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»Ich weiß etwas«, sagte Kalle. »Wir geben ihn einem der Rötlichen!«

»Was meinst du damit?« fuhr Eva-Lotte auf. »Sollen wir ihn etwa freiwillig an die Roten zurückgeben?«

»Nein«, beruhigte Kalle. »Wir verstecken ihn bei einem von ihnen. Sie sollen ihn eine Zeitlang haben dürfen, ohne es zu wissen. Und wenn sie von ihm nichts wissen, ist es doch genauso, als hätten sie ihn nicht. Und denkt nur, wie wild die werden, wenn wir es ihnen nachher erzählen!«

Anders und Eva-Lotte sahen ein, daß dieser Einfall genial war. Nach einem hinreißenden Wortwechsel über die verschiedenen Möglichkeiten wurde bestimmt, daß der Großmummrich in Sixtus’ Zimmer versteckt werden sollte, und sie beschlossen, sofort dorthin zu gehen, um einen passenden Platz ausfindig zu machen. Schnellstens ließen sie sich am Seil hinunter, und mit Windeseile ging es zum Hauptquartier der Roten in Sixtus’ Garage.

Ziemlich atemlos kamen sie bei der Postdirektorsvilla an. Sixtus, Benka und Jonte saßen im Garten und tranken Fruchtsaft, als die Weißen hineinstürmten. Anders verkündete die frohe Botschaft, daß Eva-Lotte nicht länger den Dienst mit der Waffe verweigere und daß deshalb der Krieg der Rosen erneut ausbre-chen könne.

Die Roten hörten diese Botschaft voll innerer Zufriedenheit.

Eva-Lottes Entschluß, fraulicher zu werden, hatte tiefe Miß-stimmung bei ihnen hervorgerufen, und etwas Langweiligeres als die letzten Tage hatten sie noch nicht erlebt.

Gastfreundlich bot Sixtus den Feinden Platz und Fruchtsaft an. Die Feinde ließen sich dazu nicht zweimal auffordern – aber Anders sagte, listig wie eine Schlange: »Könnten wir den Fruchtsaft nicht oben in deinem Zimmer trinken, Sixtus?«

»Was ist los mit dir, hast du einen Sonnenstich?« fragte ihn sein Gastgeber herzlich. »Oben sitzen, bei dem wunderbaren Wetter?«

Sie tranken den Fruchtsaft draußen in dem wunderbaren Wetter.

»Ich hätte mir gern dein Luftgewehr angesehen«, bat Kalle dann.

Dieses Luftgewehr hing immer an der Wand in Sixtus’ Zimmer und war sein kostbarster Besitz. Er hatte es gezeigt und gezeigt und gezeigt, bis es schon zur Landplage geworden war. Es gab auf der Welt für Kalle nichts Langweiligeres anzusehen als dieses Luftgewehr. Aber jetzt galt es eine gute Sache. Sixtus sprang auf.

»Mein Luftgewehr möchtest du sehen?« fragte er erfreut.

»Natürlich kannst du das!« Und er lief in die Garage und holte es.

»Was ist denn nun los?« sagte Kalle mißmutig, »Hast du das Luftgewehr jetzt in der Garage?«

»Schön, nicht? Ein Glück, daß ich es so schnell zur Hand habe!« sagte Sixtus und begann, Kalle seinen Schatz umständlich zu erklären.

Anders und Eva-Lotte lachten, daß sie beinahe erstickten.

Eva-Lotte sah ein: Wenn sie heute überhaupt noch in Sixtus’ Zimmer kommen wollten, war weibliche List nötig. Sie sah zu Sixtus’ Fenster hoch und meinte unschuldig: »Du hast doch sicher eine prima Aussicht von deinem Fenster – wie?«

»Ja, da kannst du, was du willst, draus sehen«, bestätigte Sixtus stolz.

»Kann ich verstehen«, sagte Eva-Lotte. »Wenn die Bäume dort nicht so hoch wären, könntest du beinahe den Wasserturm sehen.«

»Ich kann doch wohl zum Kuckuck den Wasserturm sehen!« empörte sich Sixtus.

»Ja, beim Kuckuck kann er den Wasserturm sehen«, bestätigte Benka, hilfsbereit wie immer.

»Kann er?« fragte Eva-Lotte. »Das mußt du mir nicht einre-den wollen.«

»Lauter Lügen!« sagten Kalle und Anders mit brennender Überzeugung in den Stimmen. »Er kann den Wasserturm einfach nicht sehen, bestimmt nicht!«

»Bestimmt nicht«, äffte Sixtus nach. »Kommt bloß mit rauf!

Dann will ich euch Wassertürme zeigen, daß euch der Hut hochgeht, ihr blinden Bumsköpfe!« Er ging voran, und alle sechs zogen ins Haus.

