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»Wem?«

»Einer Frau, die mich schwach werden läßt«, antwortete er lächelnd, »einer Frau, die mein Schicksal ist.«

»Wer ist sie?«

»Du kennst sie nicht.« Dann ließ mich Ligurious los. »Charakterlich unterscheidest du dich natürlich sehr von ihr. Sie ist überlegen, hochmütig, edel, vornehm. Mädchen wie du findet man dagegen auf jedem Markt. Wahrscheinlich ist sie auch schöner als du, selbst wenn die Ähnlichkeit verblüffend ist. Und natürlich kann man euch nach dem Intellekt absolut nicht vergleichen.«

»Vielleicht sollte sie Tatrix von Corcyrus sein und nicht ich«, sagte ich zornig.

»Vielleicht«, erwiderte er lächelnd.

»Du weißt, ich stamme von der Erde«, fuhr ich fort. »Warum wurde ich hierhergebracht, um Tatrix zu werden?«

»Wir wollten jemanden von außerhalb haben«, antwortete er. »Jemand, der nicht aus der Stadt stammt, der ohne Verbindungen und Verbündete ist, sollte uns weise und objektiv lenken.«

»Ich verstehe«, sagte ich. »Dann bin ich also wirklich Tatrix von Corcyrus?«

»Selbstverständlich.«

»Gibt es Spione in der Stadt?« fragte ich.

»Zweifellos hat Argentum Spione entsandt«, antwortete er.

»Ich meine eigene Spione«, sagte ich. »Leute, die unsere eigenen Leute bespitzeln.«

»Natürlich. Das ist in jeder Stadt eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme.«

»Und an wen richten diese Spione ihre Berichte?«

»An die entsprechenden Befehlsgeber«, antwortete er.

»Ich weiß nichts davon, solche Spionageberichte erhalten zu haben.«

»Du befindest dich ja auch noch in der Ausbildung, was das Regierungsamt angeht«, sagte er.

»Wie entwickelt sich der Krieg?«

»Gut, wie ich dir schon melden konnte.«

»Der Feind«, sagte ich stockend, »steht zwanzig Pasang vor Corcyrus.«

»Dies dürfte einigermaßen zutreffen.«

»Das ist zu nahe!« sagte ich erschaudernd.

»Mit solchen Fragen braucht sich die Tatrix nicht zu befassen«, sagte er. »Sie sind Sache unserer Generäle. Wir werden dem Gegner bald die Versorgung abschneiden. Sei unbesorgt, Lady Sheila, wir werden in Kürze siegen.«

»Ar ist in den Krieg eingetreten!«

»Das stimmt«, erwiderte er, »aber wir erwarten jeden Augenblick Verstärkung aus Cos.«

»Ich habe Angst, Ligurious«, sagte ich.

»Du hast nichts zu befürchten«, sagte er. »Die Stadt ist sicher. Der Palast ist uneinnehmbar.«

»Ich will diesen Krieg nicht«, sagte ich. »Das Kämpfen soll aufhören. Ich möchte einen Waffenstillstand verhandeln.«

Ligurious blickte mich an und begann zu lachen. Dieses Lachen bestürzte mich. Vielleicht hatte ich etwas unglaublich Naives oder Dummes gesagt

»Ich möchte, daß wir uns um den Frieden bemühen«, sagte ich.

»Diese Entscheidung liegt nicht bei dir.«

»Bin ich nicht die Tatrix von Corcyrus?«

»Selbstverständlich!«

»Herrsche ich nicht in dieser Stadt?«

»Aber ja«, sagte Ligurious.

»Ich herrschte in Corcyrus«, sagte ich.

»Ja.«

»Und wer herrscht über mich?«

»Ich«, sagte Ligurious.

Ich erschauderte.

»War das gewürzte Vulofleisch zum Abendessen schmackhaft?« fragte er.

»Ja«, flüsterte ich.

Dann ging er.

Ich begab mich an das Gitterfenster und schaute hinaus. Ich war in meinen Gemächern eingesperrt. Irgendwo dort draußen vor den Mauern, irgendwo in der Dunkelheit stand der Feind.

Anscheinend war ein Waffenstillstand nicht möglich.

Ich fragte mich, was dieser Feind in Corcyrus suchte.

Ich hatte Angst. Vielleicht würden uns die Truppen Cos’ retten. Es beruhigte mich, im Palast in Sicherheit zu sein.

11

»Zieh ihr die vornehmste Staatstracht an!« befahl Ligurious.

»Ja, Herr«, sagte Susan und zupfte an meiner Kleidung herum.

Ich stand in meinem Schlafraum vor einem großen Spiegel und beobachtete, wie das prächtige Staatsgewand um meine Schultern gelegt wurde.

