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»Wo steckt eigentlich Kalle?« fragte Anders und legte ein neu angefertigtes Dokument in den Kasten.

»Er saß vor einer Weile noch im Ahorn«, sagte Eva-Lotte.

Im selben Augenblick kam Kalle angerannt.

»Hört auf damit«, keuchte er. »Wir müssen sofort mit den Roten Frieden schließen. Im schlimmsten Fall müssen wir bedingungslos kapitulieren.«

»Bist du verrückt geworden?« sagte Anders. »Wir haben ja eben erst angefangen.«

»Das hilft nichts. Wir haben uns wichtigeren Sachen zu widmen. Eva-Lotte, hast du Onkel Einar furchtbar gern?«

»Gern haben?« sagte Eva-Lotte. »Warum sollte ich ihn denn so furchtbar gern haben?«

»Ja, er ist ja doch der Vetter deiner Mutter!«

»Was das betrifft – ich glaube nicht, daß meine Mutter ihn selbst gern hat«, sagte Eva-Lotte. »Und da brauche ich ja auch nicht so besonders entzückt von ihm zu sein. Aber warum fragst du?«

»Da wirst du nicht böse sein, wenn ich dir sage, daß Onkel Einar ein Verbrecher ist?«

»Na, nu hör auf, Kalle«, sagte Anders. »Es war Friedrich mit dem Fuß, der die Kollekte geklaut hat, nicht Onkel Einar!«

»Halt’s Maul! Lies das hier, bevor du dich äußerst«, sagte Kalle und gab ihm die Zeitung. Anders und Eva-Lotte lasen die Notiz »Großer Juwelendiebstahl auf Östermalm«.

»Und jetzt hört mal zu«, sagte Kalle.

»Fühlst du dich sonst ganz gesund?« fragte Anders teilnahmsvoll. Er wies mit dem schmutzigen Zeigefinger auf eine andere Notiz: »›Wütende Kuh verursacht Panik.‹ Glaubst du nicht, daß das auch Onkel Einar gewesen sein kann?«

»Halt’s Maul, sage ich. Eva-Lotte, du hast die beiden Kerle gesehen, die vor der Gartentür standen und eben mit Onkel Einar sprachen? Das waren seine Mittäter, und Onkel Einar hat sie auf irgendeine Weise betrogen. Sie nennen sich Krok und Redig, und sie wohnen im Hotel. Und die Juwelen sind in der Schloßruine.«

Die Worte sprudelten nur so aus Kalles Mund heraus.

»In der Schloßruine? Du hast ja gesagt, daß sie im Hotel wohnen?« sagte Anders.

»Krok und Redig, ja! Aber die Juwelen, du Rindvieh, das sind ja Smaragden und Platin und Diamanten! Himmel, wenn ich daran denke, Juwelen für beinahe hunderttausend Kronen da unten im Keller!«

»Woher weißt du das?« fragte Anders äußerst zweifelnd.

»Hat Onkel Einar es gesagt?«

»Etwas kann man sich auch selbst zusammenreimen«, sagte Kalle. »Wenn man ein Kriminalrätsel lösen will, muß man immer mit dem Wahrscheinlichen rechnen.«

Das war Meisterdetektiv Blomquist, der eben mal seine Nase reingesteckt hatte, aber er verschwand bald wieder, und zurück blieb Kalle, eifrig gestikulierend und fürchtend, daß er die anderen beiden nicht würde überzeugen können. Es dauerte eine ganze Weile. Aber schließlich gelang es ihm. Nachdem er alles erzählt und über seine Beobachtungen Bericht erstattet hatte, über seinen nächtlichen Besuch bei Onkel Einar, den Perlen-fund in der Ruine und das Gespräch, das er oben im Ahornbaum belauscht hatte, war sogar Anders beeindruckt.

