt ist schön«, sagte ich.

»Ja«, antwortete Drusus Rencius.

Ich liebte Gor, auch wenn es mir in mancher Beziehung Angst einflößte. Angesichts der Überlegenheit des männlichen Elements in der Natur war es wohl ganz natürlich, daß in einer der natürlichen Ordnung entsprechenden Zivilisation die Institution der weiblichen Sklaverei entstand: als zivilisatorischer Ausdruck der biologischen Beziehung, vielleicht auch eine Verfeinerung, Stärkung und, im soziologischen und juristischen Sinn, eine Klarstellung und Konsolidierung dieser Beziehung. Jedenfalls war auf diesem Planeten die Sklaverei Realität.

»Dort ist das Theater des Kleitos«, sagte Drusus Rencius, »und dort liegen die Bibliothek und das Stadion. Und dort, wo man die Bäume sieht, befindet sich der Garten von Antisthenes.«

»Ja«, sagte ich. »Es gibt aber viele Orte in Corcyrus, die du mir noch nicht gezeigt hast«, sagte ich.

»Mag sein.«

»Vor zwei Tagen kamen wir an einem gewissen Haus vorbei«, sagte ich.

»Du hast sicher die Musik gehört, die im Innern gespielt wurde.«

»Ja«, sagte ich. Es würde mir nicht leichtfallen, diese Musik zu vergessen, die melodisch und erregend-sinnlich geklungen hatte.

»Drinnen tanzte ein Mädchen«, fuhr er fort. »Es war eine Paga-Taverne.«

»Du hast mich nicht eintreten lassen«, sagte ich.

»Solche Mädchen tragen beim Tanz oft nichts anderes als Schmuck oder Ketten«, sagte er. »Es ist sicher besser, wenn freie Frauen nicht sehen, wie solche Mädchen die Männer betrachten und sich vor ihnen bewegen.«

»Ich verstehe«, sagte ich. »Manchmal tun mir Sklavinnen leid.«

»Das darf aber nicht sein! Oder identifiziert sich Lady Sheila mit Sklavinnen?«

»Nein, natürlich nicht!«

»Gut.«

»Warum ist das gut?«

»Es heißt, wer sich mit Sklavinnen identifiziert wünscht sich selbst einen Sklavenkragen – ist selbst bereits Sklavin.«

»Nein!«

»Es ist ja nur Gerede!«

Angstvoll wandte ich mich ab und schaute wieder über die Felder. »Aber Soldaten müssen manchmal gehorchen wie Sklaven, nicht wahr?« fragte ich nach kurzem Schweigen.

»Lady?« fragte er.

»Wenn ich künftig einen Ort aufsuchen oder etwas tun möchte, erwarte ich, daß du meine Wünsche respektierst.«

»Wenn Lady Sheila mit mir nicht zufrieden ist«, antwortete er, »braucht sie dies nur gegenüber Ligurious zu erwähnen. Dann könnte ein Ersatzmann bestimmt werden, der dir vielleicht besser gefällt.«

»Solange du mir als Wächter zugeteilt bist, wirst du mir gehorchen. Ich allein werde entscheiden, ob oder wann du deiner Pflichten enthoben wirst – oder vielleicht ganz aus Corcyrus verschwinden mußt!«

»Ja, Tatrix«, sagte er.

»Mit deinen Diensten bin ich nicht völlig unzufrieden«, sagte ich, »doch gedenke ich sie auf jeden Fall noch zu verbessern. Ich bin die Tatrix von Corcyrus.«

»Jawohl, Tatrix«, sagte er.

»Sollte ich zum Beispiel eine Paga-Taverne besuchen wollen«, fuhr ich fort, »wirst du mich begleiten.«

»In den meisten Paga-Tavernen«, erwiderte er, »haben freie Frauen keinen Zutritt. In manchen schon.«

»Ich verstehe.« Sich in einem solchen Lokal gewaltsam Zutritt zu verschaffen, hätte zu Auseinandersetzungen geführt, in deren Verlauf ich mich als Tatrix zu erkennen geben mußte.

»Außerdem«, fuhr er fort, »dürfte ich dich nicht bewußt in Gefahr bringen, selbst wenn du es mir befiehlst. Es ist meine Aufgabe, die Tatrix zu beschützen, nicht, sie in Gefahr zu bringen.«

»Du bist ein ausgezeichneter Wächter, Drusus«, sagte ich. »Natürlich hast du recht.«

»Ich könnte dich in eine Taverne bringen, in der Familien bedient werden.«

»An eine solche Taverne habe ich aber nicht gedacht. Sklaven dürfen doch aber Tavernen betreten.«

»Wenn sie einen Auftrag haben oder in Begleitung einer freien Person sind«, antwortete er.

