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»Nein«, antwortete jemand. »Es hilft ihm.«

Geführt von Ligurious, erstieg ich die Thronstufen. Auf seinen Befehl setzte ich mich.

»Die Tür des Vorraums wird hinter uns geschlossen«, sagte Ligurious. »Du wirst sie nicht öffnen können.«

»Was geht hier vor?« fragte ich.

»Du wirst bald deinen Zweck erfüllen«, sagte Ligurious.

»Welchen Zweck?«

»Den Zweck, mit dem wir leider rechnen mußten, der Hauptzweck, weshalb du nach Gor gebracht wurdest.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte ich und mußte daran denken, daß man mir wiederholt versichert hatte, daß alles vorgeplant sei, daß alle Möglichkeiten abgedeckt seien.

»Du brauchst mich also noch?« fragte ich. »Ich spiele in deinen Plänen noch immer eine Rolle?«

»Selbstverständlich«, sagte er.

Dies zu hören erleichterte mich.

»Hör mal!« sagte er. »Hörst du es?«

»Ja«, sagte ich. Es war ein dumpfer, dröhnender Ton, der aus großer Entfernung zu kommen schien. Er wiederholte sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit.

»Eine Ramme«, sagte er, »zweifellos an einem Gestell aufgehängt, von Seilen bewegt – und zwar, das möchte ich wetten, durch Bürger dieser Stadt.«

»Sie scheint noch weit zu sein«, sagte ich.

»Am Außentor.«

»Die Bürger von Corcyrus lieben mich«, sagte ich.

»Das bezweifle ich nicht«, erwiderte er. »Ich muß nun gehen. Ich fürchte, die Zeit wird knapp.«

»Aber was wird aus mir?« rief ich. »Ich habe Angst! Kommst du mich holen?«

»Sei unbesorgt, Lady Sheila!« erwiderte er. »Man wird dich holen kommen.«

»Bald?« fragte ich.

»Ja«, sagte er. Dann ging er rückwärts die Treppe hinab und verneigte sich tief. »Leb wohl, Lady Sheila, Tatrix von Corcyrus«, sagte er.

Dann empfahl er sich.

Aus der Ferne war ein splitterndes Geräusch zu hören, gleich darauf neues Dröhnen, bestimmt am Innentor.

Hinter Ligurious schloß sich die Tür zum Vorraum, dann wurden Riegel und Sperrbalken vorgelegt. Ich war eingeschlossen.

Ich saß auf dem Thron, und meine Finger umklammerten die Armlehnen. In dem riesigen Saal war ich ganz allein.

12

Der mächtige Balken brach splitternd, die beiden Teile fielen zu Boden, dann öffneten sich dröhnend die mächtigen Türflügel am anderen Ende des Saals, dem Thron direkt gegenüber.

Entsetzt umklammerte ich die Armlehnen des Thronsessels.

Vorher schon hatte ich das Geschrei der Menge im Vorsaal vernommen, das Poltern und Dröhnen der Ramme, der die Tür schließlich nicht standhalten konnte.

Männer und Frauen strömten herein, viele in Lumpen gekleidet, Messer und andere Hilfswaffen schwenkend, daneben uniformierte Soldaten. Die Türen standen weit offen, ein Türflügel hing schief in den Angeln. Der Mob flutete auf die Plattform zu und hielt an der untersten Stufe inne, zum Teil von Soldaten zurückgehalten. »Reißt sie in Stücke!« wurde gebrüllt. So mancher mußte von den Uniformierten in seinem Temperament gebremst werden.

Plötzlich schien sich die Horde zu teilen, plötzlich entstand eine Art Mittelgasse.

Durch diesen freien Raum schritt ein großer kräftiger Mann, das Schwert in der rechten Hand, den Helm in die linke Armbeuge gelegt. Andere Kämpfer folgten ihm. Ich erkannte ihn sofort.

»Miles, General aus Argentum, Sieger über Corcyrus!« verkündete ein Soldat.

Der Offizier erstieg die beiden ersten Stufen des Podests. Er war verschwitzt und hatte Schmutz im Gesicht. Seine Beine waren blutverschmiert.

»Sei gegrüßt, Sheila«, sagte er, »Tatrix von Corcyrus!«

»Ich komme von der Erde!« rief ich. »Ich heiße Tiffany Collins!«

»Sie ist Sheila, Tatrix von Corcyrus!« riefen Männer aus der Menge. »Ja, sie ist es!«

Ich stöhnte. Es war schlimm, daß man mein Gesicht so gut kannte!

Miles aus Argentum steckte sein Schwert in die Scheide und reichte einem seiner Begleiter den Helm. Dann näherte er sich dem Thron.

»Bitte nicht!« rief ich.