Ein großer Hund, der im schattigen Vorraum auf dem Boden lag, sprang hoch und bellte, als sie kamen.

»Gut, gut, Beppo!« sagte Sixtus. »Das hier sind doch nur ein paar minderbegabte Idioten, die den Wasserturm sehen wollen.« Sie stiegen die Treppe empor in Sixtus’ Zimmer, und er führte sie im Triumph an das Fenster.

»Da!« sagte er stolz. »So etwas nenne ich immer noch einen Wasserturm. Ihr könnt das meinetwegen einen Glockenturm oder sonstwie nennen.«

»Das hat gesessen, was?« meinte Jonte.

»Hm, tatsächlich«, sagte Eva-Lotte mit einem verächtlichen Lachen. »Du kannst den Wasserturm sehen. Bist du damit zufrieden?«

»Was meinst du damit?« fragte Sixtus ärgerlich.

»Ooch – ich meine nur so … Denk doch bloß mal an, einen Wasserturm sehen zu können …« Und sie lachte aufreizend.

Anders und Kalle waren an der Aussicht gar nicht interessiert.

Ihre Augen jagten statt dessen rund durch das Zimmer, eifrig nach einem passenden Versteck für den Großmummrich ausspähend.

»Hübsches Zimmer hast du«, sagten sie zu Sixtus, als wären sie nicht schon mehr als hundertmal hier gewesen. Sie kreisten rings um das Zimmer, sie drückten sich an den Wänden und an Sixtus’ Bett herum, und wie zerstreut zogen sie die Schubladen seines Schreibtisches heraus.

Eva-Lotte war eifrig damit beschäftigt, die anderen am Fenster aufzuhalten. Sie zeigte auf alles, was noch irgendwie vom Fenster aus zu erkennen war, und das war nicht wenig.

Auf der Kommode stand Sixtus’ Globus. Anders und Kalle hatten zu gleicher Zeit den gleichen Einfalclass="underline" der Globus, natürlich!

Sie sahen sich in die Augen und nickten dann bekräftigend.

Von früheren Besuchen bei Sixtus wußten sie, daß der Globus in zwei Hälften zu zerlegen war. Sixtus hatte das aus Spaß ab und zu getan, und der Globus war deshalb rund um den Äquator leicht beschädigt. Nach diesem Globus zu urteilen, waren grö-

ßere Teile von Äquatorialafrika noch nicht erforscht – so viele weiße Flecken waren dort.

Natürlich bestand das Risiko, daß Sixtus auf den Einfall kam, seine Weltkugel wieder einmal zu halbieren, und dann den Großmummrich fand, das sahen sowohl Anders als auch Kalle ein. Aber was wäre ein Krieg der Rosen gewesen, wenn man keine Gefahren hätte auf sich nehmen wollen?

»Ich glaube, wir haben nun alles gesehen«, sagte Anders in unbestimmtem Tonfall zu Eva-Lotte, und sie verließ erleichtert ihren Platz am Fenster.

»Ich denke, jetzt haben wir genug Aussichten gehabt. Mehr ist nicht nötig«, sagte Kalle und grinste zufrieden. »Kommt, wir hauen ab!«

»Wow o?« fragte Eva-Lotte neugierig.

»Gog lol o bob u sos« sagte Kalle schnell.

»Fof ei non!« lobte Eva-Lotte.

Sixtus glotzte sie wild und wütend an, als sie wieder zu roren anfingen, wie er es nannte.

»Kommt wieder mal vorbei, wenn ihr mehr Wassertürme sehen wollt«, war schließlich alles, was er sagte.

»Ja, tut das«, sagte Jonte und gönnte ihnen einen überlege-nen Blick aus seinen pfefferbraunen Augen.

»Läusepudel«, meinte Benka zusammenfassend.

Die Weißen Rosen gingen zur Tür. Sie quietschte jämmerlich, als sie sie öffneten.

»Vornehmer Leute Türen quietschen,

sagte die alte Mutter Pietschen …«

deklamierte Anders. »Wie wäre es, wenn du das Gequietsche mal ein wenig schmieren würdest?«

»Wie wäre es, wenn du nach Hause gehen und dir die Decke über den Kopf ziehen würdest?« sprach nun Sixtus in deklamie-rendem Ton.

Die Weißen kehrten in ihr Hauptquartier zurück. Das Versteck war gefunden. Nun galt es zu überlegen, wann und wie der Großmummrich dorthin kommen sollte.

»Wenn der Vollmond um Mitternacht leuchtet«, sagte Anders mit seiner tiefsten Stimme, »dann soll der Großmummrich an seinen neuen Ruheplatz geführt werden. Und hier steht der Mann, der es tun wird!«