»Wenn ich mich nun als Sklavin kleidete?«

»Undenkbar!« rief er sofort.

Es freute mich, daß dieser Gedanke ihn offenbar empfindlich berührte. Unwillkürlich überlegte ich, ob er sich insgeheim gefragt hatte, wie ich wohl als Sklavin aussähe.

»Außerdem würde man dich sofort erkennen. Zumindest würde deine Ähnlichkeit mit der Tatrix auffallen.«

»Natürlich hast du wieder recht«, sagte ich.

Er schwieg.

»Drusus«, sagte ich, »ich würde gern einmal das Haus eines Sklavenhändlers von innen sehen. Ich möchte die ›Gehege‹ sehen.«

»So etwas würde die Empfindungen einer freien Frau verletzen«, sagte er.

»Trotzdem möchte ich es sehen«, sagte ich. »Ich erwarte, daß du eine entsprechende Tour arrangierst.«

»Interessiert sich die Lady Sheila für ein bestimmtes Gehege?«

»Du hast die freie Wahl«, sagte ich von oben herab.

»Sehr wohl. Ich will sehen, daß ich morgen etwas einrichten kann. Aber warum möchtest du einen solchen Ort sehen? Warum interessiert dich so etwas?«

»Ich bin einfach neugierig«, sagte ich. Im gleichen Moment hörte ich wieder das leise Klirren unter seinem Umhang.

»Warum hast du so lange damit gewartet, mich hier auf die Mauer zu führen?« fragte ich. Zu plötzlich, so schien mir nach der ursprünglichen Ablehnung, hatte er mich dann doch auf die Mauer gebracht. Es war beinahe, als hätte er sich zu einer bestimmten Handlungsweise entschlossen. Er war mir ungewöhnlich nervös vorgekommen. Was gab es hier oben, das ihn nervös machte – abgesehen von den Tarns, denen wir uns ja nicht zu nähern brauchten?

»Du kommst mir heute irgendwie seltsam vor, Drusus Rencius«, sagte ich. »Du bist wortkarger als sonst. Nach langem Zögern bringst du mich hier auf die Mauer, in die unmittelbare Nähe der Tarns. Sie machen mich nervös.«

»Ich bin ein schlechter Wächter, Lady Sheila«, antwortete er. »Heute bin ich zugleich ein schlechter Gesellschafter. Verzeih mir! Und was noch schlimmer ist: Ich fürchte, ich bin auch ein schlechter Soldat.«

»Warum sagst du das?« fragte ich.

»Ich hatte mich lange mit dem Gedanken getragen, dich an diese Stelle zu bringen, Lady Sheila, noch ehe du selbst diesen Wunsch äußertest. Immer wieder schlug ich mir den Gedanken aus dem Kopf. Dann aber kam dein Vorschlag, und ich hielt es dann für das beste, dich hierher zu begleiten.«

»Ich verstehe nicht, was du mir damit sagen willst«, meinte ich.

»Dies ist ein Ort, an dem ich mit der Tatrix von Corcyrus allein wäre, in unmittelbarer Nähe gesattelter Tarns. Was ich zu tun hätte, schien klar auf der Hand zu liegen. Es wäre leicht durchzuführen. Auch jetzt noch könnte ich es mühelos in die Tat umsetzen, und vielleicht sollte ich es tun. Aber ich werde es nicht tun. Ich widersetze mich keinem Befehl. Vielmehr lasse ich das Spiel seinen Lauf nehmen.«

»Du sprichst in Rätseln«, sagte ich tadelnd.

»Wir wollen von der Mauer steigen und in den Palast zurückkehren«, sagte er.

»Was klirrt da unter deinem Umhang?«

»Nichts.«

»Zeig es mir!«

Widerstrebend öffnete er den Stoff seines Capes. An seinem Gürtel hing eine lange, dünne Kette mit einem schmalen metallenen Halsring.

»Was ist denn das?« fragte ich.

»Eine Sirikfessel«, antwortete er. »Aber jetzt sollten wir die Mauer verlassen und in den Palast zurückkehren.«

»Wie du willst«, antwortete ich.

7

In ein beschämend kurzes und dünnes Gewand gekleidet, stolperte ich hinter Drusus Rencius her. Wir hatten die Anlagen des Sklavenhändlers Kliomenes besichtigt. Immer näher kamen wir der Taverne des Lysius, in der ich mich wieder umziehen konnte. Der Gedanke ließ mir einen Schauder über den Rücken laufen, aber auch Angst durchzuckte mich. Ich würde dort allein sein mit Drusus Rencius, einem goreanischen Mann. Was würde ich tun, wie sollte ich mich verhalten?