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Plötzlich fiel Anders etwas ein. »Wie in aller Welt sollen wir in den Keller runterkommen? Du hast ja gesagt, daß dort die Juwelen sein müssen, Kalle. Wie bist du damals reingekommen, als du die Perle gefunden hast?«

Das war Kalles großer Augenblick. »Ja, wie pflegt man durch geschlossene Türen zu kommen?« sagte er überlegen und holte den Dietrich hervor.

Das imponierte Anders mehr, als er eigentlich zugeben wollte.

»Kreuzdonnerwetter!« sagte er, und Kalle faßte das als Kompliment auf.

Die Tür drehte sich in ihren Angeln – der Durchgang war frei. Und wie eine Koppel Jagdhunde stürzten Kalle, Anders und Eva-Lotte die Treppe hinunter.

Nachdem sie zwei Stunden gegraben hatten, legte Anders den Spaten fort.

»Ja, jetzt sieht der Fußboden hier wie ein besseres Kartoffel-feld aus. Aber ich habe niemals irgendwo so wenig Diamanten gesehen wie hier. Woran das nun liegen mag!«

»Du kannst doch wohl nicht erwarten, daß wir sie sofort finden!« sagte Kalle. Aber auch er war entmutigt. Sie hatten jeden Zoll des Fußbodens in dem großen Kellerraum, der unter der Treppe lag, umgegraben. Dies war der eigentliche Keller. Aber von da aus zweigten lange, dunkle, zum Teil eingefallene Gänge ab, die in Krypten, Gewölbe und Gefängnishöhlen führten. Diese Gänge sahen nicht so besonders verlockend aus, aber es war natürlich möglich, daß Onkel Einar aus reiner Vorsicht seinen Schatz irgendwo weiter hinten im Keller vergraben hatte. Und da konnten sie ein ganzes Jahr danach suchen. Wenn er ihn überhaupt in der Schloßruine versteckt hatte. In Kalle fing leiser Zweifel an zu keimen.

»An welcher Stelle hast du die Perle gefunden?« fragte Eva-Lotte.

»Dort, bei der Treppe«, sagte Kalle. »Aber da haben wir ja alles umgegraben.«

 Eva-Lotte sank gedankenvoll auf die unterste Treppenstufe nieder. Die Steinplatte, die die unterste Treppenstufe bildete, war offenbar nicht befestigt, denn sie wackelte etwas, als sie sich darauf setzte. Eva-Lotte flog wieder hoch.

»Man kann wohl nicht annehmen …« fing sie an und griff mit eifrigen Händen um die Steinplatte. »Sie ist lose, seht doch bloß!«

Zwei Paar Arme kamen ihr zu Hilfe. Die Steinplatte wurde zur Seite geschoben, und eine Menge Mauerasseln krochen schnell nach allen Seiten hin fort.

»Grab hier!« sagte Kalle aufgeregt zu Anders. Anders nahm den Spaten und stieß ihn mit aller Kraft da nieder, wo die Steinplatte gelegen hatte. Etwas leistete Widerstand.

»Das ist natürlich ein Stein«, sagte Anders, und er zitterte etwas, als er seinen Finger hinunterstreckte, um nachzufühlen.

Aber es war kein Stein. Es war … Anders betastete mit erdigen Händen den Gegenstand – es war ein Blechkasten. Er hob ihn auf – es war genau der gleiche wie der Reliquienschrein der Weißen Rose.

Kalle brach das atemlose Schweigen.

»Nu schlägt’s dreizehn«, sagte er. »Er hat unsern Kasten geklaut, der Dieb!«

Anders schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht unsrer. Den habe ich vor einer Weile mit meinen eigenen Händen verschlossen.«

»Aber es ist genau der gleiche«, sagte Eva-Lotte.

»Dann – hat er ihn im Eisengeschäft gekauft, gleichzeitig mit der Taschenlampe«, sagte Kalle. »Sie haben solche Kästen im Eisenwarengeschäft.«

»Ja, da haben wir auch unseren gekauft«, sagte Eva-Lotte.

»Mach ihn auf, bevor ich einen Anfall bekomme«, sagte Kalle.

Anders befühlte den Kasten. Er war verschlossen. »Ob der gleiche Schlüssel für alle diese Blechkästen paßt?« Er riß den Schlüssel hoch, der an einer Schnur um seinen Hals hing.

»Oh«, sagte Eva-Lotte. »Oh!«

Kalle atmete, als ob er zerspringen wollte. Anders steckte den Schlüssel hinein und drehte um. Er paßte.