»Wahrhaftig, der Junge wird Detektiv, wenn er groß ist«, sagte er billigend. »Zum Krieg der Rosen haben wir jetzt keine Zeit.«

»Naa, jetzt weiß ich es«, sagte Eva-Lotte. »Das ist der Grund, weshalb ich die Kuchenbüchsen nicht in Ruhe lassen kann. Ich bin ein Langfinger, genau wie Onkel Einar. So ist das, wenn man mit einem Verbrecher verwandt ist. Aber aus dem Hause soll er, und das sofort! Denkt bloß, wenn er das Silber-zeug klaut!«

»Du mußt dich noch eine Weile gedulden«, sagte Kalle. »Im übrigen hat er an wichtigere Sachen zu denken als an Silberzeug, das kannst du mir glauben. Er ist in einer verdammten Klemme, denn Krok und Redig bewachen ihn wie ihren Augen-stern.«

»Also deswegen hat er sich nach dem Essen hingelegt! Er sagte, daß er krank sei.«

»Du kannst dich darauf verlassen, er hat sich wirklich krank gefühlt«, sagte Anders. »Aber jetzt müssen wir vor allen Dingen mit den Roten Frieden schließen. Du, Eva-Lotte, kannst die Parlamentärfahne hissen und hingehen und die Sache ordnen.

Die werden natürlich glauben, daß wir verrückt geworden sind.«

Eva-Lotte band gehorsam ein weißes Taschentuch an einen Stock und marschierte zu Sixtus’ Garage hin, wo ihr Angebot bedingungsloser Kapitulation sowohl mit Verwunderung als auch mit Mißvergnügen entgegengenommen wurde.

»Seid ihr nicht gesund?« fragte Sixtus. »Jetzt, wo wir gerade so schön in Gang gekommen sind!«

»Wir übergeben uns bedingungslos«, sagte Eva-Lotte. »Ihr habt gewonnen. Aber wir werden euch bald wieder beleidigen, und dann sollt ihr mal sehen, wie die Funken fliegen!«

Sixtus setzte widerwillig einen Friedensvertrag mit äußerst harten Bedingungen für die Weißen auf: Sie sollten bei Ausbe-zahlung des wöchentlichen Taschengeldes auf die Hälfte verzichten, zwecks Einkaufs von gemischten Bonbons für die Roten. Wenn sie einem der Roten auf der Straße begegneten, sollten sich außerdem die Weißen dreimal tief verbeugen und sagen: »Ich weiß, daß ich nicht würdig bin, den gleichen Boden zu betreten wie du, o Herr!«

Eva-Lotte unterzeichnete den Vertrag im Auftrag der Wei-

ßen, drückte feierlich dem Chef der Roten die Hand und rannte zum Bäckereiboden zurück. Als sie durch die Gartentür lief, konnte sie nicht vermeiden, einen von Onkel Einars »Freun-den« zu sehen, der gegenüber auf dem Bürgersteig stand.

»Der Wachtdienst ist in vollem Gang«, rapportierte sie.

»Das hier wird sicher ein Krieg, der besser ist als der der Rosen«, sagte Anders zufrieden. »Du, Kalle, was wollen wir jetzt machen?«

Obwohl Anders sonst der Chef war, sah er ein, daß er sich in diesem speziellen Fall Kalle unterordnen mußte.

»Vor allen Dingen die Juwelen ausfindig machen! Wir müssen zur Schloßruine. Aber einer muß zu Hause bleiben und Onkel Einar und die andern beiden überwachen.«

Kalle und Anders sahen Eva-Lotte auffordernd an.

»Niemals!« sagte Eva-Lotte bestimmt. »Ich will mitgehen und die Juwelen suchen. Im übrigen liegt Onkel Einar im Bett und tut so, als ob er krank wäre. Es wird also wohl nichts passieren, während wir weg sind.«

»Wir wollen eine Streichholzschachtel vor seine Tür legen«, schlug Kalle vor. »Wenn sie noch genauso daliegt, wenn wir nach Hause kommen, dann wissen wir, daß er nicht fort gewesen ist.«

»Mit Hacke und mit Spaten, so ziehn wir fröhlich aus«, sang Anders, als sie eine Weile später die schmale Treppe zur Ruine hinaufeilten.

»Wenn wir jemand treffen, dann sagen wir, daß wir nach Regenwürmern graben wollen«, sagte Kalle.

Aber sie trafen niemand, und die Ruine lag einsam und verlassen da wie immer. Es war kein anderer Laut zu hören als das Summen der Hummeln.