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»Damit gibst du mir recht!« lachte Miles.

»Nein«, sagte Drusus Rencius. »Ich bestreite nicht, daß du sie in Corcyrus gesehen, sie später gefangen und in einen goldenen Käfig gesteckt hast, und so weiter. Was ich bestreite, ist die Tatsache, daß sie die Tatrix von Corcyrus war.«

»Der Hauptmann von Ar«, sagte Miles, »hat anscheinend den Verstand verloren. Er redet Unsinn. Will er uns einreden, die echte Tatrix wäre irgendwo anders gewesen und hätte sich vielleicht die Fingernägel bemalt, während jemand für sie die Staatsgeschäfte erledigte?«

Es wurde gelacht. Drusus Rencius ballte die Fäuste. Er war ein goreanischer Krieger. Es gefiel ihm nicht, auf diese Weise verspottet zu werden.

»Mein zweiter Zeuge«, sagte Miles aus Argentum, »ist die Frau, die dieser Frau in ihrem eigenen Quartier diente, die sie badete und ankleidete, die ihr das Haar kämmte, die ihr praktisch als Leibsklavin diente, jetzt meine eigene Sklavin, Susan.«

Susan wurde gerufen. Wie hübsch und exquisit sah sie in der engen kleinen Tunika aus, die die Uniform der Mädchen von Miles aus Argentum war! Wir trugen nun den gleichen Kragen. Er war unser beider Besitzer.

Sie kniete vor ihm nieder.

»Ist das die Frau, der du in Corcyrus dientest?« fragte Miles und deutete auf mich.

Susan kam zu mir. »Verzeih mir, Herrin«, sagte sie.

»Nenn mich nicht Herrin, Susan«, antwortete ich. »Ich bin jetzt genauso Sklavin wie du.«

»Ja, Herrin«, sagte sie.

»Ist das die Frau, der du gedient hast?« wiederholte Miles seine Frage.

»Ja. Herr.«

Die Mitglieder des Hohen Rates und andere schauten sich nickend an.

»Susan!« rief Drusus Rencius. »Glaubst du, daß diese Frau böse ist? Daß sie der schlimmen Verbrechen schuldig sein kann, die der Tatrix von Corcyrus zur Last gelegt werden?«

»Nein, Herr!« sagte das Mädchen lächelnd.

»Herrinnen haben manchmal eine andere Beziehung zu ihren Sklavinnen oder Freundinnen als zu anderen Menschen«, sagte Ligurious hastig. »Es ist allgemein bekannt, daß Individuen, die im Privatleben nett und liebevoll handeln, zu den schlimmsten Verbrechen fähig sind.«

»Susan«, ließ sich Drusus Rencius nicht beirren, »du weißt, daß dies die Frau ist, der du gedient hast, denn du kennst sie und erkennst sie mühelos. Ich unterstelle, daß du eigentlich gar nicht genau wissen kannst, daß sie die echte Tatrix von Corcyrus war. Du nimmst es an, weil man es dir gesagt hatte, und aus bestimmten anderen Gründen, zum Beispiel weil andere sie auch für die Tatrix hielten und du sie gewisse Dinge tun sahst, von denen du annahmst, daß nur die Tatrix sie tun konnte, beispielsweise Audienzen mit ausländischen Würdenträgern abhalten, und so weiter.«

»Ja, Herr.«

»Aber ist es nicht möglich«, fuhr Drusus Rencius fort, »daß sie als Tatrix galt und diese Dinge tat, ohne wirklich die echte Tatrix zu sein?«

»Ja, Herr«, sagte Susan eifrig.

»Hältst du es für sehr wahrscheinlich, Susan«, warf Miles aus Argentum ein, »daß diese Frau die Tatrix von Corcyrus war?«

»Ja, Herr«, flüsterte sie.

»Genau gefragt: Zweifelst du daran?« hakte Miles nach.

»Nein, Herr«, schluchzte Susan und ließ den Kopf hängen.

»Ich rufe nun meinen nächsten Zeugen auf«, fuhr Miles fort und schickte Susan mit einer Handbewegung in eine Ecke. »Meine Männer fanden ihn in Venna und brachten ihn her, Speusippus aus Turia.«

Zu meinem Erstaunen wurde Speusippus vor die Menge geführt. Die Gegenwart so hoher Herrschaften schien ihn sehr zu hemmen, und er hatte unterwürfig den Kopf eingezogen. Er kam mir längst nicht mehr so abscheulich vor wie zu Anfang. Immerhin war ich jetzt eine Sklavin und stand tausend Stufen unter ihm.

»Du wurdest vor mehreren Monaten in Corcyrus gewisser Unregelmäßigkeiten in deinem Geschäft angeklagt und für eine gewisse Zeit aus der Stadt verbannt?« fragte Miles.

»Ja«, sagte Speusippus.

»Den Berichten zufolge führte man dich aus der Stadt.«

»Ja.«

»Wer fand dich schuldig? Wer sprach das Urteil über dich?«

»Sheila, Tatrix von Corcyrus«, antwortete Speusippus.