»Oh«, sagte Eva-Lotte. Und als Anders den Deckel hob: »Nein, nein – das ist ja … das ist ja wie in Tausendundeiner Nacht!«

»Ja, also so sieht das aus – Smaragden und Platin«, sagte Kalle andächtig. Da lag alles genauso, wie es in der Zeitung gestanden hatte. Broschen und Ringe und Armbänder und ein zerris-senes Perlenkollier mit Perlen, ganz genau wie die, die Kalle gefunden hatte.

»Hunderttausend Kronen!« flüsterte Anders. »Junge, das ist beinahe unheimlich!«

Eva-Lotte ließ die Juwelen zwischen ihren Fingern durch-gleiten. Sie nahm ein Armband und zog es über ihren Arm, und sie steckte eine Diamantbrosche an ihr blaues Baumwollkleid.

Sie zog einen Ring über jeden ihrer zehn Finger, und so geschmückt stellte sie sich vor die kleine Luke, durch die die Sonne hereinströmte. Es glänzte und funkelte um sie herum.

»Oh, wie wunderbar! Bin ich nicht wie die Königin von Saba?«

»Wir haben jetzt keine Zeit mehr für so was«, sagte Kalle.

»Wir müssen eiligst von hier weg. Nehmt mal an, Onkel Einar kommt plötzlich auf die Idee, sich hierherzuschleichen und den Schrein auszugraben! Nehmt an, er kommt jetzt gleich! Das wäre ungefähr ebenso angenehm, wie einem bengalischen Tiger zu begegnen, was?«

»Ich würde den Tiger vorziehen«, sagte Anders. »Aber Onkel Einar wagt nicht auszugehen, wie du weißt. Denn Krok und Redig stehen da und lauern ihm auf.«

»Für alle Fälle«, sagte Kalle, »müssen wir sofort zur Polizei.«

»Polizei!« Anders’ Stimme drückte höchstes Mißvergnügen aus. »Du denkst wohl nicht, daß wir die Polizei einmischen wollen, jetzt, wo es gerade interessant wird!«

»Das hier ist kein Krieg der Rosen«, sagte Kalle nüchtern.

»Wir müssen augenblicklich zur Polizei gehen. Die Schurken müssen verhaftet werden, das mußt du doch begreifen!«

Anders kraulte sich hinterm Ohr. »Könnten wir sie nicht in eine Falle locken und dann zur Polizei sagen: Hier, bitte, habt ihr drei prima Banditen, die wir für euch gefangen haben!«

Kalle schüttelte den Kopf. Ach, wie viele Male hatte nicht der Meisterdetektiv Blomquist auf eigene Faust Dutzende von groben Verbrechern unschädlich gemacht! Aber Meisterdetektiv Blomquist war die eine Person und Kalle die andere. Und mitunter war Kalle ein praktischer und verständiger junger Mann.

»Wie du willst!« Anders beugte sich widerwillig der Sach-kenntnis, die Kalle immerhin auf kriminalistischem Gebiet repräsentierte.

»Aber dann«, sagte Eva-Lotte, »wollen wir mit Björk sprechen. Er und niemand anders soll uns helfen. Dann wird er danach vielleicht Wachtmeister!«

Anders betrachtete das Resultat der Ausgrabungen. »Was wollen wir damit machen? Kartoffeln setzen oder alles wieder zuschaufeln?«

Kalle meinte, daß es wohl am klügsten wäre, die Spuren ihres Besuches im Keller notdürftig zu verwischen.

»Aber beeile dich«, sagte er. »Es macht einen ganz nervös, hier zu stehen und einen Blechkasten mit hunderttausend Kronen in den Händen zu halten. Ich will so schnell wie möglich fort von hier.«

»Wie wollen wir es mit dem Kasten machen?« fragte Eva-Lotte.

»Wir können doch nicht ohne weiteres mit ihm angeschleppt kommen. Wo wollen wir ihn verstecken, bis wir mit Björk gesprochen haben?«

Nachdem man eine Weile beratschlagt hatte, wurde bestimmt, daß Anders den kostbaren Kasten ins Hauptquartier der Weißen Rose auf dem Bäckereiboden bringen sollte, während Kalle und Eva-Lotte losgingen, um Schutzmann Björk aufzusuchen.

Anders zog sein Hemd aus und wickelte es um den Kasten.

Nur in Hosen, mit dem Spaten in der Hand und dem in das Hemd eingewickelten Kasten in der anderen, trat er den Rückzug an. »Die glauben sicher, daß ich Regenwürmer ausgegraben habe, wenn ich jemand treffe«, sagte er hoffnungsvoll.

Kalle schlug die Tür zu. »Etwas ist schade«, sagte er.

»Was denn?« fragte Eva-Lotte.

»Daß man nicht sehen kann, was Onkel Einar für ein Gesicht macht, wenn er kommt, um den Kasten zu holen.«