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Hier brach sein eingebildeter Zuhörer in eine solche Flut von schmeichelhaften Zusicherungen aus. betreffend Herrn Blomquists Fähigkeit, alles herauszukriegen, was immer es auch sein mochte, daß sogar Herr Blomquist fand, es ginge zu weit.

»Na, na, keine Übertreibungen«, sagte er mild. »Der beste Detektiv, den es jemals gegeben hat – das ist doch wohl etwas übertrieben. Lord Peter Wimsey ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen.«

Er holte sein Notizbuch hervor. In der Rubrik »Besonders verdächtige Umstände« fügte er hinzu: »Stattet nächtlichen Besuch in der Schloßruine ab. Verliert Perlen.«

Er las, sehr zufrieden, alles durch, was er über Onkel Einar geschrieben hatte. Nun gab es nur noch etwas hier im Leben, was er sich wünschte: Onkel Einars Fingerabdruck! Er hatte es den ganzen Vormittag versucht, indem er stundenlang um sein Opfer herumgeschlichen war. Er hatte das kleine Stempelkissen, das zu seiner Druckerei gehörte, auf die durchtriebenste Weise hingestellt, in der Hoffnung, daß Onkel Einar aus Versehen seinen Daumen erst auf das Stempelkissen und dann auf ein geeignetes Papier setzen würde. Aber merkwürdigerweise war Onkel Einar nicht in die Falle gegangen.

»Raffiniert, natürlich!« schnaubte Kalle. »Es bleibt wahrscheinlich gar nichts anderes übrig, als ihn zu chloroformieren und seinen Fingerabdruck zu nehmen, während er bewußtlos ist.«

»Und hier liegst du, du Rindvieh, und die Vorstellung soll in einer Viertelstunde anfangen!«

Anders hing über dem Zaun und warf grimmige Blicke auf den voll Behagen ruhenden Kalle. Kalle fuhr in die Höhe. Es war nicht leicht, sowohl Detektiv als auch Zirkuskünstler zu sein. Er kroch durch die Zaunöffnung und fiel an Anders’ Seite in Laufschritt.

»Sind Leute gekommen?« keuchte er.

»Und ob! Jeder Sitzplatz ist besetzt!«

»Da sind wir wohl beinahe reich?«

»Achtfünfzig«, sagte Anders. »Aber du hättest Eva-Lotte beim Billettverkauf ablösen sollen, anstatt wie ein Pascha auf dem Rasen zu liegen.« Sie rannten die Treppe zum Bäckereiboden hinauf. Da stand Eva-Lotte und schaute durch den Spalt zwischen den geschlossenen Luken hindurch.

»Volles Haus«, sagte sie.

Kalle ging nach vorn und sah auch hinunter. Da saßen alle Kinder des Viertels und auch ein ganz Teil andere. Auf der ersten Bank thronte Onkel Einar. An seiner Seite saßen Bäckermeister Lisander und seine Frau, und auf der zweiten Bank sah Kalle seinen Vater und seine Mutter.

»Ich bin so nervös, daß die Beine unter mir nachgeben«, wimmerte Eva-Lotte. »Bereitet euch darauf vor, daß ich euch bei der Akrobatennummer auf den Kopf falle. Und das Brotwagenpferd ist schlechter Laune, so daß ich auch für meine Pfer-dedressur das Schlimmste fürchte.«

»Blamier uns nicht, das sage ich dir«, sagte Anders.

»Das Spiel kann beginnen!« rief Onkel Einar ungeduldig.

»Das bestimmen wohl wir, denke ich«, sagte der Zirkusdirektor brummig zu seinen Mithelfern. Aber er setzte jedenfalls seinen hohen Hut oder vielmehr Bäckermeister Lisanders hohen Hut auf, öffnete die Luke, nahm das Seil und schwang sich in die Arena hinunter. Eva-Lotte stieß einen schrillen Trompeten-stoß aus, und das Publikum applaudierte wohlwollend.

Währenddessen hatte Kalle sich die Treppe hinuntergeschlichen und das Brotwagenpferd geholt, das an einem Baum angebunden war. Vor den angenehm überraschten Blicken des Publikums führte er das Tier zwischen den Zuschauerbänken herein. Der Zirkusdirektor nahm seinen Hut ab, verbeugte sich höflich, ergriff eine Peitsche, die an der Bäckereiwand gelehnt hatte, und knallte damit. Sowohl er wie das Publikum erwarteten, daß das Pferd nun einen raschen Trab um die Arena herum machen würde, aber es war nicht in der Stimmung dazu. Es glotzte nur einfältig das Publikum an. Der Zirkusdirektor knallte noch einmal mit der Peitsche und flüsterte, deutlich hörbar für das Publikum: »Los, du dummes Vieh!«

Da beugte sich das Pferd herunter und fraß einige Grashalme, die aus den Sägespänen hervorschauten. Vom Bäckereiboden hörte man ein lustiges Kichern. Es war die auf ihren Auftritt wartende Kunstreiterin, die ihre Fröhlichkeit nicht beherrschen konnte. Auch das Publikum amüsierte sich, besonders Onkel Einar und Eva-Lottes Mutter.

