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»Was bedeutet das?« fragte Onkel Einar.

»Ka für Kalle, Lott für Eva-Lotte und An für Anders, das ist doch klar«, sagte Eva-Lotte. »Im übrigen darfst du nicht zusehen, wenn wir proben.«

»Das ist ein hartes Gebot«, sagte Onkel Einar. »Was soll ich den ganzen Tag anfangen?«

»Geh zum Fluß runter und angle«, schlug Eva-Lotte vor.

»Himmel! Willst du, daß ich einen Nervenzusammenbruch bekomme?«

»Eine sehr unruhige Natur«, dachte Kalle.

Eva-Lotte hatte jedoch kein Erbarmen. Sie jagte Onkel Einar mitleidlos fort. Und die Proben im Zirkus »Kalottan« wurden mit höchster Energie aufgenommen.

Anders war der Stärkste und Geschickteste, und daher war es nicht mehr als recht und billig, daß er Zirkusdirektor wurde.

»Aber etwas will ich auch bestimmen«, sagte Eva-Lotte.

»Du bestimmst, wo es hinpaßt«, sagte Anders. »Bin ich Direktor, dann bin ich es.«

Der Zirkusdirektor hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine wirklich feine Akrobatentruppe zu zeigen, und er zwang Kalle und Eva-Lotte, viele Stunden zu trainieren.

»So!« sagte er schließlich zufrieden, als Eva-Lotte im blauen Gymnastikanzug lachend und aufrecht mit einem Fuß auf seiner und dem anderen Fuß auf Kalles Schulter stand. Die Jungen standen breitbeinig auf dem grünen Schaukelbrett, so daß Eva-Lotte etwas höher zu stehen kam, als sie es selbst gut fand. Aber es wäre ihr lieber gewesen, zu sterben, als zuzugeben, daß sie ein etwas unbehagliches Gefühl in der Magengegend hatte, wenn sie hinuntersah.

»Es wäre mächtig fein, wenn du dich eine Weile auf die Hände stellen könntest«, preßte Anders hervor, während er versuchte fest zu stehen. »Das würde Erfolg haben!«

»Es wäre mächtig fein, wenn du auf deinem eigenen Kopf sitzen könntest«, sagte Eva-Lotte kurz. »Das würde noch mehr Erfolg haben.«

Da ertönte durch den Garten ein furchtbares Geheul, ein unmenschlicher Laut wie von einem Wesen in höchster Not.

Eva-Lotte stieß einen Schrei aus und tat einen lebensgefährli-chen Sprung auf die Erde.

»Was ist das?« fragte Eva-Lotte.

Alle drei stürzten aus dem Zirkus. Einen Augenblick später kam ein graues Knäuel auf sie losgefahren. Es war das Knäuel, das die schrecklichen Töne ausstieß. Und das Knäuel war Tusse, Eva-Lottes Katze.

»Tusse, o Tusse, was ist denn?« keuchte Eva-Lotte. Sie nahm die Katze, ohne sich darum zu kümmern, daß sie kratzte und biß.

»Oh«, sagte Eva-Lotte, »jemand hat … Oh, das ist schändlich!

Jemand hat ihr das hier angebunden, um sie zu Tode zu erschrecken.«

An dem Schwanz der Katze war eine Schnur festgebunden, und an der Schnur hing eine Blechdose, die bei jedem Sprung furchtbar klapperte. Eva-Lotte strömten die Tränen herunter.

»Wenn ich wüßte, wer das gemacht hat, dem würde ich …«

Sie blickte auf. Zwei Schritte von ihr stand Onkel Einar. Er lachte vergnügt.

»Ach, ach«, sagte er, »das war das Komischste, was ich je in meinem Leben gesehen habe.«

Eva-Lotte stürzte auf ihn zu. »Hast du das getan?«

»Was getan? Du großer Gott, was für Sprünge die Katze machen konnte. Warum hast du die Dose abgemacht?«

Eva-Lotte stieß einen Schrei aus und stürzte sich auf ihn. Sie schlug ihn mit den Fäusten, wo sie nur hinkommen konnte, während die Tränen weiter über ihre Wangen herunterliefen.

»Das ist abscheulich, oh, das ist schändlich! Ich hasse dich!«

Da verstummte das lustige Gewieher. Das Gesicht Onkel Einars machte eine eigentümliche Verwandlung durch. Es bekam einen gehässigen Ausdruck, der Anders und Kalle, die als unbe-wegliche Zuschauer dabeistanden, erschreckte. Er faßte mit einem harten Griff Eva-Lottes Arm und stieß beinahe zischend hervor: »Hör auf, Mädel! Oder ich zerdrücke dir sämtliche Knochen im Leibe!«

Eva-Lotte holte tief und keuchend Atem. Ihre Arme fielen kraftlos unter Onkel Einars hartem Griff herunter. Sie starrte ihn erschrocken an. Er ließ sie los und strich sich etwas verlegen über sein Haar. Dann lachte er und sagte:

»Was fällt uns eigentlich ein? Sind wir in einen Boxkampf geraten, oder was ist sonst los? Ich glaube, du hast die erste Runde gewonnen, Eva-Lotte!«

Eva-Lotte gab keine Antwort. Sie nahm ihre Katze, drehte sich auf der Ferse herum und ging hoch aufgerichtet davon.

