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»Wirklich, riesig unvernünftig«, sprach der andere weiter.

»Jaja, ich gebe zu, mein Vorgehen ist etwas ungewöhnlich. Aber war ich nicht dazu gezwungen? Es war sehr wichtig. Ich mußte mich einmal mit Ihnen aussprechen.«

»Nun aber Schluß!« sagte der Professor. »Sie haben sicher zu viele Groschenhefte gelesen. Oder Sie sind nicht richtig klug.«

Der andere lachte, ein trockenes, überlegenes, kurzes Lachen, und begann, auf dem Gras hin und her zu promenieren.

Es war ein großer Mann mit einer guten Figur, wohl in den Vierzigern, und sein Gesicht hätte man schön nennen können, wenn nicht ein unmenschlich harter Zug darin gewesen wäre.

»Es braucht Sie nicht zu interessieren, ob ich klug bin oder nicht«, sagte er. »Mich aber interessiert: Nehmen Sie meinen Vorschlag an?«

»Und das einzige, was mich interessiert, ist, wann und wo ich Ihnen aufs Maul schlagen kann.«

»Ich finde, das sollte er gleich machen«, flüsterte Kalle hinter der Tanne, und Anders nickte zustimmend.

Der Fremde sah den Professor an, als sähe er auf ein kleines unvernünftiges Kind.

»Warum wollen Sie eigentlich hunderttausend Kronen wegwerfen, völlig unnötig wegwerfen?« sagte er. »Ich biete Ihnen für die Formeln hunderttausend – der Preis ist doch wohl mehr als anständig. Dabei brauchen Sie mir die Papiere, falls es Ihr Gewissen zu sehr belastet, nicht einmal selbst in die Hände zu geben. Ein kleiner Hinweis, wo ich sie finde, genügt, und die Auszahlung kann beginnen.«

»Hören Sie, Ingenieur Peters, oder wie zum Teufel Sie sich nennen, Ihr Spatzengehirn hat wohl noch nicht begriffen, daß diese Formeln Eigentum des schwedischen Staates sind.«

Peters zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Niemand braucht zu wissen, daß es Ihre Erfindung ist, die aus dem Lande geht. Verstehen Sie doch, man wird bald auch in anderen Ländern unzerstörbares Leichtmetall herstellen können. Das ist nur noch eine Frage der Zeit. Nur um Zeit zu gewinnen, will ich die Formeln jetzt von Ihnen kaufen.«

»Nun aber Schluß«, sagte der Professor wieder.

Peters’ Augen wurden schmal.

»Ich muß sie haben«, sagte er. »Ich muß Ihre Formeln haben.«

Rasmus hatte bis jetzt stillgesessen, nun aber mischte er sich in das Zwiegespräch. »›Muß haben‹ und ›muß haben‹, so sagt man doch wohl nicht. ›Ich bitte sehr darum‹, sagt man.«

»Ruhig, Rasmus«, sagte der Professor.

Der Ingenieur Peters sah die beiden nachdenklich an.

»Netten kleinen Jungen haben Sie«, meinte er. »Ihn möchten Sie sicher nicht gern verlieren?« Der Professor schwieg.

Voller Abscheu sah er den Mann an, der vor ihm stand. »Wollen wir nicht trotzdem einen kleinen Kuhhandel miteinander machen?« fuhr Peters fort. »Berichten Sie mir, wo sich diese Papiere befinden. Ich schicke einen Mann los und lasse sie holen. Sie bleiben so lange hier, bis ich mich davon überzeugt habe, daß die Dokumente echt sind, und dann sind Sie frei und außerdem um hunderttausend Kronen reicher.«

»Halten Sie den Mund«, sagte der Professor. »Ich will nichts mehr hören.«

»Wie gesagt, um hunderttausend Kronen reicher«, fuhr Peters unberührt fort. »In Ihrem eigenen Interesse rate ich Ihnen, auf meinen Vorschlag einzugehen. Denn wenn Sie das nicht tun …«

Es entstand eine kleine, gehässige Pause.

»Ja, denken Sie doch einmal an, wenn ich es nun nicht tue«, sagte der Professor höhnisch. »Was wird dann?«

Der Schimmer eines Lächelns, eines häßlichen kleinen Lächelns, flog über Peters’ Gesicht. »Dann haben Sie Ihren Sohn zum letztenmal gesehen«, sagte er.

»Sie sind wirklich verrückter, als ich glaubte«, sagte der Professor. »Bilden Sie sich tatsächlich ein, daß mich Ihre kindischen Drohungen erschrecken können?«

»Das werden wir ja sehen. Es wäre jedenfalls gut für Sie, wenn Sie sich an den Gedanken gewöhnen könnten, daß Sie es nicht mit leeren Drohungen zu tun haben.«

»Und für Sie wäre es gut, wenn Sie sich an den Gedanken gewöhnen könnten, daß ich niemals erzählen werde, wo ich meine Papiere aufbewahre.«

Rasmus setzte sich kerzengerade auf seines Vaters Knie hoch und beobachtete Peters.

