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»Ist jemand dort?« flüsterte der Professor. »Wer ist da?«

»Ich bin es bloß. Kalle Blomquist.«

Das war ganz leise gesprochen, aber es ließ den Professor vor Aufregung erzittern. Seine Hände krampften sich um das Gitter.

»Kalle Blomquist? Wer – ach so, jaja, jetzt erinnere ich mich.

Gesegneter kleiner Kalle, weißt du etwas von Rasmus?«

»Er ist in einem Häuschen drüben bei Eva-Lotte. Ihm geht es ausgezeichnet.«

»Gott sei Dank!« flüsterte der Professor erleichtert. »Peters sagte, ich hätte Rasmus zum letztenmal gesehen …«

»Herr Professor, ich hole die Polizei!« sagte Kalle.

Der Professor griff sich an die Stirn: »Nein, nein, nicht die Polizei. Wenigstens jetzt noch nicht. Auf keinen Fall! Rasmus ist in größter Gefahr. Ich weiß weder ein noch aus … Ich glaube, dieser Peters meint ernsthaft, was er sagt … Hast du nicht gelesen, daß geraubte Kinder von den Kidnappern umgebracht worden sind, als die Polizei eingriff? Dieser Peters droht … Ich habe Angst um Rasmus … Nein, nein, nicht die Polizei – nicht, bevor ich Rasmus in Sicherheit habe.«

Er packte das Gitter und flüsterte schnelclass="underline" »Das Schlimmste ist: Rasmus weiß, wo ich die Papiere mit den Formeln aufbewahre. Von der Erfindung, wenn du dich erinnerst. Und dieser Peters weiß das. Es wird nicht lange dauern, und er hat Rasmus gezwungen, das Versteck zu verraten.«

»Wo sind sie?« fragte Kalle. »Können Anders und ich sie nicht in Sicherheit bringen?«

»Glaubst du?« Der Professor erregte sich so sehr, daß ihm fast die Stimme fortblieb. »Großer Gott, wenn ihr das wirklich fertigbringen könntet! Ich habe sie … Meint ihr wirklich … Sie stecken hinter …«

Aber Kalle erfuhr das kostbare Geheimnis nicht. Der Professor mußte schweigen, weil hinter ihm die Tür aufging. Noch eine Sekunde, und er hätte sagen können, was er sagen wollte!

Peters aber stand bereits auf der Schwelle. Er hatte eine Petroleumlampe in der Hand. Er grüßte sehr höflich.

»Guten Abend, Herr Professor Rasmusson!« Der Professor schwieg. »Hat Ihnen der verdammte Nicke nicht einmal eine Lampe hiergelassen?« fuhr Peters fort. »Bitte sehr, ich stelle Ihnen natürlich diese hier zur Verfügung.« Freundlich lächelnd stellte er die Petroleumlampe auf den Tisch. Der Professor sagte noch immer kein Wort.

»Ich soll Sie von Rasmus grüßen«, sagte Peters, während er den Docht etwas niedriger schraubte. »Ich glaube fast, ich bin gezwungen, den Kleinen ins Ausland zu schicken.« Der Professor machte eine Bewegung, als wolle er sich auf seinen Quälgeist stürzen, aber Peters wehrte kurz mit der Hand ab.

»Nicke und Blom stehen draußen«, sagte er. »Wenn Sie schlagen wollen, schlagen wir zurück. Und – vergessen Sie nicht: Wir haben Rasmus.«

Der Professor setzte sich auf das Bett und preßte die Hände vors Gesicht. Sie hatten Rasmus! Sie hatten jeden Trumpf in der Hand! Er hatte nur Kalle Blomquist. Blomquist war seine einzige Hoffnung, und er mußte deshalb ruhig bleiben. Er mußte … Er mußte …

Peters ging durch das Zimmer. Dann stellte er sich mit dem Rücken ans Fenster.

»Gute Nacht, mein Freund«, sagte er leichthin. »Sie haben ja noch Zeit, sich die Angelegenheit zu überlegen. Allerdings nicht mehr sehr lange, fürchte ich.«

Draußen preßte sich Kalle fest gegen die Wand. Er konnte Peters’ Stimme hören, als sei er selbst der Angesprochene, und ängstlich versuchte er, etwas auszuweichen. Dabei setzte er seinen Fuß auf einen Grasbüschel – und mit laut vernehmbarem Krach rutschte Meisterdetektiv Blomquist die steile Wand hinunter und knallte, bedeutend schneller als vorgesehen, Anders vor die Füße. Kalle stöhnte, und Anders beugte sich beunruhigt über ihn.

