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Frau Lisander lachte unbekümmert und bot Frau Blomquist Napfkuchen an. Der Bäckermeister ließ seine üppige Gestalt auf einen Gartenstuhl sinken und warf einen forschenden Blick auf den Vetter seiner Frau.

»Wird es nicht langweilig, so umherzugehen und nichts zu tun?« fragte er.

»Ich beklage mich nicht«, sagte Onkel Einar. »Ohne Arbeit kann ich es aushalten Ich möchte nur wünschen, ich könnte besser schlafen.«

»Du kannst ein Schlafpulver von mir bekommen«, sagte Frau Lisander. »Ich habe noch welche übrig von denen, die der Arzt mir gab, als ich Schmerzen im Arm hatte.«

»Ich möchte wissen, ob Arbeit nicht besser wäre als Schlafpulver«, sagte der Bäckermeister. »Steh morgen früh um vier auf und hilf mir, die Brote auszubacken, dann garantiere ich dir, daß du die nächste Nacht schläfst.«

»Danke, ich ziehe Schlafpulver vor«, sagte Onkel Einar.

Meisterdetektiv Blomquist, der neben seiner Mutter an der anderen Seite des Tisches saß, dachte für sich: »Eine gute Art, wenn man schlafen will, ist, ruhig in seinem Bett zu liegen.

Wenn man die ganze Nacht umherwandert, dann ist es ja wohl kein Wunder, daß man kein Auge zumachen kann. Aber wenn er ein Schlafpulver bekommt, dann wird er schon eindösen.«

Anders und Eva-Lotte waren fertig mit Kaffeetrinken. Sie setzten sich auf den Rasen vor der Laube und bliesen auf Gras-halmen, sehr zufrieden mit den fürchterlichen Tönen, die her-auskamen. Kalle wollte sich gerade zu ihnen setzen. Er wußte, daß die Töne, die er selbst mit Hilfe eines Grashalmes hervor-bringen konnte, das meiste in dieser Richtung übertrafen. Aber gerade da bekam er den Gedanken! Den strahlenden und genia-len Gedanken, eines Meisterdetektivs würdig!

Er nickte bestätigend. Ja, ja, gerade so mußte es geschehen!

Er sprang auf, riß einen Grashalm ab und blies eine gellende und triumphierende Fanfare.

SECHSTES KAPITEL

Natürlich war die Sache nicht ohne Risiko. Aber ein Detektiv muß etwas wagen. Will er das nicht, dann kann er sich ebensogut den Detektivberuf aus dem Sinn schlagen und sich als Wurstverkäufer oder sonstwas etablieren. Kalle hatte keine Furcht. Aber spannend war es, mächtig spannend.

Er hatte seinen Wecker auf zwei Uhr gestellt. Zwei Uhr war ein geeigneter Zeitpunkt. Wie lange dauerte es, bis ein Schlafpulver wirkte? Kalle wußte es nicht genau. Aber sicher würde Onkel Einar um zwei Uhr wie ein Murmeltier schlafen, Kalle konnte sich nichts anderes vorstellen. Und da sollte es passieren! Denn wenn man endlich eine »mystische Person« gefunden hat, muß man den Fingerabdruck der »Person« haben.

Personalbeschreibung und Muttermal und all das ist sicher gut, aber nichts kommt an einen ehrlichen Fingerabdruck heran.

Kalle warf einen letzten Blick aus dem Fenster, bevor er ins Bett kroch. Die weißen Gardinen des gegenüberliegenden Fensters blähten sich leise im Abendwind. Da drinnen war Onkel Einar. Vielleicht nahm er eben das Schlafpulver und legte sich ins Bett. Kalle rieb sich vor Spannung die Hände. Das würde keine schwere Sache werden. Viele, viele Male hatten Eva-Lotte und er und Anders diese Feuerleiter benutzt, zuletzt im Frühjahr, als sie eine Räuberhöhle auf Eva-Lottes Boden hatten. Und wenn Onkel Einar rausklettern konnte, dann konnte Kalle rein-klettern!

»Um zwei Uhr passiert es, so wahr ich lebe!«

Kalle kroch in sein Bett und schlief augenblicklich ein. Er schlief unruhig und träumte, daß Onkel Einar ihn rund um den Bäckereigarten jagte. Kalle rannte wie um sein Leben, aber Onkel Einar kriegte ihn schließlich. Er packte Kalle hart am Genick und sagte: »Weißt du nicht, daß alle Detektive eine Blechbüchse am Schwanz festgebunden haben müssen, so daß man hört, wenn sie kommen?«

»Ja, aber ich habe gar keinen Schwanz«, verteidigte sich Kalle unglücklich.

