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Es gabzweierlei Kost im Southern Louisiana Penitentiary for Women: Die Häftlinge aßen Haschee, Hotdogs, Bohnen und

ungenießbare Eintöpfe; das Wachpersonal und die Verwaltungsleute speisten Steaks, frische Fische, Geflügel, Frischgemüse, Obst und verführerische Desserts. Ihre Mahlzeiten wurden von ausgebildeten Köchen zubereitet. Die Gefangenen, die in der Küche arbeiteten, kamen an diese Verpflegung heran, und sie nutzten es weidlich.

Als sich Tracy in der Küche meldete, überraschte es sie nicht übermäßig, Ernestine Littlechap zu sehen.

Tracy ging zu ihr.»Danke. «Mit einiger Mühe verlieh sie ihrer Stimme einen freundlichen Ton.

Ernestine gabein undefinierbares Knurren von sich.

«Wie hast du mich an Old Iron Pants vorbeigeschleust?«

«Die ist nicht mehr da.«

«Wie kommt's?«

«Wir haben hier unsere Grundsätze. Wenn 'ne Aufseherin zu verbiestert ist und uns das Leben schwermacht, sägen wir sie ab.«

«Du meinst, der Direktor hört auf…«

«Quatsch. Was hat der denn damit zu tun?«

«Wie könnt ihr dann…«

«Ganz einfach. Wenn die Aufseherin, die du absägen willst, Dienst hat, gibt's Knatsch. Manbeschwert sich über sie. ZumBeispiel meldet 'ne Frau, daß Old Iron Pants ihr an die Muschi gefaßt hat. Am nächsten Tag jammert 'ne andere, sie war tierischbrutal. Und dann sagt eine, sie hätte ihr was aus der Zelle geklaut, 'n Radio oder so. Ja, und wo taucht das Radio auf? Natürlich im Zimmer von Old Iron Pants. Und schon ist sie weg. Die Aufseherinnen haben hier nichts zu melden. DieBosse im Knast — das sind wir.«

«Warumbist du hier?«fragte Tracy. Die Antwort interessierte sie nicht. Es ging nur darum, freundschaftlicheBeziehungen zu dieser Frau aufzubauen.

«Reines Pech. Ich hatte da 'n paar Mädchen. Die haben für mich gearbeitet.«

Tracyblickte Ernestine Littlechap an.»Du meinst, als…?«Sie zögerte.

«Als Nutten?«Ernestine lachte.»Nein. Als Dienstmädchenbei reichen Knackern. Ich habso 'n Stellenvermittlungsbüro aufgemacht. Und ich habmindestens zwanzig Mädchen gehabt. Die reichen Knacker finden ja kaum Personal. Also habich stinkfeine Anzeigen in die Zeitung gesetzt, und wenn sie mich angerufen haben, habich ihnen meine Mädchen geschickt. Die haben sich im Haus umgeschaut, und wenn ihre Leute weg waren — beim Arbeiten oder verreist oder so —, haben sie das Silber und den Schmuck und die Pelze und alles eingesammelt und sind abgehauen. «Ernestine seufzte.»Wir haben Geld gemacht, kann ich dir sagen… also, du würdest mir's echt nicht glauben.«

«Und wie haben sie dich erwischt?«

«War 'n saudummer Zufall. Eins von meinen Mädchen hat im Haus vomBürgermeister Essen serviert, und der hat Gäste gehabt, und da war auch 'ne alte Tante eingeladen, bei der das Mädchen mal gearbeitet hat — und tüchtig abgeräumt, ist ja klar. DieBullen haben sie in die Mangel genommen, und sie hat mich verpfiffen, und deswegenbin ich hier.«

Sie standen allein an einem Herd.

«Ich kann hier nichtbleiben«, flüsterte Tracy.»Ich muß draußen was Dringendes erledigen. Hilfst du mirbeim Abhauen? Ich…«

«Jetzt schneid mal schön Zwiebeln. Heut abend gibt's Irish Stew.«

Und damit ging sie.

Das Informationssystem im Gefängnis war unglaublich. Die Häftlinge wußten alles, was geschehen würde, langebevor es geschah. Gefangene fischten Merkblätter aus dem Müll, hörten Telefongespräche abund lasen die Post des Direktors. Die Informationen wurden koordiniert und an die» wichtigen«

Insassinnen weitergeleitet. Ernestine Littlechap war die Nummer Eins auf der Liste. Tracy merkte, wie das Wachpersonal und die Gefangenen vor Ernestine kuschten. Da die anderen Häftlinge zu dem Schluß gekommen waren, daß Ernestine Tracy unter ihre Fittiche genommen hatte, ließen sie Tracy in Ruhe. Und nun wartete Tracy voll Unbehagen auf die Annäherungsversuche der Schwarzen. Doch Ernestine hielt Distanz. Warum? fragte sich Tracy.