»Nein, und ich werde auch niemals etwas von den Papieren erzählen«, sagte er triumphierend, »obwohl ich weiß, wo sie sind.« Der Professor zuckte vor Unbehagen zusammen.

»Was redest du da für Dummheiten«, sagte er. »Das weißt du doch gar nicht.«

»Weiß ich nicht?« sagte Rasmus. »Wollen wir wetten?«

»Sei ruhig, du weißt ja nicht einmal, wovon wir sprechen!«

sagte der Professor kurz.

»Natürlich weiß ich das«, trumpfte Rasmus auf, der es nicht leiden mochte, wenn jemand daran zweifelte, daß er einem Gespräch folgen konnte. »Ihr sprecht von den Papieren mit all den vielen kleinen roten Zahlen darauf. Und die Zahlen, sagtest du einmal, seien geheim, so geheim, so geheim, so …«

»Ja, gerade davon haben wir gesprochen«, sagte Peters eifrig.

»Aber wo die Papiere mit den Zahlen sind, das kannst du doch wohl nicht wissen. Dafür bist du doch zu klein!«

Der Professor unterbrach ihn wütend. »Das führt doch zu nichts. Begreifen Sie doch, daß ich aus Sicherheitsgründen jede einzelne Seite der Dokumente in ein Bankfach gelegt habe.«

Rasmus sah seinen Vater vorwurfsvoll an. »Jetzt schwindelst du aber, Vater!« sagte er streng. »Die Papiere sind doch gar nicht in ein, wie du gesagt hast, Bankfach gelegt.«

»Schweig, Rasmus!« schrie der Professor außergewöhnlich heftig.

Kalles Herz klopfte, daß er es bis in den Hals hinauf spürte, und er fuhr sich voller Verzweiflung in die Haare. Anders sah aus, als wolle er am liebsten hinstürzen und den Kleinen am Weiterreden hindern. Aber Rasmus glaubte sicher, noch über die Papiere sprechen zu müssen, zumal es ja aussah, als hätte sein Vater ganz vergessen, wie es gewesen war.

»Die sind ganz bestimmt nicht in einem Bankfach, denn das weiß ich«, sagte er überzeugend. »An dem Abend, Vater, als du dachtest, ich liege in meinem Bett und schlafe, habe ich dich nämlich gesehen. Ich stand auf der Treppe in der Diele, und du stecktest …«

»Schweig, Rasmus!« schrie der Professor noch heftiger.

»Warum schreist du denn so?« fragte Rasmus gekränkt. »Ich werde nicht sagen, wo sie sind.« Dann sah er mitleidig zu Peters.

»Aber ich könnte ihm doch schließlich sagen, ob es ›Feuer‹ ist, oder ›Kohle‹ oder ›Wasser‹ – so macht man es doch!«

Der Professor schüttelte ihn sehr unsanft.

»Wirst du wohl endlich ruhig sein!« schrie er.

»Ja, ja, ja, ich werde«, sagte Rasmus ungeduldig. »Habe ich denn schon etwas gesagt?« Er schob überlegend die Unterlippe vor und dachte nach, dann blieb sein Blick an Peters hängen.

»Also ›Kohle‹ ist es auf keinen Fall«, sagte er. »Und ›Wasser‹

auch nicht!« Triumphierend sah er seinen Vater an.

Eva-Lotte sah sich in ihrem Gefängnis um. In ihrem, ehrlich gesagt, recht netten Gefängnis. Wenn dieser Nicke nicht ein paar dicke Latten über die Fensteröffnung genagelt hätte, die Einbildung, sie sei ein sehnsüchtig erwarteter Gast auf der Insel, wäre vollkommen gewesen. Hatte sie nicht wirklich das allersüßeste kleine Gasthaus nur für sich ganz allein bekommen?

Wie gemütlich: vier Sitzbänke an den Seitenwänden, mit ka-riertem Baumwollstoff bezogen, ein Vorhang über der Wasch-gelegenheit, am Fenster ein kleiner Tisch mit Zeitungen und Büchern für die Unterhaltung des Gastes. Von allen Kidnapperwohnungen auf der Welt war diese sicher die eigentümlichste, dachte Eva-Lotte. Viele Kidnapperwohnungen mit einer solchen Aussicht gab es sicher schon gar nicht. Hinter den auf-genagelten Latten stand das Fenster offen, und durch die Zwischenräume sah man auf eine Sommerlandschaft von überwältigender Schönheit. Der Fjord lag im glitzernden Sonnenschein und hielt kleine grüne Inselchen in seinen blauen Armen. Eva-Lotte holte tief Luft. Denkt nur, jetzt den nadeldünnen Pfad zwischen den Tannen entlang zur Brücke laufen können, kopf-