Выбрать главу

Anders schüttelte den Kopf: »Nein, Beppo hat alles bekommen! Ich habe nur abgeleckt, was an meinem Finger klebte.«

»Ja, aber dann in deiner Hosentasche? Kann dort nichts kleben?«

»Oh! Mutter hat diese Hosen gestern gewaschen!« sagte Anders.

»Schade«, seufzte der Kommissar. Er schwieg eine Weile.

Dann aber sah er Anders durchdringend an: »Da ist noch etwas, was ich gerade überlege. Du hattest etwas in der Küche des Postdirektors zu tun in der Nacht zu gestern, sagtest du. Du bist durch das Fenster geklettert, als alles schlief. Für einen alten Polizeimann klingt das ziemlich beunruhigend. Dürfte man einmal ganz genau wissen, was du dort zu tun hattest?«

»Na ja … also …« sagte Anders und wand sich.

»Na …« sagte der Kommissar.

»Da war also der Großmummrich …«

»Sachte, sachte, sag mir nur nicht, der Großmummrich habe wieder damit etwas zu tun«, bat der Kommissar bewegt. »Dieser Großmummrich fängt an, mir unheimlich zu werden, tatsächlich. Immer, wenn etwas passiert, dann taucht er auf.«

»Ich wollte ihn doch nur bei Sixtus in den Globus legen«, sagte Anders entschuldigend.

Kalle unterbrach ihn mit einem Pfiff. »Der Großmummrich!« schrie er auf. »Auf ihm klebt vielleicht Schokolade! Anders hat ihn doch in den Schokoladenkloß, den er in der Tasche hatte, gedrückt!«

Über das Gesicht des Kommissars legte sich ein Lachen.

»Ich glaube, es wird Zeit, daß sich der Herr Großmummrich der Polizei zur Verfügung stellt«, sagte er.

Und so bekam der Großmummrich noch einmal Polizeige-leit. Schutzmann Björk begab sich eilig zur Villa des Postdirektors, und in seinem Kielwasser folgten ihm Kalle und Anders.

»Der Großmummrich wird auf diese Weise reichlich verwöhnt«, sagte Kalle. »Nächstens verlangt er noch berittene Polizei zur Begleitung, wenn er mal verlegt wird.«

Mit der Entdeckung, daß es Anders gewesen war, der, ohne es zu wissen, Beppo vergiftet hatte, mußte auch das Geheimnis des Großmummrich im Globus preisgegeben werden. Sie mußten ja jetzt Sixtus alles erzählen, und das bedeutete, daß er das Kleinod sofort mit Beschlag belegen würde – wenn nicht die Polizei mitkommen und es unter ihren Schutz stellen würde.

Und wie betrüblich die Angelegenheit vorher für Eva-Lotte und Beppo auch gewesen war, so konnten Anders und Kalle doch nicht unterlassen, die Abholung des Großmummrich durch die Polizei als eine Art Triumphzug zu betrachten.

»Übrigens ist der Großmummrich ein Lebensretter«, sagte Kalle. »Denn wenn du, Anders, ihn nicht in den Globus gelegt hättest, hätte Beppo nie die Schokolade bekommen. Und wenn Beppo die Schokolade nicht bekommen hätte, wäre sicher etwas viel Schlimmeres damit passiert. Und es ist nicht sicher, ob alle Arsen so gut vertragen wie Beppo.« Das fanden Björk und Anders auch.

»Der Großmummrich ist eine ziemlich beachtliche Person«, sagte Björk und öffnete die Gartentür beim Postdirektor.

Beppo lag in einem Korb auf der Veranda, noch schwach, aber unleugbar lebendig. Sixtus saß neben ihm und sah ihn lie-bevoll an. Als er jemand kommen hörte, sah er auf, und seine Augen wurden rund vor Staunen.

»Guten Tag, Sixtus«, sagte Schutzmann Björk. »Ich komme, um den Großmummrich zu holen.«

FÜNFZEHNTES KAPITEL

Wie schnell wird ein Mord vergessen? Ach, das dauert nicht allzu lange! Die Menschen reden eine Zeitlang davon, reden und rätseln, regen sich auf und schaudern und werfen der Polizei vor, nichts zu tun. Und dann hört es auf, interessant zu sein, und sie regen sich über andere Dinge auf, die Menschen.

Zuallererst vergessen natürlich die Kinder, die Kriege zwischen Rosen führen, die Eroberer des Großmummrich. Man hat viel zu tun. Man hat anderes zu denken. Wer hat gesagt, daß Sommerferien lang sind? Falsch! Vollkommen falsch! Sommerferien sind so besorgniserregend, so unbarmherzig kurz, zum Weinen kurz. Einer nach dem anderen laufen die goldenen Tage weg. Es gilt, jede Stunde auszunutzen. Da kann man die letzte sonnengetränkte Woche der Sommerferien nicht durch die Gedanken an düstere Gewalttat verdunkeln lassen.

