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Das letzte war an Anders gerichtet, der einen Bleistift hervor-geholt hatte und seinen Namen auf eine glatte Steinwand schreiben wollte.

»Warum denn?« fragte Eva-Lotte. »Wir wollen unsere Namen und das Datum hinschreiben! Das wäre lustig. Vielleicht kommen wir noch mal hierher, wenn wir ganz, ganz alt geworden sind, fünfundzwanzig Jahre oder so. Wäre das nicht lustig, wenn wir dann unsere Namen hier finden würden?«

»Ja, das würde uns an unsere verflossene Jugend erinnern«, sagte Anders.

»Na ja, macht, was ihr wollt«, sagte Onkel Einar.

Kalle bockte ein bißchen. Er wollte erst nicht mitmachen, aber zuletzt besann er sich, und bald standen alle drei Namen in einer zierlichen Linie da: Eva-Lotte Lisander, Anders Bengtsson, Kalle Blomquist.

»Willst du nicht auch deinen Namen hinschreiben?« fragte Eva-Lotte.

»Du kannst vollkommen sicher sein, daß ich das nicht tue«, sagte Onkel Einar. »Im übrigen ist es hier kalt und feucht, und das ist nicht gut für meine alten Knochen. Jetzt gehen wir wieder raus in die Sonne!«

»Und nun noch etwas«, fuhr er fort, als die Tür wieder hinter ihnen zugefallen war. »Wir sind nicht hier gewesen, versteht ihr? Kein Gerede!«

»Was? Dürfen wir nicht davon reden?« fragte Eva-Lotte mißvergnügt.

»Nein, meine schöne junge Dame! Das ist ein Staatsgeheim-nis«, sagte Onkel Einar. »Und vergiß es nicht! Sonst kneife ich dich vielleicht wieder.«

»Das sollst du bloß wagen!« sagte Eva-Lotte.

Die Sonne blendete sie, als sie aus dem dunklen Ruinenge-wölbe heraustraten, und die Wärme erschien ihnen beinahe überwältigend.

»Ob ich versuche, mich ein bißchen beliebt zu machen?«

fragte Onkel Einar. »Soll ich euch zu Limonade und Kuchen in den Konditoreigarten einladen?«

Eva-Lotte nickte gnädig.

»Manchmal machst du ganz vernünftige Vorschläge!«

Sie bekamen einen Tisch ganz dicht am Geländer unten am Fluß. Man konnte den kleinen Fischen, die hungrig ange-schwommen kamen und sich bis an die Oberfläche stellten, Brotkrumen zuwerfen. Einige Linden gaben einen angenehmen Schatten. Und als Onkel Einar eine große Platte mit Kuchen und drei Flaschen Saft bestellte, fing sogar Kalle an, seine Anwesenheit in der Stadt ganz erträglich zu finden.

Onkel Einar schaukelte auf dem Stuhl, warf den Fischen einige Brotkrumen zu, trommelte mit den Fingern auf dem Tisch und pfiff ein bißchen. Und dann sagte er: »Eßt, soviel ihr reinkriegen könnt, aber beeilt euch! Wir können nicht den ganzen Tag hier sitzen.«

»Wie komisch er ist«, dachte Kalle. »Er will niemals lange bei einer Sache bleiben.«

Und er war immer mehr davon überzeugt, daß Onkel Einar eine unruhige Natur war. Er selbst hätte wer weiß wie lange hier im Konditoreigarten sitzen mögen und den Kuchen genießen und die lustigen Fische und die Sonne und die Musik. Er konnte nicht verstehen, daß ein Mensch es so eilig haben konnte, von hier wegzukommen.

Onkel Einar sah auf seine Uhr.

»Um diese Zeit muß wohl schon die ›Stockholmer Zeitung‹ gekommen sein«, sagte er. »Du, Kalle, du bist jung und gesund, lauf zum Kiosk und hole eine für mich!«

»Klar, daß gerade ich laufen soll«, dachte Kalle.

»Anders ist bedeutend jünger und gesünder«, sagte er.

»Wirklich?«

»Ja, er ist fünf Tage später als ich geboren. Wenn er auch natürlich nicht so dienstbereit ist wie ich«, sagte Kalle und fing die Krone auf, die Onkel Einar ihm zuwarf.

»Aber dann will ich wenigstens ein bißchen reingucken«, sagte er für sich, als er die Zeitung bekommen hatte. »Zum mindesten auf die Überschriften. Und die Bildgeschichten.« Es war ungefähr wie immer. Erst eine ganze Menge von den Atombomben und dann ein Haufen Politik, was keinen Menschen interessieren konnte. Und »Zusammenstoß zwischen Autobus und Zug«, »Roher Überfall auf einen alten Mann«, »Wütende Kuh verursacht Panik«, und »Großer Juwelendiebstahl«. Nichts besonders Spannendes, entschied Kalle.

