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Ich stöhnte vor mich hin.

Gefühle tobten in mir, zornige Auflehnung, die von meiner irdischen Erziehung herrührte, im Kampf gegen ein beinahe überwältigendes Gefühl der Hilflosigkeit, Verwundbarkeit und Weiblichkeit.

Ich wußte nicht, was ich tun sollte, wie ich mich verhalten sollte.

»Ich bin frei«, sagte ich leise vor mich hin. »Ich bin frei.«

Dennoch war ich halbnackt, eine Verkleidung, die ich hatte eingehen müssen, um überhaupt Zugang zum Haus des Sklavenhändlers zu erlangen.

Inzwischen wünschte ich, das Haus des Kliomenes und seine Sklavinnen niemals gesehen zu haben. Am liebsten hätte ich nichts davon gewußt, wie schön sie waren, wie sehr sie von Männern beherrscht wurden, wie rückhaltlos sie gehorchen mußten, die hilflosen Sklavinnen. Ich hatte Angst vor der Tiefe und Heftigkeit meiner Gefühle!

Woher willst du wissen, daß du nicht insgeheim auch eine Sklavin bist, Tiffany? fragte ich mich. Woher weißt du, daß du dich von den anderen Mädchen unterscheidest, daß du keine geborene Sklavin bist?

Nein! sagte ich vor mich hin. Ich bin frei!

Doch andere Stimmen in mir schienen wieder dagegen sprechen zu wollen.

Eiligen Schritts folgte ich Drusus Rencius durch die schmale Gasse.

Ich versuchte die Gefühle zu bekämpfen, die in mir tobten. Ich war verwirrt, hin und her gerissen. Meine Erziehung lag im Widerstreit mit der Natur. Männer waren die Herren. Wußten sie das nicht? Warum zwangen sie mir dann ihren Willen nicht auf? Sahen sie nicht, was wir haben wollten, was wir brauchten?

Wir erreichten den Hintereingang der Taverne und begaben uns sofort in unser Zimmer.

Ich lehnte mich an die Tür, die Drusus Rencius verriegelt hatte, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch.

»Na, hat dir das Haus des Kliomenes Spaß gemacht?« fragte Drusus.

Wie absurd erschien mir der leichte, beifällige Ton seiner Frage! Die Erfahrung hatte mich zutiefst erschüttert. Nie zuvor war ich meiner ureigenen Weiblichkeit so nahe gebracht worden, jedenfalls bestimmt so nahe, wie es einer freien Frau überhaupt möglich war, ohne selbst versklavt zu werden und die Erfahrungen, die ich hatte beobachten können, unmittelbar zu machen.

Drusus Rencius schaute mich an. Ich ging zu ihm und kniete vor ihm nieder.

Verblüfft und zornig starrte er auf mich nieder. »Was tust du?« rief er.

»Ich knie vor dir, hilflos, eine Frau vor einem Mann.«

Er hatte die Fäuste geballt.

»Wenn du mich haben willst, nimm mich«, sagte ich.

»Steh auf!« rief er, packte mich an den Oberarmen und zerrte mich hoch.

»Koste die Sklavin in mir!« flehte ich.

Zornig sah er mir in die Augen. Sein Griff war wie Eisen.

»Ach, wärst du doch nur wirklich eine Sklavin!« flüsterte er gepreßt.

Dann hob er mich hoch und schleuderte mich mit einem Wutschrei auf das mehrere Meter entfernte Bett. Dort richtete ich mich sofort in eine kniende Stellung auf. Hinter mir erstreckte sich die Wand.

Draußen wurde es laut, durch die Straße gellte Geschrei.

Drusus Rencius ging zum Fenster und horchte. »Corcyrus«, sagte er, »hat die Bergwerke von Argentum besetzt. Er hat begonnen.«

»Was hat begonnen?« fragte ich angstvoll.

