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Ich spürte, wie der Sack herabgelassen wurde. Ich hatte nicht das Gefühl, länger als eine Ahn darin gesteckt zu haben. Auf keinen Fall konnte das große Fest schon begonnen haben.

Wieder lag das Behältnis auf dem Boden und wurde geöffnet.

Ich riß die Augen auf.

Wegen des Knebels konnte ich nicht aufschreien. Drusus Rencius zerrte mich aus der Stoffhülle. Hinter ihm kniete nackt und gefesselt Sheila, die ehemalige Tatrix von Corcyrus.

Drusus Rencius nahm mir die Fesseln und schließlich auch den Knebel ab. »Still«, sagte er.

Ich nickte und kniete vor ihm nieder.

Dann sah ich, wie er Sheila unsanft die Fesseln und den Knebel anlegte, die er mir abgenommen hatte. Anschließend stieß er sie in den Sack, schloß ihn und hatte sie wenige Ihn später als hilflose Gefangene wieder unter das Dach des Saals gehievt.

Schüchtern streckte ich eine Hand aus und berührte Drusus Rencius. »Darf ich etwas sagen?« flüsterte ich.

»Ja.«

»Ich bin nicht die Tatrix von Corcyrus«, sagte ich.

»Davon bin ich überzeugt«, sagte er. »Ich war ein Dummkopf und ein Narr – aber das gilt für viele andere ebenso!«

»Wo ist Ligurious?« wollte ich wissen.

»Bei seinen Genossen aus Corcyrus, die sich als Turia-Gesandte ausgeben«, antwortete er. »Zum Glück haben sie mich nicht gesehen. Ich erkannte sie natürlich sofort. Überhaupt habe ich Ligurious im Auge behalten, seit ich merkte, daß er im Palast ist. So bekam ich mit, daß er den Thronsaal betrat, und sah dich, wie du ihm folgtest. Später kam er mit der anderen Frau heraus, der Frau, die ich mir später aus seinem Quartier holte, nachdem er gegangen war. Ich mußte sie wieder in den Sack stecken, wohin sie gehört! Als er seine Unterkunft verließ, trug er bereits seine Festkleidung. Ich nehme also an, daß er ihren Verbleib erst herausfinden wird, wenn der Sack geöffnet wird.«

»Ligurious’ Genossen haben die Absicht«, sagte ich, »Hassan daran zu hindern, an dem Bankett teilzunehmen.«

»Hassan kann auf sich selbst aufpassen«, sagte Drusus Rencius.

Ich blickte ihn verzweifelt an.

»Steh auf«, befahl er. »Ich glaube, dies gehört dir. Zieh es an.« Und er warf mir meine Tunika hin.

»Du bist sehr hübsch«, sagte er.

»Danke, Herr.«

»Die andere Sheila ist auch sehr hübsch«, sagte er. »Es wird interessant sein, euch heute abend zu vergleichen, wenn ihr Claudius und dem Hohen Rat präsentiert werdet.«

»Gewiß, Herr.«

Er hielt mich an den Oberarmen und schaute mir tief in die Augen. »Corcyrus ist lange her«, sagte er nachdenklich.

»Ja, Herr«, sagte ich.

»Vielleicht bist du ja doch die Tatrix von Corcyrus«, sagte er. »Wäre das möglich?«

»Nein, Herr!« rief ich. »Nein!«

»Es ist lange her, seit du mich als freier Mann gequält hast«, sagte er.

»Verzeih mir, Herr.«

»Zweifellos hast du damit weniger Glück gehabt, seit du den Kragen trägst.«

»Ja, Herr.« Ich war Sklavin.

Er drehte mich grob herum und stieß mich zur Tür. »Was wirst du mit mir tun?«

»Dafür sorgen, daß du das Sklavenquartier deines Herrn Miles aus Argentum erreichst«, antwortete er.

»Ich war nicht Tatrix von Corcyrus!« rief ich.

»Das wird man heute abend feststellen!« sagte er grimmig.

26

Die Tänzerinnen hatten sich mit klirrenden Glocken entfernt. Die Musiker spielten nicht mehr. Zwischen den Tischen wurde eine Fläche freigeräumt. Die Bankettsklavinnen hatten sich hinter die Tische zurückgezogen. An diesen Tischen saßen Claudius, der Ubar von Argentum, und Angehörige des Hohen Rates. Zahlreiche andere Würdenträger waren ebenfalls zu Gast, aus Argentum wie auch aus anderen Städten. Miles aus Argentum war anwesend, ebenso Drusus Rencius und Ligurious. Interessanterweise war auch Aemilianus aus Ar gekommen, der zuvor mein Herr gewesen war, und Publius, der Aufseher im Haus des Sklavenhändlers Kliomenes in Corcyrus. Hassan der Sklavenjäger fehlte. Im Hintergrund saß an einem der rückwärtigen Tische ein verhüllter Gast, ein mittelgroßer Mann. Ich hatte keine Ahnung, wer sich hinter seiner Kapuze verbergen mochte. Hassan war es nicht; dafür war der Mann viel zu klein.