VIERTES KAPITEL

Es war Kalle ganz unmöglich zu schlafen, wenn Mücken im Zimmer waren. Jetzt hatte ihn wieder so ein Vieh geweckt.

»Biest«, murmelte er. Er kratzte sich am Kinn, wo die Mücke ihn gestochen hatte. Dann sah er auf die Uhr. Gleich eins. Eine Zeit, da alle anständigen Menschen schlafen sollten.

»Dabei fällt mir ein«, dachte er, »ob der Katzenquäler schläft?« Er tappte zum Fenster hin und schaute hinaus. Es war Licht im Giebelzimmer. »Wenn er etwas mehr schlafen würde, so wäre er vielleicht keine so unruhige Natur«, dachte Kalle.

»Und wenn er nicht eine so unruhige Natur wäre, würde er vielleicht etwas mehr schlafen.«

Es war, als ob Onkel Einar ihn gehört hätte, denn in diesem Augenblick ging das Licht im Giebelzimmer aus. Kalle wollte gerade wieder ins Bett kriechen, als plötzlich etwas eintrat, was ihn die Augen aufsperren ließ. Onkel Einar schaute vorsichtig aus dem offenen Fenster, und als er sich davon überzeugt hatte, daß niemand in der Nähe war, kletterte er auf die Feuerleiter hinaus und stand nach wenigen Augenblicken auf der Erde. Er hielt etwas unter dem einen Arm. Mit raschen Schritten ging er zum Geräteschuppen neben der Bäckerei.

Zuerst standen Kalles Gedanken ganz still, und er war so gelähmt vor Erstaunen, daß er untätig dastand. Aber dann stürzte eine Flut von Gedanken, Vermutungen und Fragen auf ihn ein.

Er zitterte vor Spannung und Glück. Endlich, endlich gab es jemand, der wirklich mystisch war, nicht nur auf den ersten Blick, sondern auch nach eingehenderem Studium. Denn wenn etwas mystisch war, so war es dies: ein erwachsener Mensch, der mitten in der Nacht aus dem Fenster kletterte! Wenn er nicht dunkle Geschäfte vorgehabt hätte, könnte er sich ja der gewöhnlichen Treppe bedient haben! »Schlußsatz Nummer eins«, sagte sich Kalle: »Er will nicht, daß jemand im Hause hören soll, daß er ausgeht. Schlußsatz Nummer zwei: Er hat etwas Unheimliches vor – ach, ach, hier stehe ich wie ein Schaf und tue nichts!«

Kalle sprang in seine Hosen in einer Fahrt, die einem Feuer-wehrmann Ehre gemacht hätte. Er schlich so schnell und so leise wie möglich die Treppe hinunter, während er ein stilles Gebet sprach: »Möchte bloß Mutter mich nicht hören!«

Der Geräteschuppen! Warum war Onkel Einar dahin gegangen? Himmel, wenn er die Absicht hatte, ein Werkzeug zu nehmen, um die Leute damit totzuschlagen! Kalle war sehr geneigt, Onkel Einar als den Mörder zu betrachten, den er so lange gesucht hatte, einen Mr. Hyde, der auf Missetaten ausging, sobald die Dunkelheit sich über die Stadt gesenkt hatte.

Die Tür zum Geräteschuppen war angelehnt. Aber Onkel Einar war verschwunden. Kalle schaute sich unschlüssig nach allen Seiten um. Da! In einiger Entfernung sah er eine dunkle Gestalt, die sich schnell entfernte. Aber dann bog die Gestalt um eine Straßenecke und war außer Sehweite.

Nun kam Fahrt in Kalle. Er galoppierte in der gleichen Richtung los. Hier galt es die größte Eile, wenn man ein schreckliches Verbrechen verhindern wollte! Während er rannte, fiel ihm plötzlich ein: Was konnte er eigentlich machen? Was wollte er zu Onkel Einar sagen, wenn er ihn eingeholt hatte? Oder –wenn nun er, Kalle, es war, der für Onkel Einars Missetat auser-sehen war?

Sollte er zur Polizei gehen? Aber man konnte nicht gut zur Polizei gehen und sagen: »Dieser Mann hier ist mitten in der Nacht aus dem Fenster geklettert! Verhaften Sie ihn!« Es gab kein Gesetz, das jemanden hinderte, die Nächte hindurch zum Fenster hinaus- und hineinzuklettern, wenn er Lust dazu hatte.