Mit einem Ruck riß er mir den Staatsschleier herunter. »So kenne ich dich eher«, sagte er. »Sei gegrüßt, Lady Sheila, Tatrix von Corcyrus!«

»Ich bin Tiffany Collins«, sagte ich leise. »Ich komme von der Erde.«

»Dein Gesicht dürfte vielen hundert, wenn nicht gar tausend Bürgern dieser Stadt bekannt sein.«

»Tötet sie!« riefen Männer in der Menge. »Reißt sie in Stücke!«

»Bringt rasch die Sklavin Susan!« sagte Miles aus Argentum.

Aus der Tiefe des Saales wurde Susan nach vorn gestoßen und mußte vor dem Thron niederknien.

»Ist dies die Frau, die deine Herrin war?« erkundigte sich Miles aus Argentum bei ihr.

»Sag ihr, daß ich Tiffany Collins von der Erde bin!« rief ich.

»Ich glaube, sie ist wirklich von der Erde, Herr!« schluchzte Susan. »Sie sagte mir, daß sie so hieße.«

Vor Erleichterung hätte ich beinahe aufgeschrien.

»Und wenn wir solche früheren Namen und Welten einmal beiseite lassen«, sagte Miles, »als was hast du sie hier gekannt?«

Susan begann zu zittern.

»Du kennst die Strafe, wenn du lügst«, sagte Miles.

»Sie war meine Herrin«, schluchzte Susan. »Sheila, Tatrix von Corcyrus.«

Die Menge begann zu jubeln.

»Ruft den Hauptmann aus Ar!« forderte Miles von Argentum und wandte sich von der Sklavin ab.

Eine große hagere Gestalt betrat den Saal und näherte sich durch den langen Mittelgang. Schließlich stand er auf der Plattform, beinahe neben Miles aus Argentum.

»Drusus Rencius, Hauptmann von Ar, zu den Streitkräften von Argentum abkommandiert«, sagte Miles aus Argentum. »Ich glaube, wir beide sind uns schon begegnet.«

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Man hatte mir gesagt, er wäre ein Geächteter aus Ar. Zweimal, so ging mir plötzlich auf, hätte er mich bereits mühelos nach Argentum entführen können: bei unserem Ausflug auf die Stadtmauer in der Nähe der Tarns, und später, als wir das Haus des Kliomenes besuchten und er mich als Sklavin verkleidet in seiner Gewalt hatte, ohne daß Ligurious wußte, wo ich mich befand. Doch er hatte mich nicht entführt, er hatte nicht einmal den Versuch unternommen. Er hatte es vorgezogen, wie er sich auf der Stadtmauer Corcyrus’ ausdrückte, das Spiel seinen Lauf nehmen zu lassen.

»Hauptmann, kennst du diese Frau?« fragte Miles aus Argentum.

Drusus Rencius reichte einem Soldaten seinen Helm und erstieg die Plattform. Er zog mich aus dem Thronsessel hoch und schaute mir tief in die Augen.

Ich erschauderte. Er wollte keinen Fehler machen.

»Ja«, sagte er.

»Woher weißt du das?« fragte Miles aus Argentum.

»Ich war mehrere Wochen lang ihr persönlicher Leibwächter.«

»Dann kennst du sie also recht gut?«

»Ja.«

»Kannst du sie identifizieren?«

»Ja«, sagte Drusus Rencius.

»Wer ist sie?« erkundigte sich Miles aus Argentum.

»Sheila, Tatrix von Corcyrus.«

Triumphgeschrei hallte durch den Saal. Drusus Rencius ließ mich los, machte kehrt, stieg von der Plattform und marschierte hinaus.

Ich blickte ihm nach.

13

»Nein!« wimmerte ich. »Nein!« Ich erwachte in verkrampfter Stellung. Ich lag auf der Seite in dem winzigen goldenen Käfig, in dem ich nach Argentum gebracht werden sollte. Meine Hände waren gefesselt. Ich hatte geträumt, wie ich in diesem Käfig durch die Straßen von Corcyrus getragen wurde. Wegen der geringen Größe des Käfigs stand er ziemlich hoch auf einem Podest, so daß ich vor Peitschenschlägen und spitzen Stöcken einigermaßen geschützt gewesen war. Soldaten hatten den Wagen begleitet und den Ansturm der Menge verhindert. Das Volk jubelte Miles aus Argentum und seinen Leuten zu. Und es schien aus dem Häuschen zu geraten vor Haß und Freude bei meinem Anblick, kreischend und spottend und tanzend. Man schien zu meinen, daß ich hier mein gerechtes Schicksal erlitt. Die Bewohner Corcyrus’ hatten die Kämpfer aus Argentum und ihre Verbündeten aus Ar als Befreier willkommen geheißen. Bänder mit den Farben Argentums und Ars hingen an den Häusern und schmückten den Weg des Triumphzuges. Die gleichen Farben wurden auch in der Menge getragen. Verwirrt und verängstigt hatte ich in dem Käfig gestanden. Ich konnte mir den Haß der Menschen nicht erklären. Ich hatte mich in den Käfig gestellt, um besser gesehen zu werden. Miles aus Argentum hatte es so befohlen.