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»Wie ist es, Eva-Lotte, kannst du Hundeschwimmen?«

»Klar«, sagte Eva-Lotte, »ich kann alle Schwimmarten.«

»Aha! Ja, das wollte ich bloß wissen«, sagte der Bäckermeister und ging gelassen wieder zur Bäckerei zurück.

Die Rote Rose hatte ihr Hauptquartier in der Garage, die zur Villa des Postdirektors gehörte. Es stand gerade kein Auto darin, weshalb Sixtus den Raum für sich selbst mit Beschlag belegt hatte. Hier hatte er seine Angelrute und seinen Fußball, sein Fahrrad, Pfeil und Bogen, seine Schießscheibe und alle Geheimpapiere und Akten der Roten Rose. Hier wurde die durch-weichte Eva-Lotte eingesperrt, aber Sixtus bot ihr ritterlich an, ihr seinen Trainingsoverall zu leihen.

»Edelmut den Besiegten gegenüber, das ist mein Wahlspruch«, sagte er.

»Äh, ich bin nicht eine Spur besiegt«, sagte Eva-Lotte. »Ich werde bald befreit. In der Zwischenzeit können wir nach der Scheibe schießen.« Dagegen hatten die Gefangenenwärter nichts einzuwenden.

Anders und Kalle standen noch am Fluß und hielten düsteren Kriegsrat. Es kränkte sie, daß es ihnen nicht gelungen war, Sixtus zu übermannen, so daß man die Gefangenen hätte austau-schen können.

»Ich schleich’ mich hin und rekognosziere«, sagte Anders.

»Du setzt dich in den Ahorn und hältst Ausschau für den Fall, daß sie auf die Idee kommen sollten, wieder hierher zurückzu-kehren. Verteidige das Hauptquartier bis zum letzten Mann!

Und solltest du übermannt werden, so verbrenne erst alle Geheimpapiere!«

Kalle sah ein, daß es schwer sein würde, allen Befehlen in ihrem ganzen Ausmaß nachzukommen, aber er machte keine Einwendungen.

Ein vortrefflicher Aussichtspunkt, der Ahornbaum! Man saß da richtig bequem in einer Astgabelung, gut versteckt durch das Laub, und hatte einen Überblick über den vorderen Teil von Bäckermeisters Garten und über die Straße in ihrer ganzen Ausdehnung bis zu der Ecke, wo sie auf die Kleine Straße traf.

Kalle fühlte sich ganz erfrischt durch die ausgefochtenen Kämpfe, aber gleichzeitig hatte er ein schlechtes Gewissen. Er wußte, daß er seine Pflicht gegen die Gesellschaft vernachlässigt hatte. Wenn nicht der Krieg der Rosen dazwischengekommen wäre, dann hätte er schon am frühen Morgen vor dem Hotel gestanden und die beiden Herren überwacht, die gestern abend angekommen waren. Das würde ihn vielleicht der Lösung des Rätsels einen Schritt nähergebracht haben.

Onkel Einar wanderte auf dem Gartenweg unten hin und her, hin und her … Er sah nicht den Beobachter im Ahornbaum, so daß Kalle ihn in aller Ruhe betrachten konnte. Jede Bewegung, die er machte, verriet Ungeduld und Mißvergnügen.

Sein Gesicht hatte einen solchen Ausdruck von Rastlosigkeit und Unlust, daß er Kalle beinahe leid tat.

»Man sollte doch etwas mehr mit ihm spielen«, dachte Kalle plötzlich teilnahmsvoll.

Vor dem Zaun war die Straße menschenleer. Kalle sah auch zum Postdirektorhaus hinunter. Von daher konnte er den Angriff erwarten. Aber keine Roten Rosen waren zu sehen. Kalle warf einen Blick nach der anderen Seite. Da kam jemand. Das waren – ja wahrhaftig, sie waren es! Da waren die Kerle – wie hießen sie doch gleich? Krok und Redig! Kalle wurde sofort gespannt wie eine Stahlfeder. Sie kamen immer näher. Gerade als sie an der Gartentür vorbeigingen, erblickten sie Onkel Einar.

Und er erblickte sie!

Es war abscheulich, das mit anzusehen! fand Kalle. Wie in diesem Augenblick alle Farbe aus Onkel Einars Gesicht verschwand! Wenn er tot gewesen wäre, hätte er nicht weißer sein können. Und eine Ratte, die plötzlich sieht, daß sie in einer Falle gefangen ist, konnte nicht einen solchen Ausdruck von Todesangst im Gesicht haben wie Onkel Einar, als er an der Gartentür stand. Einer der beiden Männer fing an zu sprechen. Es war der kleine Blasse, Redig. Seine Stimme klang unbeschreiblich weich und zart. »Sieh, sieh, hier haben wir Einar«, sagte er.