»Der Krieg.«

Ich schaute ihn eingeschüchtert an.

»Ich bringe dich sofort in den Palast zurück«, fuhr er fort und reichte mir meine Kleidung. Ich zog mich damit hinter einen Wandschirm zurück und kleidete mich hastig um.

»Lady Sheila wird einen neuen Wächter brauchen«, sagte er, als ich wieder zum Vorschein kam.

»Nein, braucht sie nicht«, widersprach ich.

Er blickte mich überrascht an.

»Du wirst deines Dienstes nicht enthoben«, fuhr ich fort. »Du bist noch immer mein Leibwächter und wirst mir in dieser Funktion auch weiter dienen.«

»Lady Sheila versteht sich darauf, einen Mann zu foltern«, sagte er und schaute mich bitter an.

»Bring mich jetzt in den Palast zurück.«

»Ja, Tatrix.«

8

Ich stand vor meinem Gitterfenster und schaute hinaus. Von hier vermochte ich einen Teil des tieferliegenden Hofes zu überschauen, einige Abschnitte der Innenmauern und das erste von zwei Toren, die den Weg nach draußen sicherten. In gewissem Abstand von den Mauern konnte ich auch einen Teil des Platzes vor den Toren einsehen. Der größte Teil der Menschenmenge dort draußen war meinen Blicken entzogen. Nur einige Männer und Frauen, die über den Platz gingen, waren auszumachen. Vermutlich wollten sie sich der Versammlung anschließen. Es war schon die zweite Zusammenrottung in dieser Woche. Einige Männer, die zu mir heraufschauten und in meinem Fenster möglicherweise einen Schatten ausmachten, blieben stehen und schüttelten die Fäuste. Ich trat einen Schritt zurück.

»Herrin!« rief Susan, die in diesem Moment das Zimmer betrat. Bei meinem Anblick begann das Tablett zu wackeln, das sie in der Hand hielt, und Wein wurde verschüttet. Sie betrachtete mich mit dem Entsetzen einer Sklavin, die sich ungeschickt angestellt hatte. »Verzeih mir, Herrin!« rief sie. »Ich mache sofort sauber!«

Ich beobachtete, wie sie das Tablett abstellte, den Kelch nahm und forteilte, um Tücher und Wasser zu holen. Kurze Zeit später hockte sie auf Händen und Knien und putzte den Boden.

»Susan«, sagte ich.

»Ja, Herrin?«

»Warum hast du den Wein verschüttet?«

»Es tut mir leid, Herrin«, sagte sie. »Ich war nur überrascht. Ich hatte nicht erwartet, dich hier vorzufinden. Ich glaubte dich wenige Ehn zuvor in einem Vorraum des großen Saals gesehen zu haben.«

»Da mußt du dich geirrt haben«, sagte ich.

»Ja, Herrin.«

»Die Menge dort draußen ist aufgebracht, nicht wahr?« fragte ich.

»Ja, leider, Herrin.«

Ich kehrte zu dem vergitterten Fenster zurück und schaute hinaus. Die Menge war zwar zu hören, aber wegen der dicken Mauern und Tore kaum zu sehen.

»Ich glaube, die Wächter werden bald ausschwärmen, um das Volk auseinanderzutreiben«, sagte Susan.

»Verstehst du, was die Leute rufen, was sie wollen?« fragte ich leichthin.

»Nein, Herrin«, antwortete Susan und senkte den Kopf.

»Vom Fenster aus höre ich es ganz deutlich«, sagte ich gereizt.

»Verzeih mir, Herrin!« bat Susan.

»Sprich!« forderte ich.

»Sie fordern das Blut der Tatrix von Corcyrus«, antwortete Susan, »die man Tyrannin und bösen Geist von Corcyrus nennt.«

»Aber warum?« fragte ich. »Warum?«

»Ich weiß es nicht, Herrin«, sagte Susan. »Es gibt Versorgungsengpässe in der Stadt. Vielleicht ärgert man sich auch über den Verlauf des Krieges.«

»Aber der Krieg läuft doch gut für uns«, sagte ich.