»Hast du dich gestoßen? Tut es weh?«

»Nein, keine Sorge, es ist ein herrliches Gefühl«, versicherte Kalle, noch einmal aufstöhnend. Es blieb ihm aber keine Zeit, an seine blauen Flecke zu denken. Oben vom Haus her war Peters’ Stimme zu hören. Er schrie:

»Nicke! Blom! Wo seid ihr! Durchsucht sofort mit euren Lampen das Gelände unten am Haus! Sofort! Rasch!«

»Du guter Moses«, flüsterte Anders.

»Genau das«, sagte Kalle. »Jetzt können wir uns ganz schön leid tun.«

Bevor sie überhaupt an Flucht denken konnten, begannen die Strahlen der Taschenlampen schon zwischen den Bäumen zu spielen. Jeden Moment konnten sie sich mitten im Lichtke-gel befinden. Es war unangenehm, auch nur daran zu denken!

Nicke und Blom kamen angerast. Kalle und Anders hörten, wie sie sich näherten. Sie wollten weglaufen, aber die Angst lähmte sie. Als Nicke kaum fünfzig Schritte von ihnen entfernt war, drückten sie sich endlich in eine Spalte zwischen zwei großen Steinen. Es war die engste kleine Schlucht, und sie klemmten sich in sie hinein, als wollten sie die Steine ausein-anderpressen. So fühlt man sich sicherlich als armes geplagtes Tier, wenn in der Nähe die Bluthunde keuchen, dachte Kalle verzweifelt.

Und dann waren die Bluthunde über ihnen. Das Scheinwerferlicht flatterte umher, zuckte hierhin und dorthin. Krampfhaft klammerte Kalle und Anders sich aneinander. Sie dachten plötzlich beide an ihre Mütter. Der Mond leuchtete boshaft zwischen die Bäume, gerade als reichten die Lampen noch nicht aus.

»Hierher, Nicke!« schrie Blom. Seine Stimme klang entsetzlich laut und nahe. »Wir wollen einmal zwischen die dichten Tannen dort sehen. Ist jemand hier, so ist er dort.«

»Er kann ja wohl nicht gleichzeitig hier und dort sein«, grunzte Nicke. »Außerdem glaube ich, daß der Chef phantasiert.«

»Das werden wir bald genau wissen«, sagte Blom grimmig.

»Mutter, Mutter, Mutter«, dachte Kalle, »jetzt kommen sie –jetzt ist es mit uns zu Ende – zu Ende für immer …«

Ganz, ganz dicht waren sie nun herangekommen, und für den Bruchteil einer Sekunde leuchtete Nickes Lichtstrahl in das Versteck der Jungen hinein.

Aber manchmal geschehen Wunder.

»Was denn, was denn? Was ist denn mit meiner Taschenlampe?« sagte Nicke. Dank und Preis und Dank und Lob –

Nickes Lampe war erloschen. Und um das Wunder noch vollkommener zu machen, verschwand gleichzeitig der Mond hinter einer großen Wolke. Blom kroch eifrig in allernächster Nähe zwischen dichten Tannen umher. Nicke folgte ihm. Er versuchte, seine Lampe klar zu bekommen.

»Ist jemand hier, so ist er dort«, brummelte er, Bloms Sprache nachahmend, vor sich hin. »Soso, nun geht sie wieder«, fuhr er zufrieden fort und ließ den Lichtstrahl zwischen den Tannen umherhuschen. Es war aber niemand zu finden, und Nicke gab Blom einen Puff in die Seite und sagte: »Na, was hab’

ich gesagt? Der Chef phantasiert. Mit seinen Nerven ist was nicht in Ordnung. Hier findet sich keine Schnauze.«

»Nee, hier ist alles leer«, bestätigte Blom mißlaunig.

»Aber wir gehen noch’n Stück weiter – zur Sicherheit.«

»Jaja«, dachte Kalle, »macht das mal – zur Sicherheit«.

Und wie auf Kommando flitzten er und Anders lautlos die paar Meter, die sie von den Bäumen trennten, und schlüpften unter den allerdichtesten. Die Erfahrung im Krieg der Rosen hatte sie gelehrt, daß es nirgends sicherer ist als in dem Versteck, das gerade untersucht worden ist.

Nicke und Blom kamen schnell zurück. Sie gingen so dicht an den Tannen vorbei, daß Kalle, wenn er die Hand ausgestreckt hätte, von ihnen gestreift worden wäre. Sie gingen auch an der kleinen Mulde zwischen den Steinen vorbei, und Blom leuchtete dort besonders sorgfältig. Aber dort war niemand mehr.