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Ich wimmerte unartikuliert.

»Ich bin nicht als Gefangener hier«, berichtete Ligurious, »ebensowenig bin ich heimlich in den Palast eingedrungen. Ich bin freiwillig gekommen. Man hat mir Immunität zugesichert, dafür werde ich bei der Identifizierung der Tatrix von Corcyrus für den Staat von Argentum aussagen. Wer kennt sie wohl besser als ich? Meine beiden Gefolgsleute, die mir treu ergeben waren und mit mir aus dem Haus in Ar fliehen konnten, befinden sich derzeit ebenfalls im Palast – verkleidet als Gesandte aus dem fernen Turia. So wie ich hier meine Aufgabe zu erfüllen habe, müssen auch sie etwas erledigen. Es gibt da nämlich eine gewisse Unsicherheit, wer die echte Tatrix von Corcyrus ist – die Frau, die im goldenen Sack unter der Decke dieses Saales hängt – oder du, die du hier hilflos vor mir liegst. Zeugen werden aussagen. Zum Beispiel ist Drusus Rencius aus Ar angereist. Zweifellos wird er dich – wie schon einmal – als die echte Tatrix identifizieren. Wir sorgten dafür, daß er wie auch etliche andere nur dich als Tatrix kennenlernte. Dementsprechend habe ich auch Kleidung aus Corcyrus herüberschmuggeln lassen, die du damals am Leibe trugst. Sleen werden dich als die Frau erkennen, die diese Kleidung trug. Claudius und sein Hoher Rat werden es bei ihrer Entscheidung natürlich noch etwas leichter haben, denn wenn der goldene Sack herabgelassen und geöffnet ist, wird nicht die echte Sheila darin stecken, sondern du, ihr Doppel. Daran wird uns der Sklavenjäger Hassan nicht hindern, da er das Bankett versäumen wird. Meine beiden Männer werden dafür sorgen. Ebensowenig rechnen wir mit Einwänden von Miles aus Argentum. Er wird Informationen erhalten, angeblich von Hassan, daß er das falsche Mädchen hatte und daß du die echte Tatrix bist. So hat dich Hassan in den Sack gesteckt und in seiner Verlegenheit und Sorge um seine Ehre den Palast verlassen, das andere Mädchen mitnehmend, das eine geeignete Verwendung als Sklavin finden soll. Auf diese Weise gedenken wir Miles aus Argentum zufriedenzustellen. Wie du wohl weißt, ist er ohnehin überzeugt, daß du die echte Tatrix warst, und nicht die andere Frau – eben weil wir dafür sorgten, daß er als Tatrix immer nur dich zu Gesicht bekam. Er wird dich als echte Tatrix identifizieren, denn er weiß es nicht besser, mit derselben Überzeugungskraft wie Drusus Rencius und andere. All dies entspricht unseren Planungen. Und natürlich werde auch ich dich als echte Tatrix wiedererkennen, darauf kannst du dich verlassen. Unterdessen wird die echte Sheila in meinem Quartier versteckt sein, um später als freie Frau verkleidet aus dem Palast geschmuggelt zu werden, als Gefährtin eines meiner Gefolgsleute, angeblich Gesandter aus Turia. Die Sklavin, die in dieser Rolle in den Palast geholt wurde, ist bereits an einen Offizier der Palastgarde verkauft. Er konnte dem günstigen Preis nicht widerstehen.«

Tränen ließen meine Umgebung verschwommen erscheinen. Vergeblich zerrte ich an meinen Handfesseln.

»Als Sklavin bist du sehr hübsch«, sagte er nachdenklich. »Man könnte in Versuchung kommen. Aber nein – das wäre zu sehr, als besäße ich sie. Bestimmt ist sie in dem Sack unbekleidet«, fuhr er fort. »Nackt wie eine Sklavin! Bestimmt haben ihr die Ungeheuer so etwas angetan! Ich darf sie nicht länger anschauen, als unbedingt nötig.«

Er richtete sich auf und ging zu einer Seitenwand des Saals. Dort löste er das Seil, das zu einem Ring in der Decke führte, und von dort zu dem Sack.

Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, doch es gelang mir nicht.

Hand über Hand ließ er den goldenen Sack herab, bis das Gebilde auf den Bodenfliesen stand. Dann öffnete er den Stoff und zog den verwundbaren, zitternden Körper einer nackten Frau heraus. Sie starrte ihn hilflos an. Sie war an Händen und Füßen gefesselt und trug einen Knebel.

»Sie haben dich in einen Sklavenkragen gesteckt!« rief er. »Wie konnten sie es wagen!«

Sie bemühte sich, vor ihm zu knien. In seiner Erregung schien ihm das gar nicht aufzufallen.

Der Eisenkragen gehörte natürlich Hassan. Er hatte ihr das Metall in Ar angelegt und es ihr seither offenbar nicht wieder abgenommen.