Kurze Zeit vorher hatte ich angstvoll hinter, der Tür gestanden und gelauscht.

»Sie sind schon in der Stadt!« ertönte ein Schrei.

»Unmöglich!« hatte ein Wächter geantwortet.

»Wie ist das passiert?« fragte ein anderer Mann ganz erstaunt.

»Wie ich hörte, floh ein Sa-Tarna-Wagen vor dem näherrückenden Feind und versuchte noch die Stadt zu erreichen«, berichtete ein Mann. »Zum Glück schien der Vorsprung groß genug zu sein, und wie du selbst weißt, brauchen wir dringend jedes Getreidekorn. Das Tor wurde geöffnet, um den Wagen durchzulassen. Man schätzte den Abstand groß genug, das Tor wieder schließen zu können, ehe die Verfolger heran waren. Der Sa-Tarna-Wagen wurde von zwei Sklavengruppen gezogen, zwanzig an jedem Seil. Die Männer aber waren gar keine Sklaven. Kaum befand sich der Wagen im Portal, warfen sie das Seil fort, zogen Schwerter unter dem Korn hervor und verhinderten die Schließung des Tors. Gleich darauf war die Vorhut des Feindes heran.«

Ich war an das vergitterte Fenster geeilt. Rauch stand über der Stadt.

Kurze Zeit später hatten Ligurious und Susan mein Quartier betreten.

Ligurious trug eine Uniform, die mir allerdings fremd war. Ich kannte die Insignien nicht.

»Legt ihr den offiziellen Schleier an«, befahl der hohe Offizier, und Susan machte sich hastig an die Arbeit. Sie brachte den langen, hübschen, kunstvoll bestickten Schleier, sie rückte die Roben zurecht, die mein Haar verbargen, dann steckte sie den Schleier fest, der nur noch meine Augen erkennbar machte.

»Komm mit«, sagte Ligurious schließlich, faßte meinen Arm und zog mich förmlich aus dem Raum. Wir eilten durch die Korridore. Fünf oder sechs Männer, nicht meine üblichen Wächter, folgten uns; sie waren ähnlich gekleidet wie Ligurious.

Die Korridore und Säle waren seltsam leer. Nur selten begegnete uns jemand. Susan war zurückgeblieben.

Ich wurde in einen Vorraum des großen Staatsaals geschoben. Hier warteten vier oder fünf Männer und eine Frau. Die Frau trug eine weite Robe und wandte mir den Rücken zu. Sie war etwa so groß wie ich. Interessanterweise war sie barfuß, und ihr Gewand reichte bis knapp unter die Knie. Sie hatte hübsche Waden und Fußgelenke. Ein Mann, ähnlich uniformiert wie Ligurious und die anderen, hüllte soeben ein Tuch um sie. Sie griff nach diesem Tuch, wickelte es sich um den Kopf und raffte es wie einen Schleier vor dem Gesicht zusammen. Dann drehte sie sich zu mir um, wandte aber sofort wieder den Kopf ab. Mir fiel auf, daß ihre Augenfarbe der meinen nicht unähnlich war.

Ligurious drehte mich zur Tür des großen Saals herum, in dem auf der Plattform der Thron Corcyrus’ wartete.

»Ist alles bereit?« fragte er.

»Ja«, antwortete ein Mann.

»Die Tarns?«

»Ja, alles wartet.«

Ich drehte mich um. Das Tuch bedeckte den Kopf der anderen Frau nun völlig. Ich hatte fast den Eindruck, als wäre sie unter der Umhüllung nackt. Ich hielt den Atem an. Etwas wurde ihr um den Hals gelegt, über dem Stoff. Ein Sklavenkragen mit Führungskette!

Ligurious führte mich in den großen Saal.

Ich wußte nicht, wer die andere war. Vermutlich die Frau, die Ligurious nach eigenem Bekennen anbetete, die Frau, der ich zu ähneln schien. Es erschien mir unvorstellbar, daß ein Mann wie er, der fünfzig Sklavinnen besitzen mußte, nach einer solchen Frau verrückt war. Wußte er denn nicht, daß sie letztlich auch nichts anderes war als eine hilflose Frau, daß sie im Grunde wie jede einen Herrn und Meister brauchte?

Der große Saal war leer. Die große Flügeltür am anderen Ende war von innen verschlossen, Balken lagen in den Krampen, Sperren, die nur von jeweils zehn Wächtern bewegt werden konnten.

»Ist von den Männern aus Cos denn noch nichts zu sehen?« hörte ich einen Mann hinter mir fragen.

»Die sind nicht dumm«, antwortete ein anderer. »Die werden sich den Soldaten aus Ar nicht im Landkampf stellen.«

»Leistet das Volk dem Feind Widerstand?« fragte eine Stimme.