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»Morgen früh nehmen wir das Boot und rudern Rasmus zum Festland«, sagte er. »Dann rufen wir Onkel Björk an, damit die Polizei den Professor rettet. Dann bekommt der Professor seine Geheimpapiere …«

»Und dann sollen die Roten davon zu hören bekommen, daß ihnen die Ohren abfallen«, ergänzte Anders.

»Wo sind die Geheimpapiere übrigens?« fragte Eva-Lotte neugierig.

»Ich habe sie versteckt«, sagte Kalle. »Und ich denke nicht daran zu erzählen, wo.«

»Warum denn?«

»Es ist besser, wenn nur einer das weiß«, sagte Kalle. »Noch sind wir nicht ganz in Sicherheit. Und solange wir das nicht sind, sage ich auch nichts.«

»Ja, und das ist gut so«, sagte Anders. »Morgen werden wir es erfahren. Stellt euch vor, morgen sind wir zu Hause! Das wird sehr schön sein, tatsächlich!«

Rasmus war anderer Meinung.

»Es wäre viel schöner, hier in der Hütte zu sein«, sagte er.

»Ich möchte immer, immer und immer hierbleiben. Einige Tage könnten wir doch noch hierbleiben.«

»Nein, danke bestens«, sagte Eva-Lotte und entsann sich mit einem Schaudern der Minuten im Wald mit Nicke und Blom hinter sich. Es kam darauf an, sobald es hell wurde, schnellstens von der Insel fortzukommen. Jetzt waren sie noch durch die Dunkelheit geschützt. Kam erst der Tag, waren sie vogelfrei.

Nicke hatte doch gesagt, daß er jeden Busch auf der Insel durchsuchen wollte, und Eva-Lotte hatte nicht die geringste Lust zu bleiben, bis er zu Ende gesucht hatte.

Langsam hörte der Regen auf, und das kleine Stück Himmel, das durch die Öffnung in der Hütte sichtbar war, überzog sich mit Sternen.

»Ich brauche noch etwas frische Luft, bevor ich einschlafe«, sagte Anders und kroch hinaus. Kurze Zeit danach rief er die anderen. »Kommt, dann könnt ihr etwas sehen!«

»Du kannst doch wohl im Dunkeln nichts sehen«, rief Eva-Lotte.

»Ich sehe die Sterne«, sagte Anders.

Eva-Lotte und Kalle sahen sich an.

»Er ist doch nicht etwa sentimental geworden?« fragte Kalle beunruhigt. »Es ist besser, wir kümmern uns um ihn.«

Sie zwängten sich durch die enge Öffnung nach draußen.

Rasmus zögerte. Hier in der Hütte war es hell. Kalle und Anders hatten ihre Taschenlampen an die Decke gehängt. Hier war es hell und warm, draußen war es dunkel, und vom Dunkel hatte er genug. Aber er zögerte nicht lange. Wo Eva-Lotte und Kalle waren, da wollte er auch sein. Auf allen vieren kroch er durch die Öffnung. Wie ein kleines Tierchen sah er aus, wie ein Tierchen, das in der Nacht vorsichtig seine Nase aus dem Nest steckt.

Draußen standen sie dicht beieinander und ganz still. Still standen sie unter den Sternen, die dort oben auf einem tief-schwarzen Himmel brannten. Sie hatten kein Verlangen zu reden, standen nur beieinander und horchten in die Dunkelheit hinein. Das dumpfe Säuseln der schlafenden Wälder hatten sie nie zuvor gehört. Es war eine seltsame Melodie, und ihnen war wunderlich zumute.

Rasmus schob seine Hand in Eva-Lottes Hand. Das hier war etwas, was er noch nie erlebt hatte, und es machte ihn froh und ängstlich zugleich. So ängstlich, daß er eine Hand in seiner Hand spüren wollte. Aber plötzlich fühlte er, wie ihm alles gefiel. Ihm gefielen die Wälder, auch wenn es dunkel war und so eigenartig in den Bäumen rauschte, ihm gefielen die kleinen Wellen, die an die Klippen schlugen, und ihm gefielen die Sterne. Die Sterne am allerbesten. Er bog seinen Kopf nach hinten und starrte gerade hinauf zu den freundlichen Sternen. Und er drückte Eva-Lottes Hand und sagte mit träumerischer Stimme:

»Denk nur, wie schön es im Himmel sein muß, wenn er schon auf der Außenseite so schön ist!«

Niemand antwortete. Niemand sagte ein einziges Wort. Nur Eva-Lotte beugte sich zu Rasmus und schlang die Arme um ihn.

So standen sie still.

»Jetzt, Rasmus, sollst du schlafen«, sagte Eva-Lotte endlich.

»Du sollst in einer kleinen Hütte im großen Wald schlafen.