In diesem Augenblick griff der Stallknecht Kalle ein. Er nahm das Pferd am Zaum und führte es ganz einfach zur Luke hin. Eva-Lotte nahm das Seil und machte sich zu einem entscheidenden Sprung auf den Pferderücken bereit. Aber da kam das Pferd in Fahrt. Es machte einen Sprung, der einem richtigen Zirkuspferd Ehre gemacht hätte, und als Eva-Lotte am Seil heruntergerutscht war, war kein Pferderücken zum Landen da.

Sie blieb an der Leine hängen, kläglich mit den Beinen zap-pelnd, bis es Anders und Kalle gelungen war, das Pferd zurück-zuholen. Eva-Lotte glitt auf seinen Rücken hinunter, warf dem Publikum Handküsse zu und versuchte, so auszusehen, als ob ihr Beineschlenkern die einzig richtige Art aufzutreten für eine Zirkusprimadonna wäre. Anders knallte mit der Peitsche, und das Pferd trottete artig in der Arena herum. Eva-Lotte klemmte ihre beiden nackten Fersen in seine Seiten, um es etwas feuriger zu machen, aber vergebens.

»Schaf«, schnaubte Eva-Lotte.

Aber es war auch für mündliches überreden nicht empfänglich. Es war so gedacht gewesen, daß das Pferd in der Arena herumgaloppieren und durch seine lebhaften Sprünge das Urteil des Publikums irreführen sollte, so daß man nicht merkte, daß die Kunststücke, die Eva-Lotte auf dem Pferderücken ausführte, ziemlich einfach waren. Aber da das Pferd sich weigerte, einen wirklich herzhaften Einsatz zu machen, war es unvermeidlich, daß die ganze Nummer etwas lahm wirkte.

»Und dem hat man nun jahrelang Hafer gegeben«, dachte Eva-Lotte bitter.

Zuletzt knallte indessen der wütende Zirkusdirektor einen Peitschenhieb direkt unter die Nase des Brotwagenpferdes hin, so daß es sich vor Schreck auf die Hinterbeine stellte. Das gab der Nummer einen höchst dramatischen Abschluß und erhöhte den Gesamteindruck bedeutend.

»Aber wenn die Akrobatennummer auch mißlingt«, sagte Anders hinterher oben auf dem Boden, »dann müssen wir das Eintrittsgeld zurückzahlen. Ein Zirkuspferd, das sich hinstellt und zu weiden anfängt, das ist unanständig! Jetzt fehlt bloß noch, daß Eva-Lotte während der Akrobatennummer Schnecken ißt.«

Aber das tat Eva-Lotte nicht, und »Die drei Desperados« hatten einen strahlenden Erfolg. Onkel Einar brach einen weißen Fliederzweig ab und überreichte ihn mit einer tiefen Verbeugung Eva-Lotte. Der Rest des Programms stand nicht ganz auf dem gleichen hohen Niveau, aber die Clownnummer glückte sehr, ebenso Eva-Lottes Lied. Eigentlich wurden ja sonst in einem Zirkus keine Lieder vorgetragen, aber es war nötig, um das Programm auszufüllen, und Eva-Lotte hatte es selbst ge-dichtet. Es handelte meistens von Onkel Einar.

»Aber nein, Eva-Lotte«, sagte ihre Mutter, nachdem sie fertig war, »man darf doch nicht so anzüglich älteren Menschen gegenüber sein.«

»Doch, gegen Onkel Einar ja!«

Da lachte Onkel Einar sein wieherndes Lachen und brach einen neuen Fliederzweig für Eva-Lotte ab.

»Laß meinen Flieder in Ruhe!« brummte der Bäckermeister.

Nach Schluß der Vorstellung lud Frau Lisander zum Kaffee in der Laube ein. Lebensmittelhändler Blomquist und Bäckermeister Lisander saßen oft des Abends in der Laube und sprachen über Politik. Mitunter erzählten sie auch Geschichten, und dann setzten sich Eva-Lotte und Kalle und Anders mit hin und hörten zu.

»Wirklich, ich glaube wahrhaftig, daß heute alle Kaffeetassen Ohren haben«, sagte der Bäckermeister. »Da wird wohl bald die Welt untergehen. Wie ist das mit dir, Miachen«, fragte er mit einem freundlichen Blick auf seine Frau, »hast du heute so viel zu tun gehabt, daß du keine Zeit hattest, ein paar Kaffeetassen zu zerhauen?«