Ich hockte nackt hinter einem Perlenvorhang und wartete auf den Befehl meines Herrn Miles aus Argentum. Ich hatte keine Mühe, mich durch den Vorhang zu orientieren, während man mich von der anderen Seite nicht sehen konnte.

»Es ist Zeit«, sagte Claudius, der Ubar Argentums, »uns der Hauptfrage des Abends zuzuwenden. Der goldene Sack soll gebracht werden!«

Aus einem Seitenraum zerrten zwei Soldaten den goldenen Sack über den Boden und legten ihn vor dem Mitteltisch ab, an dem die höchsten Würdenträger saßen: Claudius, der Hohe Rat und andere wichtige Gäste wie Ligurious, Miles aus Argentum und Drusus Rencius.

»Der heutige Abend«, sagte Claudius, »ist eine Siegesfeier, ein Triumphgelage. Vor Monaten überfiel Corcyrus ohne jede Provokation unsere Silberbergwerke und wurde zurückgeworfen. Um unsere Sicherheit zu gewährleisten und eine Wiederholung solcher Aggressionen zu verhindern, kämpften wir uns bis vor und durch das Tor der Stadt Corcyrus. Dort, unterstützt durch die Bürger dieser Stadt, besiegten wir die Streitkräfte der Tatrix von Corcyrus und stürzten ihr tyrannisches Regime.«

An dieser Stelle gab es goreanischen Applaus: die Anwesenden schlugen sich mit der Handfläche gegen die linke Schulter. Mir fiel auf, daß sogar Ligurious in diesen Applaus einfiel.

»Die Bande zwischen Corcyrus und Cos sind inzwischen durchschnitten worden«, fuhr Claudius fort. »Wie Argentum ist diese Stadt nun eine Verbündete des Herrlichen Ar.«

Wieder gab es Beifall.

»Und was für ein Glück ist das für Corcyrus! Denn Ar steht zu ihren Verbündeten, das hat sie in unserem Fall bewiesen! Und die Verbündeten stehen zu Ar!«

Applaus.

Ar verfügte über große Landstreitkräfte. Zweifellos besaß dieser Stadtstaat die größte und am besten ausgebildete Infanterie im bekannten Gor. Die Land-Armee Cos’ dagegen war vermutlich nicht so groß wie die mancher Stadtstaaten mit viel geringerer Bevölkerung als das Insel-Ubarat. Dieses Ungleichgewicht verkehrte sich auf dramatische Weise ins Gegenteil, wenn man die Kampfkraft auf dem Meer betrachtete. Cos verfügte über eine der mächtigsten Flotten auf Gor. Die Seemacht Ars dagegen war nicht nennenswert. Sie bestand im wesentlichen aus Schiffen auf dem Vosk-Fluß, vorwiegend im Hafen von Ar-Station liegend.

»Die Übeltäterin in diesem Fall, die Schuldige, die Ursache für die Feindseligkeiten war Sheila, die grausame, böse Tatrix von Corcyrus.«

»Ja, ja!« riefen mehrere Männer.

»Sie wurde in Corcyrus gefangengenommen, konnte aber auf dem Weg nach Argentum entkommen. Eine umfassende Suche wurde organisiert und durchgeführt. Eine attraktive Belohnung wurde ausgesetzt. Trotzdem konnte sie sich monatelang vor uns verbergen. Dann erklärte sich Hassan aus Kasra, Hassan der Sklavenjäger, bereit, ihre Spur zu verfolgen. Da waren ihre Tage in Freiheit gezählt. Vor kaum zwei Wochen fiel sie in Ar in seine Ketten.«

Wieder wurde Beifall geklopft.

»Er hielt es für angebracht, sie sodann wie eine Sklavin zu uns zu bringen, in einem Sklavensack. Diesmal entwischte sie nicht!«

Es wurde gelacht. Ich sah Ligurious lächeln.

»Nun ist es an der Zeit«, sagte Claudius, »Sheila, die ehemalige Tatrix von Corcyrus, den Siegern zu präsentieren. Ligurious?«

Ligurious stand auf, ging um den Tisch herum und blieb neben dem Sack stehen.

»Viele von euch«, begann er, »kennen mich vermutlich nur dem Namen nach, als ehemaligen ersten Minister von Corcyrus. Was viele von euch vielleicht nicht wissen, ist die Tatsache, daß ich der heimliche Anführer des Widerstands in Corcyrus gegen die Herrschaft der Tatrix Sheila war. Monatelang bemühte ich mich aus meinem Amt heraus, sie von Feindseligkeiten gegenüber dem großen Staat Argentum abzuhalten. Ich machte meinen ganzen Einfluß geltend, um Frieden und Harmonie walten zu lassen. Leider fruchteten meine Bemühungen nichts, meine Ratschläge wurden in den Wind geschlagen. Allenfalls konnte ich hoffen, den siegreichen Streitkräften Argentums den Weg zu bereiten, was mir auch gelang. Ihr erinnert euch sicher, wie mühelos die Stadt an euch fiel, nachdem das Tor aufgebrochen war.«