»Vielleicht«, sagte er.
»Aber du bist ein Offizier Ars! Wie konntest du so etwas tun?«
Zornig schaute er mich an. »Ich kenne dich!« sagte er. »Was immer du auch für Schwächen haben mochtest, ich konnte nicht glauben, daß du die Verbrechen der Tatrix von Corcyrus begangen hast. So etwas steckte einfach nicht in dir. Demnach befreite ich nicht die Tatrix von Corcyrus, sondern half bei der Flucht einer Unschuldigen. Meine Tat entsprach damit sogar meinen Pflichten.«
»Du wußtest nicht genau, daß ich nicht die Tatrix war, auch nicht, daß ich die Verbrechen nicht begangen hatte«, sagte ich. »In Corcyrus hast du mich sogar ganz offen als Tatrix identifiziert!«
Sein Gesicht rötete sich vor Zorn.
»Deine Motivation war viel komplexer«, fuhr ich fort, »und ging in schmerzhafte Tiefen. Es war nicht deine Aufgabe, meine Unschuld oder meine Schuld festzustellen. Diese Verantwortung lag bei Claudius, dem Ubar von Argentum und dem Hohen Rat. So bestand eigentlich kein Grund für dich, dein Offizierspatent, deine Zukunft, deine Ehre, dein Leben zu riskieren, um einer vagen Möglichkeit zum Durchbruch zu verhelfen.«
Zornig sah er mich an.
Mein Herz machte einen Freudensprung. »Du liebst mich!« flüsterte ich. »Du liebst mich!«
Im ersten Augenblick hatte ich das Gefühl, er würde mich schlagen. Dann hielt er sich aber doch zurück. Ich war die Sklavin eines anderen Mannes.
»Ich liebe dich, Herr!« schluchzte ich. »Ich habe dich seit unserer ersten Begegnung geliebt!«
Aufgebracht starrte er mich an. »Lügnerische Sklavin!« rief er heftig.
»Nein, Herr!« protestierte ich. »Ich liebe dich! Ich liebe dich aus ganzem Herzen!«
»Was geht hier vor?« fragte Miles aus Argentum.
»Nichts«, antwortete Drusus Rencius.
Menicius lächelte nur.
Miles aus Argentum zerrte mich aus der knienden Stellung hoch. »Geh in das Quartier meiner Frauen«, sagte er.
»Ja, Herr«, sagte ich. Tränen schossen mir in die Augen, als ich aus dem Saal hastete.
27
Lachend und stolpernd ließ ich mich durch den Korridor stoßen. Ich lachte vor Freude.
Am frühen Morgen war ich in den Palasthof geschickt worden, ohne Kragen, um mich von den Bankettsklavinnen, meinen Freundinnen, zu verabschieden, die nach Ar aufbrachen. Ich hatte mit ihnen gesprochen und sie tränenreich geküßt. Am schwersten fiel mir die Trennung von Claudia, Crystal und Tupa, mit denen ich eng befreundet gewesen war. Ich schaute zu, wie sie nacheinander in den Wagen stiegen. Ich beobachtete, wie das Palasttor für den Wagen geöffnet wurde.
Speusippus hatte Ar am Tag nach dem großen Fest verlassen, in dessen Verlauf die wahre Sheila enthüllt worden war.
Vor fünf Tagen war dann auch Ligurious aufgebrochen, und am nächsten Tag hatten sich Hassan aus Kasra mit seinen Männern und Sleen und seiner Sklavin Sheila verabschiedet. Auf Vorschlag Menicius’, der am gleichen Tag nach Corcyrus zurückkehrte, wollte Hassan Sheila nach Port Kar bringen, damit sie im Haus des Samos verhört werden konnte. Ich war sicher, daß sie sich über die Priesterkönige und die Anderen offen äußern würde.
Der Wagen verschwand nach draußen. Das Tor schloß sich langsam wieder.
Ich stand allein im Hof, Tränen in den Augen, und kam mir sehr einsam vor.
»Nicht niederknien«, sagte da plötzlich eine Stimme hinter mir.
Mir wurde schwach in den Knien, und beinahe hätte ich den Befehl mißachtet.
»Wo ist dein Sklavenkragen?« fragte er.
»Ich weiß es nicht, Herr«, antwortete ich. »Er wurde mir heute früh abgenommen.«
»Warum?«
»Keine Ahnung, Herr«, sagte ich. »Vermutlich soll er gewechselt werden.«
»Das stimmt.«
»Herr?«
»Du wirst einen neuen Kragen erhalten«, sagte der Mann. »Ich habe ihn hier.«
»Von dir, Herr?« fragte ich.
Er kam von hinten um mich herum und zeigte mir den neuen Kragen.
»Ich verstehe nicht…«
»Was ist daran so schwer zu verstehen?«
»Miles aus Argentum hat dich ermächtigt, meinen Kragen zu wechseln?« fragte ich.
»Nein«, sagte Drusus Rencius.
Angstvoll berührte ich das Metallband. »Ich verstehe das nicht«, flüsterte ich. Ich hatte Angst um Drusus Rencius. Ich fürchtete, er habe ein Verbrechen begangen.
»Ich brauche diese Autorität nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es mein Kragen ist«, sagte er.
»Der deine!« rief ich.
»Ja«, sagte er. »Ich habe dich gestern abend gekauft.«
Ich verlor das Bewußtsein. Kriege, so vermute ich, wird es immer geben.
Wer kann wissen, welche Messer zum Stoß erhoben werden, welche geheimen, verborgenen Entwicklungen sich anbahnen?
Diese Dinge erscheinen mir weit entrückt.
Ar kommt mir im Abendlicht wunderschön vor.
Ich muß diese Erzählung nun beenden. Ich bin zum Lager meines Herrn gerufen worden. Ich beeile mich, der Aufforderung nachzukommen.