»Nein!« rief Ligurious. »Diese Ungeheuer! Sie haben deinen schönen Schenkel unter das Brandeisen gezwungen!«

Ich mußte daran denken, daß Hassan ihr in Ar gesagt hatte, sie würden noch einen kurzen Besuch machen, ehe sie seine Unterkunft aufsuchten. Dieser Besuch mußte einer Werkstatt der Metallarbeiter gegolten haben, wo man das Brandzeichen angebracht hatte.

Ligurious hantierte fahrig an ihren Fesseln herum. Er hatte zu schwitzen begonnen. Angstvoll kniete sie am Boden und hatte ihm den Rücken zugewendet.

»Was hat man mit dir gemacht!« rief er. »Was hat man mit dir gemacht!«

Sah er denn nicht, was aus ihr geworden war?

Sie war nicht mehr die Frau, die er zuletzt gesehen hatte. Er hatte sie als kalte, hochmütige, arrogante Frau gekannt, mürrisch und barsch, grausam, streng und fordernd. Mit jener Frau hatte das Mädchen, das da vor ihm kniete, nicht mehr viel gemein.

Es gab viele Unterschiede. Sie kniete, sie war nackt, sie trug einen engen Sklavenkragen und ein Brandzeichen. Ihr Herr Hassan hatte sie außerdem offenbar einem sorgfältig überlegten Diät- und Trainingsprogramm unterzogen, und ihr Körper strömte Lebenskraft und Gesundheit aus. All diese Dinge aber waren eher nebensächlich und äußerlich. Die wichtigsten Unterschiede betrafen innere Dinge, die Grundeinstellung, das Auftreten dieser Frau. Sie war nachgiebig und verwundbar, sie war äußerst weiblich geworden, sie war, wie es sich für eine Frau am besten auswirkte, eine Sklavin im ureigensten Sinne des Wortes.

Ligurious zerrte ihr den Knebel aus dem Mund.

»Herr!« schluchzte sie.

»Du kennst mich«, sagte er. »Ich bin Ligurious!«

»Ja, Herr«, sagte sie.

»Nenn mich nicht ›Herr‹!« rief er heiser vor Rührung. Dabei war er in Wirklichkeit begierig, dieses Wort aus ihrem Munde zu hören. Er stand im Widerstreit mit sich selbst. Zu lange hatte er diese Frau angebetet. Noch wollte er die Augen vor dem verschließen, was sie geworden war, vor der Tatsache, daß sie sich verwirklicht hatte; anscheinend wollte er nichts daran ändern, daß sie sich über ihm unerreichbar isolierte. Sein Hin- und Hergerissensein war früher von ihr offenbar rücksichtslos ausgenutzt worden. Er begehrte sie einerseits, wollte sie beherrschen, sah sie andererseits aber als ein eiskaltes Ideal, als etwas, das besser und anders war als alle anderen Frauen, als etwas, dessen es kaum würdig war, als etwas, das er womöglich gar nicht erstreben durfte, als etwas beinahe Unberührbares und Abstraktes. In seinem Verstand zwang er sie in die Vollkommenheit und übersah dabei ihre Rolle als Frau. Hassan dagegen sah sie nicht so. In seinen Armen würde sie sich nicht um sich selbst betrogen finden. Eine solche Situation ist übrigens gar nicht so selten. Eine Frau, die von einem Mann als Göttin verehrt wird, ist oft die unterwürfige, flehende Sklavin eines anderen.

»Aber du bist ein freier Mann«, flüsterte sie. »Was machst du hier? Was machst du? Wo ist Hassan, mein Herr?«

»Möchtest du aufgespießt werden?« fragte er.

»Nein!«

»Dein Körper!« rief er plötzlich los. »Es ist der Körper einer Sklavin!«

»Ja, Herr!« schluchzte sie und versuchte sich niederzuducken und ihre Brüste zu bedecken.

»Und der Kragen um deinen Hals, und das Brandzeichen, großartig!«

»Danke, Herr«, sagte sie schluchzend.

»Nein!« sagte er plötzlich zu sich selbst. »Das darf nicht sein!« Dann schaute er sie an, deutete zornig auf meine Tunika, die neben mir auf dem Boden lag. »Zieh das an!« befahl er. »Schnell! In den Sälen wird man dich für sie halten.«

»Ja, Herr«, sagte sie.

Im nächsten Moment zerrte mich Ligurious zu dem goldenen Sack. Dort drehte er mich auf den Bauch und ersetzte meine Fesseln durch jene, die Sheila getragen hatte. Auch der Knebel wurde ausgetauscht. Mit den Füßen voran wurde ich schließlich in den goldenen Sklavensack geschoben. Der Stoff wurde hochgezogen und über meinem Kopf zugebunden. Gleich darauf wurde ich hilflos in dem Sack in die Luft gezogen. Schließlich wurde das Seil festgebunden. In der Dunkelheit des Beutels pendelte ich hin und her, bis ich schließlich zur Ruhe kam und nur mein gelegentliches Zucken für neue Schwingungen sorgte.