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Eva-Lotte und Kalle nickten bestätigend. Es war natürlich ein Punkt mehr für die Weißen, wenn die Überführung des Großmummrichs in Sixtus’ Zimmer geschah, während Sixtus dort lag und schlief.

»Das hört sich gut an«, meinte Eva-Lotte und reichte eine große Pralinenschachtel herum, die sie aus der Kommode geholt hatte. Sie konnte jetzt in Leckerbissen schwelgen, denn sie hatte Massen davon bekommen. Der Redakteur hatte richtig geschrieben: »Die kleine populäre Eva-Lotte kann in diesen Tagen Beweise der Anerkennung von allen Seiten entge-gennehmen. Bekannte und Unbekannte erinnern sich ihrer und senden ihr Geschenke. Bonbons, Schokolade, Spielsachen, Bücher –das ist nur eine kleine Auswahl von all den guten Dingen, die ihr der nette Briefträger Petersson täglich ins Haus trägt.«

»Was machst du aber, wenn Sixtus aufwacht?« fragte Kalle.

Unberührt sah Anders ihn an: »Ich sage, ich wäre gekommen, um ihm Wiegenlieder vorzusingen und um nachzusehen, ob er sich nicht bloßgestrampelt hat.«

»Hihihi«, lachte Kalle. »Hör mal, kleine populäre Eva-Lotte, gib mir noch ein Stück Konfekt! Dann wirst du noch einmal so populär.«

Sie aßen, bis die Schachtel leer war, und machten Pläne für den Abend. Sie begeisterten sich an dem neuen Schlag gegen die Roten. Ja, der Krieg der Rosen war doch eine wundervolle Einrichtung! Schließlich verließen sie das Hauptquartier. Sie mußten noch »auf das Feld«, wie Anders es nannte. Irgendein Stichwort konnte möglicherweise auftauchen. Wenn nicht, fand sich vielleicht die Gelegenheit, ein kleines Scharmützel mit den Roten zu provozieren. Sie ließen sich am Seil hinunter, und Eva-Lotte sagte gedankenlos:

»Ja, ja, der Kindheit glückliche Spiele, der Kindh…«

Sie brach ihren Satz ab und wurde bleich. Ein Stöhnen kam von ihren Lippen, und sie lief schnell davon. An diesem Tag spielte sie nicht mehr.

ELFTES KAPITEL

»Heute nacht wird es passieren!« sagte Anders ein paar Tage später.

Verschiedene Umstände hatten es mit sich gebracht, daß das Unternehmen, den Großmummrich in Sixtus’ Globus zu überführen, etwas aufgeschoben wurde. Erstens mußte man ja den Vollmond abwarten. Vollmond mußte sein. Das war magisch und gut und hatte außerdem den Vorteil, daß man sich in einem Zimmer zurechtfinden konnte, ohne die Taschenlampe zu gebrauchen. Zweitens hatten sie beim Postdirektor in den letzten Tagen Besuch gehabt. Die beiden jungen Tanten von Sixtus waren gekommen.

»Und man kann sich unmöglich in ein Haus wagen, wo aus allen Ecken und Winkeln eine kleine Tante hervorsieht«, sagte Anders, als Kalle ihn fragte, ob es nun etwas werde oder nicht.

»Je mehr Tanten in einem Haus sind, desto größer ist die Möglichkeit, daß eine aufwacht und alles zuschanden schreit, verstehst du?«

»Ja, Tanten können einen sehr leichten Schlaf haben«, bestätigte Kalle.

Sixtus bekam jetzt zu seiner größten Verwunderung häufig unruhige Fragen gestellt, wie es seinen Tanten gehe und wie lange sie noch bleiben wollten. Schließlich wurde er nervös.

»Was soll das ewige Gefrage nach meinen Tanten?« sagte er, als Anders zum zehntenmal davon anfing. »Haben sie dir was getan?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte Anders zahm.

»Na also«, sagte Sixtus. »Ich glaube, sie fahren am Montag wieder ab. Traurig genug. Ich kann sie gut leiden, besonders Tante Ada.« Nach diesem Bescheid getraute sich Anders nicht, wieder zu fragen. Sixtus konnte mißtrauisch werden.

Jetzt aber war Montag. Anders hatte gesehen, wie die Frau Postdirektor mit ihren Schwestern zum Frühzug gegangen war, und heute nacht sollte Vollmond sein.

»Heute nacht wird es passieren!« sagte Anders entschlossen.