In Paragraph 7 der zehnseitigen Gefängnisordnung, die jeder Fraubei Haftantritt überreicht wurde, hieß es:»Jede Form von geschlechtlicherBetätigung ist streng verboten. Zu keiner Zeit dürfen sich mehr als vier Insassinnen in einer Zelle aufhalten. Zu keiner Zeit darf auf den Pritschen mehr als eine Insassin liegen.«

Die Wirklichkeit war so lächerlich anders, daß die Frauen die Gefängnisordnung nur als» das Witzblatt «bezeichneten. Im Laufe der Wochen verfolgte Tracy mit, wie tagtäglich» Neue «eintrafen. Und es war immer das gleiche. Heterosexuelle Frauen, die zum ersten Mal in Haft waren, hatten keine Chance. Sie kamen schüchtern und furchtsam an, und die Lesben warteten schon auf sie. Das Drama gliederte sich in mehrere, sorgfältig durchplante Akte. In einer kalten und feindseligen Welt war die Lesbe freundlich und mitfühlend. Sie lud ihr zukünftiges Opfer in den Aufenthaltsraum ein. Dort sahen diebeiden fern. Und wenn die Lesbe die Hand der Neuen hielt, ließ es die Neue geschehen, weil sie Angst hatte, ihre einzige Freundin zu kränken. Die Neue merktebald, daß die anderen Frauen sie in Ruhe ließen. Ihre Abhängigkeit von der Lesbe nahm zu, die Intimitäten ebenfalls, bis die Neue schließlichbereit war, alles zu tun, um ihre einzige Freundin nicht zu verlieren.

Wer sich nicht fügte, wurde vergewaltigt. 90 Prozent der Frauen, die neu ins Gefängnis kamen, wurden in den ersten Tagen mehr oder minder direkt zu homosexuellen Aktivitäten

genötigt. Tracy war entsetzt.

«Warum wird das geduldet? Ich meine, von oben?«fragte sie Ernestine.

«Das liegt am System«, erklärte Ernestine.»Und es ist in jedem Gefängnis so. Es geht nicht, daß du zwölfhundert Frauen von ihren Männern trennst und meinst, sie ficken mit niemand. Wir vergewaltigen, okay. Aber da geht's nichtbloß um Sex. Es geht auch um Power. Wir wollen zeigen, wer derBoß ist. Die Neuen, die hier reinkommen, sind Freiwild. Da hilft nur eins: daß sie die Frau von jemand werden. Dann haben sie ihre Ruhe.«

Tracy wußte, daß sie einer Expertin lauschte.

«Aber die Wärterinnen sind genauso übel«, fuhr Ernestine fort.»Sagen wir mal, 'ne Neue kommt hier an und hängt an der Nadel. Sie ist auf Turkey undbraucht 'n Schuß. Sie schwitzt und zittert wie verrückt. Na, und die Aufseherin kann ihr Heroinbesorgen. Aber die will natürlich was dafür, verstehst du? Also leckt die Neue der Aufseherin die Muschi, und sie kriegt ihren Schuß. Die Wärter sind noch übler. Die haben Schlüssel zu den Zellen, und da müssen siebloß in der Nacht reinhuschen und sichbedienen. Kann natürlich sein, daß sie dich anknallen — aber sie können 'ne Menge für dich tun. Wenn du 'ne Nase Koksbrauchst oder so, oder wenn duBesuch von deinem Freund haben willst, läßt du mal schnell den Wärter drüber. Wir nennen das Tauschhandel, gibt's in jedem Gefängnis hier.«

«Das ist ja furchtbar!«

«Kann schon sein, aber irgendwie muß man überleben. «Das Deckenlicht in der Zelle schien auf Ernestines kahl rasierten Schädel.»Weißt du, warum in diesem Knast Kaugummi streng verboten ist?«

«Nein.«

«Weil die Frauen den unauffällig in die Schlösser kleben. Dann sperren die Türen nicht richtig, und in der Nacht können

sie raus aus den Zellen und sichbesuchen. Die Frauen, die hier zurechtkommen, sind vielleicht keine Intelligenzbestien, aber schlau sind sie auf jeden Fall.«

Es gabzahlreiche Liebesaffären im Gefängnis. Und die Regeln waren noch strenger als draußen. Die Rollen von Mann und Frau wurden starr festgelegt und durchgespieltbis ins letzte Detail. Der» Mann «war ein Macho in einer männerlosen Welt. Er änderte seinen Namen. Ernestine hieß Ernie, aus Tessie wurde Tex, ausBarbara wurdeBob, und Katherine war Kelly. Der» Mann «trug die Haare kurz oder rasierte sich den Schädel und verrichtete keine» weiblichen «Arbeiten. Die» Frau «hatte für ihn sauberzumachen, Wäsche zu flicken und zubügeln. Lola und Paulitabuhlten verbissen um Ernestines Gunst und versuchten ständig, einander zu übertreffen.