»Ja, Herrin«, sagte Susan und senkte den Kopf.

In diesem Augenblick wurde energisch an die Tür geklopft. »Ligurious, erster Minister von Corcyrus«, verkündete die Stimme eines Wächters.

»Tritt ein!« sagte ich.

Die Tür ging auf, und Ligurious trat ein; wie immer war er eine eindrucksvolle, raubtierhaft-majestätische Erscheinung. Er verneigte sich vor mir, und ich senkte kurz den Kopf.

Bei seinem Eintreten legte Susan die Handflächen auf den Boden und verneigte sich tief.

Gereizt blickte Ligurious auf sie nieder. Es war klar, was sie getan hatte.

»Hat sie den Wein verschüttet?« fragte er.

»Ja.«

»Wenn es dir zu mühsam ist, kann ich sie strafen lassen«, sagte er.

»Schon gut«, meinte ich. »Sie ist doch nur eine dumme, unwichtige Sklavin.« Und ich wandte mich an Susan: »Geh jetzt. Du kannst später weitermachen.«

»Ja, Herrin«, sagte Susan, sprang auf und huschte davon.

»Heute abend werde ich sie einigen Wächtern zum Peitschentanz überlassen.«

»Wie steht der Krieg?« wollte ich wissen.

»Ich wollte dir einen neuen ruhmreichen Sieg melden«, sagte Ligurious. »Er ereignete sich auf der Ebene von Eteocles.«

»Dann steht der Feind also schon östlich der Eteocles-Hügel und ist durch den Theseus-Paß gebrochen?«

»Du hast dir Landkarten angeschaut?« fragte Ligurious.

»Ich habe mich erkundigt«, antwortete ich. Er wußte, daß ich die goreanische Schrift nicht lesen konnte.

»Ich verstehe«, sagte er.

Das Gebrüll der Menschen auf dem Platz wurde lauter; Waffen klirrten.

Ich eilte an das Gitterfenster.

»Das sind bestimmt die Wächter, die die nichtsnutzigen Herumtreiber verscheuchen.«

»Ja«, sagte ich, denn ich sah eine Doppelreihe von Gardisten, bewaffnet mit Schilden und Speeren, durch das Tor schreiten. Kurze Zeit später flohen Männer und Frauen über den Platz.

»Es handelt sich um kleine Dissidentengruppen«, erklärte Ligurious. »Beachte sie nicht. Corcyrus liebt dich.«

»Unsere Siege«, sagte ich, »scheinen sich von Mal zu Mal näher bei der Stadt abzuspielen.«

»Du hast doch gewiß das Silber gesehen, das wir in Argentum erbeuteten«, fragte er.

»Ja, es wurde in der Siegesparade zur Schau gestellt, die wir beide abnahmen«, sagte ich.

»Die du abgenommen hast, Tatrix«, sagte er bescheiden.

»Ja.«

Ich erinnerte mich gut an diese Parade. Ligurious hatte neben mir in der Sänfte gesessen. So war er als Machtfaktor deutlich präsent gewesen, während ich wieder ohne Schleier durch die Straße getragen wurde. Mein Gesicht mußte inzwischen Tausenden bekannt sein.

»Anscheinend ist aber kein Silber mehr nachgekommen«, sagte ich.

Ligurious schwieg.

»Sind unsere Truppen in Argentum eingedrungen?« fragte ich.

»Unsere Generäle hielten das nicht für nötig«, sagte Ligurious.

»Nachdem wir die Bergwerke in Besitz nahmen, ereignete sich unser erster Sieg auf den Hesius-Feldern, nicht wahr?«

»Ja.«

»Unser zweiter dann am Ufer des Ias-Sees«, fuhr ich fort, »und der dritte östlich des Issus.« Es handelte sich dabei um einen nach Nordwesten fließenden Fluß, der hoch im Norden in den Vosk mündete.