Wird das nicht wunderbar sein?«

»Klar!« sagte Rasmus aus tiefster Überzeugung.

Und als er etwas später zu Eva-Lotte in den Schlafsack gekrochen war und dalag und sich erinnerte, daß er beinahe schon eine Weiße Rose war, seufzte er tief auf vor innerer Zufriedenheit. Er bohrte seine Nase in Eva-Lottes Arm und fühlte, daß er jetzt schlafen wollte. Er würde Vati genau erzählen, wie schön es doch war, nachts in Hütten aus Tannenreisig zu schlafen. Es war jetzt dunkel. Kalle hatte die Taschenlampen ausgelöscht, aber Eva-Lotte war dicht bei ihm, und die freundlichen Sterne dort draußen blinkten sicher weiterhin am Himmel.

»Wie wäre es doch bequem in diesem Schlafsack, wenn du nicht hier liegen und drängeln würdest«, sagte Anders und gab Kalle einen Puff.

Kalle gab den Puff zurück. »Wie traurig, daß wir nicht daran gedacht haben, für dich ein Doppelbett mitzunehmen«, sagte er. »Aber trotzdem gute Nacht!«

Fünf Minuten später schliefen sie alle, tief und sorglos und ohne Angst vor dem kommenden Tag.

ZWÖLFTES KAPITEL

Bald würden sie hier fort sein. In einigen Minuten nur würden sie hier fort sein und diese Insel nie mehr sehen. Kalle wartete einen Augenblick, bevor er in das Boot sprang. Er blickte sich um. Das also war ihre Heimat während einiger unruhiger Tage und Nächte gewesen. Dort war ihre Badeklippe, sie sah so einladend aus im ersten Frühlicht. In der Mulde dort hinten lag die Hütte. Sehen konnte er sie von hier aus nicht, aber er wußte, daß sie dort lag und daß sie leer und verlassen war und ihnen niemals mehr ein Heim sein sollte.

»Kommst du irgendwann einmal?« sagte Eva-Lotte nervös.

»Ich möchte hier wegfahren. Das ist das einzige, was ich will.«

Sie saß auf dem Steuersitz, und Rasmus saß neben ihr. Schneller als jeder andere wollte sie von hier weg. Jede Sekunde war kostbar, das wußte sie. Sie konnte sich gut vorstellen, wie wütend Peters über ihre Flucht sein mußte und daß er das Letzte versuchen würde, sie wieder in seine Hände zu bekommen. Deshalb war Eile nötig, das wußten sie alle, Kalle auch. Mit einem Sprung war er im Boot, wo Anders schon fertig zum Rudern saß.

»Na also dann«, sagte Kalle. »Dann sind wir wohl klar.«

»Ja, wir sind klar«, sagte Anders und begann zu rudern. Aber schnell bremste er wieder ab und machte eine kummervolle Miene. »Es ist nur bloß … na ja, kurz und gut, ich habe meine Taschenlampe vergessen«, sagte er. »Ja, ja, ja, ich weiß, daß ich schlampig bin. Aber es genügen einige Sekunden, dann habe ich sie wieder.«

Er sprang bei der Badeklippe an Land und verschwand.

Sie warteten. Sehr unruhig zuerst. Und nach einem Weilchen außergewöhnlich unruhig. Nur Rasmus saß vollkommen ungerührt da und spielte mit den Fingern im Wasser.

»Wenn er nicht gleich kommt, schreie ich«, sagte Eva-Lotte.

»Sicher hat er ein Vogelnest oder so etwas gefunden«, sagte Kalle bitter. »Du, Rasmus, lauf und sag ihm, das Boot fährt ab!«

Gehorsam kletterte Rasmus aus dem Boot. Sie sahen, wie er mit kurzen kleinen Sprüngen den Felsen emporlief.

Sie warteten. Warteten und warteten und starrten ungeduldig auf den Felsbuckel, wo wohl bald die Verschwundenen auftauchen mußten. Es kam aber niemand. Der Felsen lag öde vor ihnen, als hätte noch nie ein menschlicher Fuß ihn betreten. Ein morgenfrischer Barsch stand dicht am Boot, und es raschelte leise im Schilf am Ufer. Sonst war alles still. Unheilverkündend still, fanden sie plötzlich.

»Um des lieben Friedens willen, was machen die beiden nur?«

fuhr Kalle unruhig auf. »Ich glaube, ich muß hin und nachsehen.«

»Dann gehen wir beide«, sagte Eva-Lotte. »Ich traue mich nicht, hier allein zu sitzen und zu warten.«

Kalle machte das Boot fest, und sie sprangen an Land. Liefen den Felsen hinauf, wie Anders es getan hatte. Und wie Rasmus es getan hatte. Dort lag die Hütte in der Mulde. Kein Mensch war zu sehen, keine Stimme zu hören. Nur diese unheimliche Stille …