»Unseren lieben alten Einar!«

NEUNTES KAPITEL

Kalle fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Es war diese Stimme, die das verursachte. Äußerlich klang sie so weich, aber es war, als ob etwas sehr Unangenehmes und Gefährliches sich dahinter verberge.

»Es scheint nicht so, als ob du dich besonders freust, uns zu sehen, alter Freund«, flötete die weiche Stimme.

Onkel Einar griff mit beiden Händen um die Gartentür.

»Doch«, sagte er, »ja, natürlich freue ich mich. Aber ihr kommt so unerwartet.«

»Wirklich?« Der Blasse lachte. »Ja, du hast vergessen, uns deine Adresse zu hinterlassen, als du verschwandest. Zer-streutheit natürlich! Glücklicherweise hast du einen Brief an Lola mit einem einigermaßen deutlichen Poststempel geschrieben. Und Lola ist ein verständiges Mädchen. Wenn man ernsthaft mit ihr spricht, so ist sie nicht diejenige, die einem etwas vorenthält.«

Onkel Einar atmete heftig. Er beugte sich über die Gartentür zu dem Blassen vor.

»Was hast du mit Lola gemacht, du …?«

»Ruhe, Ruhe!« Die weiche Stimme unterbrach ihn. »Reg dich nicht auf! Ruhe, Erholung und Ausspannung soll man in seinen Ferien haben. Denn das hier ist wohl ein kleiner Ferien-ausflug, soweit ich verstehe?«

»Ja, ja«, sagte Onkel Einar. »Ich bin hierhergefahren, um mich ein bißchen auszuruhen.«

»Das verstehe ich! Du hast in der letzten Zeit hart gearbeitet, was?«

Es war die ganze Zeit über der blasse Ivar Redig, der das Wort führte. Der, den Kalle den Unangenehmen nannte, stand nur still da und lächelte, aber es war nicht das, was Kalle unter einem freundlichen Lächeln verstand.

»Wenn ich dem in einer einsamen Straße begegnete, würde ich Angst bekommen«, dachte Kalle. »Obgleich es fraglich ist, ob es nicht noch schlimmer wäre, dem Blassen – Ivar Redig – zu begegnen.«

»Was willst du eigentlich, Artur?« fragte Onkel Einar.

»Artur – er heißt ja Ivar«, dachte Kalle. »Aber Schurken und Banditen – die haben ja wohl immer mehrere Namen.«

»Du weißt verdammt gut, was ich will«, sagte der Blasse, und seine Stimme klang jetzt etwas härter. »Komm mit auf eine kleine Autofahrt, dann können wir die Sache besprechen.«

»Ich habe nichts mit euch zu besprechen«, sagte Onkel Einar heftig. Der Blasse kam einen Schritt näher.

»Nicht?« fragte er mild.

Was war das, was er in der Hand hielt? Kalle mußte sich hin-unterbeugen, um besser sehen zu können. »Nee, nu schlägt’s ein«, flüsterte Kalle. Diesmal war es Onkel Einar, der vor einer Revolvermündung stand. Eigentümliche Gewohnheiten haben diese Leute! Laufen wochentags mit einem Revolver herum!

Der Blasse ließ seine Hand zärtlich über das glänzende Metall gleiten, bevor er weitersprach: »Wenn du es dir etwas besser überlegt hast, so kommst du doch wohl mit?«

»Nein«, rief Onkel Einar. »Nein! Ich habe nichts mit euch zu besprechen. Macht, daß ihr fortkommt, sonst …«

»Sonst rufst du die Polizei, was?« Die beiden Männer vor der Gartentür lachten. »Ach nein, Einarchen, das läßt du wohl sein! Dir ist wohl ungefähr ebensowenig wie uns daran gelegen, die Polizei hineinzuziehen.«

Der Blasse lachte wieder, ein merkwürdig unheimliches Lachen. »Denk mal an, wie gut du dir das ausgedacht hast, Einarchen! Eine kurze Zeit Ferien im tiefsten Inkognito hier, bis sich die schlimmste Aufregung gelegt hat. Viel schlauer, als zu versuchen, sofort ins Ausland zu kommen. Verständiger Bursche!« Er schwieg einen Augenblick. »Aber du bist doch etwas zu pfiffig gewesen«, fuhr er fort, und jetzt war die Stimme nicht mehr weich. »Es lohnt sich niemals, seine Teilhaber hintergehen zu wollen. Viele haben in jungen Jahren dran glauben müssen, die das versucht haben. So war es nicht gemeint, daß drei die Arbeit machen und einer die ganze Pinke für sich behält!«