»Ist die Frau, die Tatrix von Corcyrus war, in diesem Raum?« fragte Miles aus Argentum.

»Ja«, erwiderte Speusippus.

»Würdest du sie uns zeigen?«

Ohne zu zögern kam Speusippus zu mir und deutete auf mich. »Das ist sie«, sagte er.

»Auch er könnte sich in dieser Angelegenheit irren!« rief Drusus Rencius.

Seine Äußerung wurde mit Gelächter quittiert.

»Ich rufe nun den vierten Zeugen«, sagte Miles aus Argentum, »Ligurious, den ehemaligen ersten Minister von Corcyrus. Er müßte die echte Tatrix von Corcyrus wie kein zweiter kennen. Ich möchte ihn bitten, eine offizielle Identifizierung vorzunehmen.«

Ligurious deutete auf mich. »Ich kenne sie gut«, sagte er. »Das ist Sheila, die ehemalige echte Tatrix von Corcyrus.«

»Hast du weitere Zeugen, General?« wandte sich Claudius an Miles.

»Ja, edler Claudius«, sagte Miles, »noch einen.«

»Dann ruf ihn auf.«

»Drusus Rencius!«

»Ich?« rief Drusus.

Einige Anwesende sahen sich erstaunt an.

»Ja«, sagte Miles. »Du bist Drusus Rencius, ein Hauptmann aus Ar, nicht wahr?«

»Ja«, antwortete Drusus Rencius ärgerlich.

»Du warst zum Dienst nach Argentum abgestellt und führtest einen Spionageauftrag in den Mauern von Corcyrus durch?«

»Ja.«

»Soweit ich weiß, gehörte es in Corcyrus zu deinen Pflichten, als Leibwächter Sheilas zu dienen, der Tatrix von Corcyrus.«

»Man übertrug mir die Aufgabe, eine Frau zu bewachen, die ich damals für Sheila, Tatrix von Corcyrus, hielt«, antwortete Drusus Rencius. »Ich glaube heute nicht mehr, daß sie die echte Tatrix war. Ich bin sicher, daß ich und viele andere – darunter auch du – von Ligurious in die Irre geführt wurden. Dieses Mädchen diente als Ablenkung von der echten Tatrix. Sie wurde in die Rolle und Identität der Tatrix eingeführt, eine Rolle, die sie zumindest zum Teil ausfüllte. Der Erfolg des brillanten Plans zeigte sich nach dem Fall der Stadt. Dieses Mädchen fiel uns in die Hände und wurde als angebliche Tatrix entkleidet und in einen Käfig gesteckt. Die echte Tatrix entkam uns unterdessen, und zwar in der Begleitung Ligurious’ und anderer.«

»Ligurious?« fragte Claudius.

»Ich weise das entschieden zurück!« sagte Ligurious.

»Ist die Frau, die du für die Tatrix von Corcyrus hieltest und die du in Corcyrus als Tatrix bezeichnetest, hier in diesem Raum?«

Drusus Rencius schwieg. »Ja, sie ist hier«, sagte er nach langem Zögern.

»Würdest du sie uns bitte zeigen?« fragte Miles.

Drusus Rencius deutete auf mich. »Das ist sie«, sagte er.

»Vielen Dank«, antwortete Miles. »Die Angelegenheit ist abgeschlossen.«

»Indem ich diese Identifizierung vornehme«, fuhr Drusus Rencius fort, »tue ich nichts anderes als zuzugeben, daß ich mich von Ligurious täuschen ließ! Begreift ihr das nicht? Er hält uns alle zum Narren!«

Ligurious senkte den Blick, als bekümmere ihn ein solch unvernünftiger und absurder Ausbruch.

»Bei der Liebe, die ich für dich empfinde und du für mich, hör mich an!« wandte sich Drusus an Miles. »Diese Frau ist nicht die Tatrix! Sie saß auf dem Thron! Sie hielt Gericht als Tatrix! Sie erledigte Staatsgeschäfte als Tatrix! Sie war bekannt als Tatrix! Aber sie war nicht die Tatrix!«

»Wir dürfen die Beweise nicht vergessen«, sagte Miles aus Argentum, »Beweise, die von einigen hier vorgetragen wurden und die klar darauf hindeuten, daß sie die Tatrix war. Was für Beweise willst du noch sehen? Woher sollen wir beispielsweise wissen, daß du wirklich Drusus Rencius bist, Hauptmann aus Ar? Oder daß ich Miles bin, ein General aus Argentum? Oder er Ligurious, bisher erster Minister in Corcyrus? Woher wissen wir, daß die Leute hier im Raum sind, was wir annehmen. Vielleicht sind wir alle Opfer einer komplizierten, unvorstellbaren Täuschung! Hier geht es aber um vernunftgemäße Gewißheiten, nicht um vage Begriffe. Und so gesehen steht über jeden Zweifel fest, daß sie die Tatrix von Corcyrus war!«