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»Ich will es versuchen«, sagte Rasmus Rasmusson. Er hob seine Hand und begann: »Ich schwöre, nun und immerdar eine Weiße Rose zu sein und alle Geheimnisse zu verraten, wo meine Nase nur zu sehen ist, pfui Blase, ja, das schwöre ich.«

»Alle Geheimnisse verraten – ja, das glaube ich ihm sicher«, flüsterte Kalle Eva-Lotte zu. »Ich habe noch nie ein Knäblein gesehen, das so geschickt an seinem eigenen Mund vorbeireden kann wie er.«

»Ja, aber er ist auf jeden Fall in Ordnung!« sagte Eva-Lotte.

Rasmus sah erwartungsvoll seinen Anführer an. Was würde nun noch geschehen?

»Na, du hast es nicht ganz richtig gesagt«, sagte Anders lächelnd. »Aber das macht schließlich nicht viel aus. Rasmus Rasmusson, knie nieder!« Und Rasmus fiel auf dem abgenutzten Fußboden in die Knie. Wie war er glücklich, oh, er hatte Lust, die Bohlen zu streicheln! Bald war dies hier auch sein Hauptquartier!

Der Anführer nahm ein Schwert von der Wand. »Rasmus Rasmusson«, sagte er. »Nachdem du nun der Weißen Rose durch deinen Eid die Treue gelobt hast, schlage ich dich hiermit zum Ritter der Weißen Rose.« Er schlug Rasmus leicht mit dem Holzschwert auf die Schulter, und dann sprang Rasmus freudestrahlend vom Boden auf.

»Ist es nun auch wirklich wahr, daß ich eine Weiße Rose bin?« fragte er.

»Weißer als die meisten«, sagte Kalle.

Im selben Moment flog durch die offene Bodenluke ein Stein. Mit einem Knall landete er auf dem Fußboden. Anders beeilte sich, ihn aufzuheben. »Nachricht vom Feind«, rief er und machte das Papier ab, das um den Stein gewickelt war.

»Was schreiben diese kleinen Rötlichen?« wollte Eva-Lotte wissen.

»Ihr Läusepudel der Weißen Rose!« las Anders. »Alte Papiere hinter alten Bücherregalen hervorkramen, das könnt Ihr wohl, aber den Großmummrich werdet Ihr nie bekommen.

Denn seht, er befindet sich im Haus des großen wilden Tieres, und dessen Name ist GEHEIM. Beißt Euch das große wilde Tier, wenn Ihr verbotener weise Karten spielt, nicht in die Hosen, habt Ihr den höchsten Trumpf für Euch und schon den halben Namen. Dann schreitet suchend durch des Namens Rest besucht das große Tier, wenn Ihr das ganze Rätsel überhaupt versteht – Ihr Läusepudel!«

»Stoßen wir jetzt einen Kriegsschrei aus?« fragte Rasmus voller Hoffnung, als der Chef zu Ende gelesen hatte.

»Noch nicht, erst müssen wir nachdenken«, sagte Eva-Lotte.

»Nachdenken! Worüber?« fragte Anders.

»Ja«, sagte Kalle, »sie lassen merklich nach, die Roten. Gro-

ßes wildes Tier. In Kleinköping gibt es doch wohl keine Löwen, Panther, Gorillas, Elefanten. Die Schafe können sie nicht meinen. Was also bleibt?«

»Pferde, Hunde und Katzen«, sagte Eva-Lotte.

»Bei uns im Garten sind viele Regenwürmer«, ergänzte Rasmus.

»Aber die sind nicht wild und groß schon gar nicht«, meinte Eva-Lotte.

»Pferde können wir auch streichen, bleiben Hunde und Katzen. So leicht ist das Rätsel übrigens gar nicht, finde ich«, sagte Anders nachdenklich.

»Jaja, etwas Gehirn muß man schon haben. Ich jedenfalls kenne keine einzige Katze in ganz Kleinköping, die wild ist«, sagte Eva-Lotte.

»Und damit sind wir bei den Hunden angelangt«, sagte Kalle lachend. »Angestrengt haben sich die Roten wirklich nicht – ich tippe auf Doktor Hallberg!«

Die anderen sahen Kalle verdutzt an. Was meinte er nur?

Wenn Doktor Hallberg auch kein Kinderfreund war – ein gro-

ßes wildes Tier war er ja wohl auch nicht gerade. Plötzlich leuchtete es in Eva-Lottes Augen auf. Sie stieß Anders in die Seite und lachte. »Anders, Anders, wo ist dein Kopf? Ich hab’s!

