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Meisterdetektiv Blomquist ging nach Hause und goß die Erdbeeren, sehr zufrieden mit sich selbst.

DRITTES KAPITEL

»Etwas muß geschehen«, sagte Anders. »Wir können nicht den ganzen Sommer rumlaufen und die Beine hinter uns nachzie-hen. Was wollen wir anfangen?« Er fuhr mit den Fingern durch sein dickes schwarzes Haar und sah nachdenklich aus.

»Fünf Öre für den, der eine Idee ausheckt«, sagte Eva-Lotte.

»Zirkus«, sagte Kalle zögernd. »Wie wäre es, wenn wir einen Zirkus aufmachten?«

Eva-Lotte sprang vom Schaukelbrett runter.

»Die fünf Öre sind dein! Wir wollen sofort anfangen!«

»Aber wo soll er stattfinden?« fragte Anders.

»In unserem Garten – wo denn sonst!« entschied Eva-Lotte.

Ja, Bäckermeisters Garten war für alles zu gebrauchen, warum sollte man keinen Zirkus da aufmachen können? Der ge-pflegtere Teil des Gartens mit prunkenden Rabatten und ge-harkten Wegen breitete sich vor dem Wohnhaus aus. Aber hinter dem Hause, wo der Garten bis zum Fluß hinunterging, be-durfte er keiner Instandhaltung. Und hier war er ein idealer Platz für alle Arten von Spielen. Da war ein Rasenplatz mit kurzem Gras, der sich ausgezeichnet für Fußball und Krocket und alle möglichen anderen Sportübungen eignete.

Ganz in der Nähe lag die Bäckerei. Der wunderbare Duft von frisch gebackenem Brot schwebte daher beständig über diesem Teil des Gartens und mischte sich auf eine besonders angenehme Art mit dem Duft des Flieders. Wenn man sich beharrlich in der Nähe der Bäckerei aufhielt, konnte es passieren, daß Eva Lottes Vater seinen weißbemützten Kopf durch das offene Fenster steckte und fragte, ob man eine frische Schnecke oder ein Stück Wiener Brot haben wollte.

Weiter unter am Fluß wuchsen ein paar alte Ulmen, die vorzüglich zum Herumklettern geeignet waren. Man konnte sogar ohne Schwierigkeit bis in die Wipfel hinaufklettern, und von da aus hatte man eine wunderbare Aussicht über die ganze Stadt.

Man konnte den Fluß sehen, der sich wie ein silbernes Band zwischen alten Häusern schlängelte, man konnte die Gärten und die kleine, altertümliche Holzkirche sehen und ganz weit weg das Hochplateau mit der Schloßruine.

Der Fluß bildete eine natürliche Grenze für den Garten. Eine knorrige Weide streckte sich weit über das Wasser. Man konnte oben in der Weide sitzen und angeln. Eva-Lotte und Anders und Kalle taten das oft. Wenn auch Eva-Lotte natürlich immer den besten Sitzplatz hatte.

»Der Zirkus muß vor der Bäckerei sein«, sagte Eva-Lotte.

»Vor dem Giebel!«

Kalle und Anders nickten zustimmend.

»Wir müssen uns eine Persenning borgen«, sagte Anders.

»Wir müssen den Platz einzäunen und Bänke für die Zuschauer aufstellen. Dann ist alles fertig.«

»Wie wäre es, wenn wir auch ein paar Zirkusnummern ein-

üben würden?« fragte Kalle sarkastisch. »Du, Anders, brauchst dich natürlich nur zu zeigen, damit die Leute finden, sie hätten was für ihr Geld bekommen; du brauchst dir also keine besonderen Clownnummern einzuüben. Aber wir müssen wohl auch ein bißchen Akrobatenkunststücke zeigen oder so was Ähnliches.«

»Ich werde reiten«, sagte Eva-Lotte eifrig. »Ich werde mir unser Brotwagenpferd ausleihen. Das wird wunderbar!« Sie warf den noch nicht vorhandenen Zuschauern Kußhände zu.

»Kunstreiterin Eva-Charlotte, könnt ihr mich nicht sehen?«

fragte sie.

Kalle und Anders betrachteten sie mit anbetenden Blicken.

Ja, sie konnten sie sehr gut sehen.

Mit Leib und Seele gingen die Zirkuskünstler ans Werk. Der von Eva-Lotte vorgeschlagene Platz war ohne Zweifel der beste, der sich finden ließ. Der südliche Giebel der Bäckerei bildete einen geeigneten Hintergrund für die Künstlernummern. Der feste, grasbewachsene Platz davor reichte sowohl für eine Arena als auch für die Zuschauer. Das einzige, was man brauchte, war ein Zelttuch, das die Arena von den Zuschauern abschloß und das man zur Seite ziehen konnte, wenn die Vorstellung anfing.