»Ja, meine Tatrix«, erwiderte Ligurious.

»Nun haben wir erneut gesiegt«, sagte ich, »diesmal auf den Ebenen von Eteocles.«

»Ja, meine Tatrix«, sagte Ligurious.

»Diese Ebenen liegen hundert Pasang von Corcyrus entfernt«, stellte ich fest.

»Das alles gehört zu einem Plan, meine Tatrix«, sagte Ligurious. »Wir strecken die Nachschublinien des Gegners. Dann werden wir, bald, nach Belieben zuschlagen wie ein Tarn, und die feindlichen Kämpfer von ihrer Versorgung abschneiden. Ein hungriger, demoralisierter Gegner sieht sich dann überwältigenden Angriffen ausgesetzt. Sei unbesorgt, meine Dame. Argentum wird bald hilflos sein. Bald haben wir sie alle unter unseren Schwertern.«

»Gibt es in der Stadt Versorgungsschwierigkeiten?« fragte ich.

»Im Palast jedenfalls nicht«, sagte Ligurious. »Hat Lady Sheila vorhin ihr gewürztes Vulofleisch genossen?«

»Und in der Stadt?«

»Wenn Konflikte ausgetragen werden«, antwortete der Minister, »muß die Bevölkerung Entbehrungen hinnehmen.«

»Und sind diese Entbehrungen geringfügiger Natur?« fragte ich.

»Ja«, erwiderte er. »Wenn du gestattest.« Mit diesen Worten verbeugte er sich und ging.

Wieder wandte ich mich dem Gitterfenster zu. Von hier oben vermochte ich zuweilen Tarndrähte auszumachen, die zwischen Palast und Außenmauer gespannt waren und den Hof abdeckten. Auch in der Stadt, so hieß es, waren diese Drähte allgegenwärtig.

Hinter mir öffnete sich die Tür, und Susan trat ein.

»Du kannst deine Arbeit fortsetzen«, sagte ich.

»Ja, Herrin.«

»Susan?«

»Ja, Herrin?«

»Gibt es Unruhe in der Stadt?«

»Ich weiß es nicht, Herrin«, erwiderte sie. »Ich verlasse das Palastgrundstück nur selten.«

Ich hatte einen kühnen Plan.

»Ehe du dich nachher zurückziehst«, sagte ich, »gibst du Drusus Rencius Bescheid, daß ich ihn sehen möchte. Er soll sich in spätestens einer Ahn hier einfinden.«

»Ja, Herrin«, sagte sie.

»Du brauchst Ligurious von dieser Sache nichts zu erzählen«, fuhr ich fort.

»Wie die Herrin befiehlt.«

Ich wandte mich wieder dem Fenster zu und schaute über die Stadt.

Mein Besuch im Haus des Kliomenes lag nun schon einige Wochen zurück, und in dieser Zeit hatte ich den Palast kaum verlassen. Natürlich hatte ich an der großen Siegesparade teilgenommen, die kurz nach der Eroberung der Bergwerke abgehalten wurde.

Auch Drusus Rencius hatte ich seit meinem Besuch in der Schänke des Lysius und bei den Sklavengehegen kaum noch unter vier Augen gesehen. Unsere Beziehung beschränkte sich auf seine Pflichten. Zweimal hatte er gebeten, auf einen anderen Posten versetzt zu werden, doch hatte ich jedesmal abgelehnt. Daß ihn meine Gegenwart mit Unruhe oder Bitterkeit erfüllen mochte, bedeutete mir nichts. Ich war Tatrix. Er war Soldat. Er würde mir gehorchen.

Beim Gedanken an das Unbehagen, das ich ihm bereitete, mußte ich lächeln. Es gefiel mir. Er sollte ruhig leiden.