Die Mütter aber vergessen nicht so schnell. Sie halten ihre hellhaarige Tochter eine Weile im Haus, sie wagen nicht, sie aus den Augen zu lassen. Unruhig spähen sie aus dem Fenster, wenn sie ihre Söhne nicht in der Nähe toben hören. Ab und zu laufen sie aus dem Haus, um nachzusehen, ob ihren Lieblingen nichts geschehen ist. Aber schließlich schaffen sie es nicht mehr, sich zu beunruhigen. Auch sie müssen an andere Dinge denken.

Und die beaufsichtigten Kinder begeben sich wieder mit tiefen Seufzern der Erleichterung an ihre gewohnten Spielplätze und Schlachtfelder, die ihnen eine Zeitlang verboten gewesen waren.

Der Großmummrich war noch nicht von der gerichtschemi-schen Untersuchung in Stockholm zurückgekommen. Der Un-tersuchungsbescheid aber war bereits hier: Die äußerst winzigen Schokoladenmengen, die am Großmummrich gefunden worden waren, hatten tatsächlich Spuren von Arsenik gezeigt, und Kalles Schokolade enthielt auch Arsen. Hätte Eva-Lotte die Tafel allein aufgegessen, sie hätte wenig Aussicht gehabt weiterzule-ben.

Eva-Lotte wußte um das Attentat auf sie. Es wäre unmöglich gewesen, ihr etwas zu verheimlichen, wovon alle Zeitungen be-richteten. Außerdem hielt der Kriminalkommissar es für seine Pflicht, sie zu warnen. Gewiß war der Strom von Gaben und Leckereien nach dringender Ermahnung in der Presse abgestoppt worden; aber Eva-Lotte mußte sich doch in acht nehmen. Für einen gewalttätigen Menschen gab es sicher noch andere Wege, ihr zu schaden. Und deshalb hatte der Kommissar Eva-Lotte alles über die vergiftete Schokolade erzählt.

Wenn er gefürchtet hatte, Eva-Lotte würde erneut einen Schock erleiden, so hatte er sich, Gott sei Dank, geirrt. Eva-Lotte erlitt nicht den geringsten Schock. Sie wurde nur wütend, so wütend, daß sie knisterte.

»Beppo hätte ja sterben können«, schrie sie. »Eine Gemeinheit, beinahe einen unschuldigen Hund zu töten, der niemand etwas getan hat!« In Eva-Lottes Augen war das eine Freveltat, die alles übertraf.

Eine armselige Woche lang waren die Sommerferien nur noch.

Alle Ritter der Weißen und Roten Rose waren sich einig, die kurze Gnadenfrist mußte zu etwas Besserem verwendet werden, als über vergangene Dinge, die nicht zu ändern waren, nachzu-grübeln.

Beppo war wieder ganz gesund. Und Sixtus, der bisher, wie festgeklebt, nicht von seiner Seite gewichen war, wurde wieder von seiner alten Betriebsamkeit ergriffen. Aufs neue rief er seine Truppen unter die Fahnen. Sie versammelten sich in seiner Garage und schmiedeten neue Pläne. Denn nun war die Zeit der Rache gekommen. Jetzt sollte abgerechnet werden für den Großmummrich im Globus und für ähnliche Bosheiten. Daß Anders beinahe Beppo vergiftet hatte, gehörte nicht dazu. Das hatte Sixtus ihm bereits von ganzem Herzen vergeben, und Anders hatte in ganz rührender Weise Anteil genommen an Beppos Krankheit.

Lange vor der Ära des Großmummrich hatten schon Kriege zwischen Roten und Weißen Rosen getobt. Und wenn auch der Großmummrich mit all den magischen Eigenschaften, die man ihm zuschrieb, ein unübertroffenes Kriegsobjekt war, so gab es doch noch andere Kostbarkeiten, die man dem Gegner rauben konnte. Da hatten die Weißen zum Beispiel die Stahlkassette, angefüllt mit geheimen Dokumenten. Anders fand, daß man ohne große Gefahr diese Kassette in der Kommode auf dem Bäckereiboden aufbewahren konnte. Das konnte man sicher auch – zu normalen Zeiten. Jetzt aber, wo der Großmummrich auf einer Dienstreise war, kam Sixtus auf den Gedanken, daß die Kassette der Weißen Rosen eine ganz außerordentliche Kostbarkeit sei, die geraubt werden mußte, und wenn die Roten Rosen bis zum letzten Mann dafür kämpfen mußten. Benka und Jonte stimmten sofort zu, und selten waren sich zwei Jungen so einig, bis zum letzten Mann zu kämpfen. Nachdem der heroi-sche Entschluß durch heilige Eide bekräftigt worden war, ging Sixtus abends in aller Ruhe in das Hauptquartier der Weißen Rosen und nahm auf dem Bäckereiboden die Kassette an sich.