Sie saßen in der Laube beim Bäckermeister und aßen frische Schnecken, die Eva-Lotte gerade ihrem schwachen Vater in der Backstube abgeluchst hatte. Vor einer Weile waren die Roten vorbeigezogen. Sie wollten zu ihrem neuen Hauptquartier im Herrenhof. Es waren ja nun dort keine Polizisten mehr. Die Prärie lag wieder friedlich und still. Der Herrenhof war als Un-terschlupf viel zu gut, um aufgegeben zu werden, und die Roten hatten alles, was in der Nähe geschehen war, aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

»Wenn ihr Appetit auf die Rute habt, kommt nur raus zum Herrenhof«, schrie Sixtus, als er bei Bäckermeisters vorbeiging.

Eva-Lotte schüttelte sich. Zum Herrenhof wollte sie nicht hinaus, unter keinen Umständen!

»Puh, bin ich satt!« sagte Kalle, als die Roten verschwunden waren und er seine siebente Schnecke verzehrt hatte.

»Aber ich erst!« sagte Anders und beklopfte seinen Magen.

»Schadet aber nichts, wir haben heute gekochten Schellfisch zu Mittag.«

»Man soll so intelligent werden nach Fisch«, meinte Eva-Lotte.

»Du solltest ruhig mehr gekochten Schellfisch essen, Anders.«

»Kaum«, meinte Anders. »Erst muß ich einmal wissen, wie intelligent ich davon werde und wieviel Fisch ich essen muß.«

»Es kommt natürlich etwas darauf an, wie intelligent man vorher ist«, mischte sich Kalle ein. »Für dich, Anders, reicht sicher ein normalgroßer Walfisch in der Woche ganz bequem aus.«

Als Anders Kalle dreimal um die Laube gejagt hatte und der Frieden wiederhergestellt war, sagte Eva-Lotte: »Ich bin neugierig, ob heute einige neue Gaben im Postkasten liegen. Ich verstehe nicht, was die Menschen sich so denken. In dieser Woche habe ich nur sechs Pfund Schokolade bekommen. Ich werde die Post anrufen und mich beschweren.«

»Rede bitte nicht von Schokolade!« sagte Anders voller Abscheu, und auch Kalle verzog das Gesicht. Sie hatten tapfer gegen die Sturmflut von Süßigkeiten, die über Eva-Lotte herein-gebrochen war, angekämpft, aber jetzt schafften sie es nicht mehr.

Trotzdem kam Eva-Lotte vom Postkasten unten am Zaun mit einem dicken Umschlag in der Hand zurück. Sie riß ihn auf, und da hatte sie tatsächlich eine Tafel Schokolade, eine große, stattliche Tafel Milchschokolade. Kalle und Anders sahen auf die Tafel, als ob es Rizinusöl sei.

»Schrecklich!« stöhnten sie.

»Oho!« Eva-Lotte tat harmlos. »Der Tag kann kommen, wo ihr Borke unter die Schokolade mischen müßt.«

Sie brach die Tafel auseinander und zwang erbarmungslos jedem eine Hälfte auf. Sie nahmen sie entgegen ohne eine Spur von Begeisterung, nur um ihr gefällig zu sein. Gleichgültig stopften sie ihre Schokoladenstücke in die sowieso schon überfüllten Hosentaschen.

»So ist es recht«, lobte Eva-Lotte sie. »Spare in der Zeit, so hast du in der Not.« Den Umschlag warf sie zusammengeknüllt über den Zaun auf die Straße.

»Was machen wir nun?« fragte sie.

»Hört mal, wir radeln los und baden«, sagte Kalle. »Mehr bekommen wir heute doch nicht zu tun.«

»Du hast recht«, meinte Anders. »Wir können wahrhaftig bis zum Abend Waffenstillstand eintreten lassen.«

Zwei Minuten später kam Benka, von Sixtus ausgeschickt, um mit zweckmäßigen Schmähungen die Weißen zum Kampf zu reizen. Aber die Laube war leer. Nur eine kleine Bachstelze saß auf der Schaukel und pickte ein paar Krümel auf.

Um Mitternacht, als der Vollmond leuchtete, schliefen Kalle und Eva-Lotte ruhig in ihren Betten. Nur Anders war wach.

Auch er war in gewohnter Weise zu Bett gegangen. Er brachte höchst kunstvolle Schnarchtöne hervor, damit seine Eltern glaubten, er schlafe. Der Erfolg war, daß seine Mutter ganz beunruhigt an sein Bett kam und ihn fragte:

»Was hast du, Junge, ist dir schlecht?«

»I wo«, sagte Anders und bemühte sich anschließend, nicht ganz so laut zu schnarchen.

Als er endlich das leichte Atmen seiner kleinen Geschwister und die tiefen, gleichmäßigen Atemzüge seiner Eltern hörte, wußte er, daß alles schlief. Er schlich vorsichtig in die Küche.