Mehr Sorgen bereitete ihnen das Problem mit dem Umkleide-raum für die Künstler. Aber Eva-Lottes flinkes Gehirn hatte eine Lösung gefunden. Über der Bäckerei war ein Bodenraum.

Durch eine große Luke an dem südlichen Giebel konnte man Waren in diesen Bodenraum hineinbefördern, ohne daß man eine Treppe brauchte.

»Und wenn man etwas reinbefördern kann, dann kann man auch etwas rausbefördern«, sagte Eva-Lotte. »Und das, was rauskommt, das sind wir. Wir machen oben einen Strick fest, und jedesmal, wenn wir dran sind zum Auftreten, kommen wir in den Zirkus runtergerutscht. Wenn die Nummer zu Ende ist, schleichen wir uns vorsichtig raus, ohne daß die Zuschauer es merken, und laufen die Treppe rauf und bleiben auf dem Boden, bis es Zeit ist, wieder runterzurutschen. Das wird kolossal apart, findet ihr nicht?«

»Ja, das wird kolossal apart«, sagte Anders. »Wenn du dann das Pferd dazu kriegen könntest, auch am Strick runterzurutschen, dann wäre es noch kolossal aparter. Aber das scheint etwas schwieriger zu sein. Sicher ist es zahm und gutmütig, aber auch für ein Pferd gibt es Grenzen!«

»Wenn ich reiten soll, muß einer von euch Stallknecht sein und das Pferd durch die Zuschauer hindurch hereinführen und es unter die Luke hinstellen, und dann – bums – komme ich direkt auf seinen Rücken runtergesaust.«

Sie setzten sofort die Vorbereitungen in Gang. Kalle bekam von seinem Vater Persennings geborgt, Anders radelte zu einem Holzplatz etwas außerhalb der Stadt und kaufte einen Sack Sägespäne, die auf die Arena gestreut wurden. Der Strick wurde oben auf dem Boden festgemacht, und die drei Zirkuskünstler übten sich im Rutschen, so daß sie fast alles andere vergaßen.

Mittendrin kam Onkel Einar angeschlendert.

»Denkt bloß, daß er einen ganzen Nachmittag allein fertig werden konnte!« flüsterte Eva-Lotte den Jungen zu.

»Wer von euch läuft für mich mit einem Brief zur Post?« rief Onkel Einar.

Die drei sahen einander an. Niemand hatte eigentlich Lust.

Aber da erwachte Kalles Pflichtgefühl. Onkel Einar war eine mystische Person, und die Korrespondenz mystischer Personen mußte man überwachen.

»Ich gehe!« rief er.

Eva-Lotte und Anders sahen ihn erstaunt an.

»Genau wie ein Pfadfinder, immer bereit«, sagte Onkel Einar.

Kalle nahm den Brief und ging los. Sobald er außer Sehweite war, sah er auf die Adresse.

»Fräulein Lola Hellberg, Stockholm, p. r.«, stand da. »P. r.« bedeutete »poste restante«, das heißt: der Adressat sollte selbst den Brief von der Post holen, das wußte Kalle.

»Dunkel«, dachte er. »Warum kann er nicht an ihre richtige Adresse schreiben?«

Er holte ein Notizbuch aus seiner Hosentasche und schlug es auf. »Verzeichnis über verdächtige Personen« stand oben auf der einen Seite. Das Verzeichnis hatte früher eine ansehnliche Zahl von Personen umfaßt. Aber Kalle hatte sich trauernden Herzens genötigt gesehen, eine nach der anderen zu streichen, nachdem es ihm nicht gelungen war, etwas Verbrecherisches bei ihnen festzustellen. Im Augenblick gab es daher nur eine Person auf der Liste, und das war Onkel Einar. Sein Name war rot un-terstrichen, und darunter stand sehr genau seine Personalbeschreibung. Danach kam eine neue Rubrik: »Besonders verdächtige Umstände«. »Besitzt Dietrich und Taschenlampe«, stand da. Allerdings besaß Kalle selbst eine Taschenlampe, aber das war eine ganz andere Sache.

Mit einiger Mühe fischte er einen Bleistiftstummel aus seiner Tasche, und mit einem Brett als Unterlage schrieb er folgenden Zusatz in sein Notizbuch: »Korrespondiert mit Fräulein Lola Hellberg, Stockholm, p. r.« Dann lief er zum nächsten Briefkasten und war in wenigen Sekunden zurück beim Zirkus »Kalottan«, wie das Zirkusunternehmen nach reiflicher Überlegung getauft worden war.