Er meint nicht Hallberg – er meint – – na?«

Anders runzelte die Stirn, dann lachte auch er: »Ich meine, Kalle meint in Wirklichkeit den Hund, meinst du, Eva-Lotte.«

»Richtig, endlich!« rief Kalle. »Jetzt ist es nur noch ein Kin-derspiel. Der höchste Trumpf: das AS, und wenn wir ihn besu-chen wollen, schreiten wir durch das TOR, das ist der Rest des Namens: ASTOR. Astor ist Doktor Hallbergs Hund.«

»Aber wie in aller Welt haben sie den Großmummrich zu Astor in die Hundehütte legen können?« überlegte Eva-Lotte.

»Sie müssen ihn vorher chloroformiert haben.«

»Wen – den Großmummrich?« fragte Anders gereizt.

»Quatsch, den Astor natürlich!«

Astor war der Schäferhund vom Oberarzt des Krankenhauses, und er war genauso bösartig wie der Oberarzt, und das wollte etwas heißen.

»Die Roten haben sicher aufgepaßt, als Doktor Hallberg den Hund ausgeführt hat«, sagte Kalle.

»Und was machen wir jetzt?« fragte Eva-Lotte.

Sie setzten sich auf den Fußboden und hielten Kriegsrat. Rasmus auch. Seine Augen waren groß wie Teller und die Ohren ganz rot. Jetzt endlich sollten also die Abenteuer beginnen! Anders sah zu Rasmus, und in seinen Augen lag ein Lächeln. Nun hatte Rasmus so lange und so ergeben darauf gewartet, eine Wei-

ße Rose zu werden, konnte man da das Herz haben, es ihm abzu-schlagen? Eigentlich war es ja recht beschwerlich, einen so kleinen Knirps die ganze Zeit am Bein hängen zu haben. Man mußte versuchen, irgendeine Beschäftigung für ihn zu finden, damit man sich in Ruhe mit den Problemen des Rosenkrieges befassen konnte ohne allzu große Einmischung von Ritter Rasmus.

»Du, Rasmus«, sagte Anders. »Sause los zum Krankenhaus und sieh nach, ob Astor in seiner Hütte liegt.«

»Darf ich dann einen Kriegsschrei ausstoßen?« fragte Rasmus.

»Natürlich, das darfst du«, sagte Eva-Lotte. »Sause nur los.«

Und Rasmus sauste. Mehrere Stunden hatte er geübt, an dem Seil hochzuklettern, das die Weißen Rosen gebrauchten, um in ihr Hauptquartier und hinaus zu kommen. Raufklettern konnte er noch nicht, aber runterrutschen, das konnte er. Nun sprang er auf das Seil zu und stieß den wildesten Kriegsruf aus, der jemals durch den Garten des Bäckermeisters geschallt war.

»Schön«, sagte Anders, als er verschwunden war. »Jetzt können wir wenigstens über Sachen und Dinge reden. Zuerst – aus-spionieren, wann Doktor Hallberg mit seinem Astor auf Promenade geht. Das ist deine Aufgabe, Eva-Lotte.«

»Wird geschehen«, sagte Eva-Lotte.

Rasmus trabte zum Krankenhaus. Er wußte den Weg, er hatte Nicke dort schon einmal besucht. Die Villa des Oberarztes lag neben dem Krankenhaus. »Privatbesitz« und »Achtung, bissiger Hund« stand auf den Tafeln, die neben dem Tor, das in den Garten führte, angebracht waren. Aber Rasmus konnte glücklicherweise nicht lesen, und deshalb ging er in den Garten hinein. Astor lag in seiner Hütte. Er knurrte böse, als er Rasmus sah, böse und sehr gefährlich. Rasmus blieb stehen. Er hatte seinen Auftrag, den ihm der Chef gegeben hatte, falsch aufgefaßt. Er glaubte, es wäre seine Pflicht, den Großmummrich in das Hauptquartier zu bringen. Aber wie konnte er es wagen, wenn Astor ihn so unheimlich anknurrte und die Zähne zeigte? Hilfesuchend sah er sich um und bemerkte zu seiner Freude, daß ein Onkel auf ihn zukam. Derselbe Onkel übrigens, der Nicke operiert hatte.

Doktor Hallberg war auf dem Weg zum Krankenhaus, als er den kleinen Ritter der Weißen Rose vor Astors Hütte stehen sah.

Selbstverständlich wußte der Doktor nicht daß er einen Ritter vor sich hatte. Er konnte sehr wütend werden, wenn die Kinder den Astor reizten, und deshalb beschleunigte er seine Schritte, um einzugreifen. Aber Rasmus, der in dem Glauben lebte, daß nicht nur Kidnapper, sondern auch Oberärzte nette Menschen seien, sah bittend zu dem strengen Gesicht hinauf und sagte:

»Hör mal, nimm doch mal deinen Hund da raus, ich will nämlich den Großmummrich holen!« Und als der Doktor nicht sofort tat, worum er gebeten worden war, nahm Rasmus ihn bei der Hand und zog ihn sanft, aber bestimmt zur Hundehütte.