Aber Onkel Einar griff eifrig nach der Zeitung. Er blätterte sie schnell durch, bis er zu der Seite kam, wo die letzten Neuigkeiten standen. Dort vertiefte er sich in einen Artikel, so daß er nicht hörte, als Eva-Lotte fragte, ob sie noch ein Stück Kuchen nehmen dürfe.

»Was kann das sein, was ihn so furchtbar interessiert?« dachte Kalle. Er hätte sich gern hinter ihn gestellt, aber er war nicht sicher, ob Onkel Einar das gefallen würde. Offenbar war es nur eine Sache, die er las, denn er ließ schnell die Zeitung fallen und ließ sie liegen, als sie bald danach die Konditorei verließen.

Auf der Hauptstraße ging Schutzmann Björk.

»Hallo, Onkel Björk!« rief Eva-Lotte.

»Hallo«, sagte der Schutzmann und legte die Hand an die Mütze. »Bist du noch nirgends runtergefallen und hast dir das Genick gebrochen?«

»Noch nicht ganz«, sagte Eva-Lotte. »Aber morgen will ich auf den Aussichtsturm im Stadtpark klettern, vielleicht wird es da was. Natürlich, wenn Sie nicht kommen und mich runterholen.«

»Ich will es versuchen«, sagte der Schutzmann.

Onkel Einar kniff Eva-Lotte ins Ohr.

»Soso, du bist mit der Polizeimacht liiert«, sagte er.

»Ach, laß das doch sein«, sagte Eva-Lotte. »Ist er übrigens nicht zum Sterben schick?«

»Wer? Ich?«

»Nein«, sagte Eva-Lotte. »Schutzmann Björk natürlich!«

Vor einem Eisenwarengeschäft blieb Onkel Einar stehen.

»Auf Wiedersehen so lange, Kinder«, sagte er. »Ich gehe mal hier rein.«

»Schön«, sagte Eva-Lotte, als er verschwunden war.

»Ja, denn wenn er uns auch mit Kuchen traktiert, was Richtiges wird es doch nicht, wenn er sich die ganze Zeit an uns hängt«, sagte Anders.

Dann vergnügten sich Anders und Eva-Lotte damit, sich auf die Brücke zu stellen und zu sehen, wer am weitesten in den Fluß spucken konnte. Kalle beteiligte sich nicht. Es fiel ihm plötzlich ein, ob er rauskriegen könnte, was Onkel Einar im Eisenwarengeschäft kaufen wollte.

»Die reine Routinearbeit«, sagte er sich. »Aber man kann eine ganze Menge über einen Menschen erfahren, wenn man weiß, was er in Eisenwarengeschäften kauft. Wenn er ein elek-trisches Bügeleisen kauft«, dachte Kalle, »dann ist er eine häusliche Natur, und wenn er einen Schlitten kauft – ja, wenn er einen Schlitten kauft, dann ist er nicht richtig bei Troste! Bei den augenblicklichen Schneeverhältnissen dürfte er wirklich wenig Nutzen davon haben. Aber ich könnte Gift drauf nehmen, daß es kein Schlitten ist, den er da kaufen will.«

Kalle stellte sich an das Schaufenster und sah in den Laden. Da drinnen stand Onkel Einar. Der Verkäufer war gerade dabei, etwas zu zeigen. Kalle legte die Hand über die Augen und versuchte zu sehen, was es war. Es war – es war eine Taschenlampe!

Kalle dachte nach, daß es nur so krachte. Wozu brauchte Onkel Einar eine Taschenlampe? Mitten im Sommer, wo es beinahe die ganze Nacht über hell war! Erst einen Dietrich und dann eine Taschenlampe! Was war es sonst, wenn nicht im höchsten Grade mystisch? Onkel Einar war eine im höchsten Grade mystische Person, entschied Kalle. Und er, Kalle Blomquist, war nicht der, der mystische Personen ohne Überwa-chung herumlaufen ließ. Onkel Einar würde sofort unter Kalle Blomquists besondere Aufsicht gestellt werden.

Plötzlich fiel ihm etwas ein. Die Zeitung! Wenn eine mystische Person so auffallend an etwas interessiert ist, was in der Zeitung steht, so ist auch das mystisch und bedarf näherer Untersuchung. Die reine Routinearbeit!

Er lief zurück in den Konditoreigarten. Die Zeitung lag noch auf dem Tisch. Kalle nahm sie und steckte sie unter sein Hemd.

Er wollte sie aufheben. Selbst wenn er jetzt nicht herauskriegen konnte, was Onkel Einar so eifrig gelesen hatte, dann konnte sie später vielleicht einen Hinweis geben.