»Ach, Unsinn, natürlich hast du einen Schwanz! Wie nennst du denn das sonst?«

Und als Kalle hinschaute, hatte er genauso einen Schwanz wie Tusse.

»So«, sagte Onkel Einar und band die Blechbüchse fest. Kalle machte einige Sprünge, und die Blechbüchse klapperte ganz furchtbar.

Er war so unglücklich, daß er hätte weinen können. Was würden Anders und Eva-Lotte sagen, wenn er auf diese Weise angerasselt kam? Niemals mehr würde er mit ihnen spielen können. Niemand wollte wohl gern mit jemand zusammen sein, der so einen Lärm machte. Da standen ja übrigens Anders und Eva-Lotte! Sie lachten ihn aus.

»So geht es mit Detektiven«, sagte Anders.

»Ist es wirklich wahr, daß alle Detektive Blechbüchsen am Schwanz haben müssen?« fragte Kalle.

»Absolut«, sagte Anders. »Das steht im Gesetz.«

Eva-Lotte hielt sich die Ohren zu.

»Pfui Teufel, was für einen Krach du machst«, sagte sie. Kalle mußte zugeben, daß der Lärm schlimmer als je war. Das klapperte und schmetterte – ach, wie das schmetterte!

Kalle erwachte. Der Wecker! Donnerwetter, wie der läutete!

Kalle stellte ihn eiligst ab. Im Augenblick war er hellwach. Gott sei Dank, er hatte keinen Schwanz! Es gibt vieles hier auf der Welt, wofür man dankbar sein muß. Aber jetzt schnell ans Werk!

Er lief zur Schreibtischschublade. Da lag das Stempelkissen.

Er steckte es in die Tasche. Ein Stück Papier mußte er auch haben. Dann war er fertig. Nie war er so vorsichtig die Treppe hinuntergeschlichen, und er vermied die Stufen, von denen er aus Erfahrung wußte, daß sie knarrten.

»Alles ruhig, sagte der Dieb!«

Kalle fühlte sich richtig ausgelassen. Er preßte seinen kleinen, dünnen Jungenkörper durch die Zaunöffnung, und jetzt stand er im Bäckereigarten. Wie still alles war! Und wie der Flieder duf-tete! Und der Apfelbaum! Alles war ganz anders als am Tage. In allen Fenstern war es dunkel. Auch in Onkel Einars!

Es gab Kalle einen kleinen Stoß, als er den Fuß auf die Feuerleiter setzte. Zum ersten Male fühlte er ein bißchen Angst aufsteigen. War ein Fingerabdruck so viel Ungelegenheit wert? Er wußte eigentlich nicht, wozu er diesen Fingerabdruck haben wollte. Aber – so überlegte er – Onkel Einar ist sicher ein Schurke, und von allen Schurken nimmt man Fingerabdrücke.

Also los, Fingerabdruck genommen von Onkel Einar! Das ist reine Routinearbeit, redete sich der Meisterdetektiv aufmunternd zu und fing an, die Feuerleiter hinaufzuklettern.

»Wenn nun aber Onkel Einar hellwach im Bett sitzt und mich anstarrt, wenn ich den Kopf reinstecke, was sage ich dann?« Kalles Bewegungen wurden etwas zögernd, »’n Abend, Onkel Einar, schönes Wetter heute nacht! Ich mache nur einen kleinen Spaziergang die Leiter rauf und runter!« – Nein, das ging nicht!

»Ich hoffe, es war ein sehr starkes Schlafmittel, das Tante Mia ihm gegeben hat«, dachte Kalle und versuchte, sich überlegen zu fühlen.

Aber trotzdem empfand er es ungefähr so, als ob er seinen Kopf in eine Schlangengrabe steckte, als er sich über das Fensterbrett schob. Es war dunkel im Zimmer, aber nicht so, daß man sich nicht hätte orientieren können. Kalle glich in diesem Augenblick einem kleinen ängstlichen und neugieri-gen Wiesel, das bereit war, beim ersten Anzeichen von Gefahr zu entwischen Da stand das Bett. Man hörte tiefe Atemzüge aus der Richtung. Gott sei Dank, Onkel Einar schlief!

Unwahrscheinlich leise kroch Kalle über das Fensterbrett.

Hin und wieder hielt er an, um zu lauschen. Aber alles war ruhig.

»Vielleicht hat sie ihm Rattengift gegeben, da er so fest schläft«, dachte Kalle. Er legte sich platt auf den Bauch und schlängelte sich vorsichtig zu seinem Opfer hin. Reine Routinearbeit!

Was für ein Glück! Onkel Einars rechte Hand hing schlaff an der Bettkante herunter. Man brauchte sie nur zu nehmen und dann … Gerade da murmelte Onkel Einar etwas im Schlaf und warf seine Hand über das Gesicht.