Ein Fußgänger näherte sich. Tracy wartete, bis er verschwunden war und die Straße verlassen dalag. Dann lief sie zur Haustür und drückte die Klingel. Keine Reaktion. Wahrscheinlich ist er auf einer Faschingsparty, dachte Tracy. Aber ich kann warten. Ich kann warten, bis er nach Hause kommt. Plötzlich ging das Licht auf der Veranda an. Die Tür öffnete sich, und ein Mann stand vor Tracy. Sein Aussehen verblüffte sie. Sie hatte sich eine üble Gestalt vorgestellt, eine Gangstervisage. Stattdessen hatte sie einen attraktiven, kultiviert wirkenden Mann vor sich, den man ohne weiteres für einen Professor hätte halten können. Seine Stimme war leise und freundlich.»Guten Abend. Kann ich Ihnenbehilflich sein?«
«Sind Sie Joseph Romano?«fragte Tracy unsicher.
«Ja. Was kann ich für Sie tun?«Er hatte eine angenehme, verbindliche Art. Kein Wunder, daß sich meine Mutter von ihm
hatblenden lassen, dachte Tracy.
«Ich… ich würde gern mit Ihnen reden, Mr. Romano.«
Er warf einen prüfendenBlick auf ihre Figur.»Bitte, kommen Sie herein.«
Tracy trat in ein Wohnzimmer voll schöner antiker Möbel. Joseph Romano führte ein gutes Leben. Mit dem Geld meiner Mutter, dachte Tracy erbittert.
«Ich wollte mir gerade einen Drink machen. Mögen Sie auch einen?«
«Nein, danke.«
Erbetrachtete sie neugierig.»Weshalbwollten Sie mich sprechen, Miß…«
«Tracy Whitney. Ichbin Doris Whitneys Tochter.«
Er schaute sie einen Moment völlig verständnislos an. Dannbegriff er.»Ach ja. Ich hab's gehört. Das mit Ihrer Mutter, meine ich. Zu dumm.«
Zu dumm! Er trug die Schuld am Tod ihrer Mutter, und sein einziger Kommentar war:»Zu dumm.«
«Mr. Romano, der Staatsanwalt glaubt, daß meine Mutter eineBetrügerin war. Sie wissen, das stimmt nicht. Ich möchte, daß Sie mir helfen, meine Mutter von diesem Verdacht zu entlasten.«
Er lachte.»Im Karneval rede ich nie übers Geschäft. Das verbietet mir meine Religion. «Romano ging zurBar und mixte zwei Drinks.»Ich glaube, Sie fühlen sichbesser, wenn Sie einen Schluck getrunken haben.«
Er ließ ihr keine andere Wahl. Tracy öffnete ihre Handtasche, zog den Revolver heraus und zielte auf Romano.»Ich werde Ihnen sagen, wann ich michbesser fühle, Mr. Romano. Wenn Sie gestehen, was Sie meiner Mutter angetan haben.«
Joseph Romano drehte sich um und sah die Waffe.»Stecken Sie das Schießeisen lieber weg, Miß Whitney. Es könnte losgehen.«
«Es wird losgehen, wenn Sie nicht genau das tun, was ich
Ihnen sage. Sie schreiben jetzt auf einBlatt Papier, wie Sie die Firma ausgeplündert undbankrott gemacht haben. Und wie Sie meine Mutter zum Selbstmord getrieben haben.«
Romanobeobachtete Tracy nun genau, einen wachsamen Ausdruck in den dunklen Augen.»Ich verstehe. Und was ist, wenn ich mich weigere?«
«Dann töte ich Sie. «Tracy spürte, wie der Revolver in ihrer Hand zitterte.
«Sie sehen nicht so aus, als könnten Sie jemand kaltblütig töten, Miß Whitney. «Er ging langsam auf sie zu, einen Drink in der Hand. Seine Stimme klang sanft und einschmeichelnd.»Ich habe nichts mit dem Tod Ihrer Mutter zu tun. Glauben Sie mir, ich…«Er schüttete Tracy den Drink ins Gesicht.
Der Alkoholbrannte Tracy in den Augen, und im nächsten Moment wurde ihr der Revolver aus der Hand geschlagen.
«Ihre Frau Mama hat mir was vorenthalten«, lächelte Joe Romano.»Sie hat mir nicht verraten, daß sie eine geile Tochter hat.«
Er packte Tracybei den Armen. Sie konnte nichts sehen und hatte Angst. Verzweifelt versuchte sie, sich loszureißen, aber er stieß sie gegen die Wand, drückte sich an sie.
«Du hast Courage, Baby. Das gefällt mir. Es macht mich scharf. «Seine Stimme war heiser. Tracy spürte seinen Körper an ihrem. Sie wollte sich wegdrehen, aber er hatte sie so fest im Griff, daß sie hilflos war.
«Du hast ein kleines Abenteuer gesucht, wie? Bei Joebist du da an der richtigen Adresse.«
Sie wollte schreien, aber es ging nicht. Sie konnte nur keuchen.»Lassen Sie mich los!«
Er riß ihr dieBluse auf.»He! Was für tolle Titten«, flüsterte er und kniff sie in dieBrustwarzen.»Wehr dich, Baby«, sagte er leise.»Ich mag das.«
«Lassen Sie mich los!«
Er drückte fester zu, er zwang Tracy zuBoden.
«Dubistbestimmt noch nie von einem richtigen Mann gefickt worden«, grinste er. Jetzt war er über ihr. Sein Körper war schwer, und seine Hände wanderten an ihren Oberschenkeln empor. Tracy schlugblindlings um sich. Daberührten ihre Finger den Revolver, und sie griff danach.
Plötzlich gabes einen ohrenbetäubenden Knall.
Sie hörte Romanos Schrei und spürte, wie sich sein Griff lockerte. Durch rote Schleier vor den Augen sah sie mit kaltem Entsetzen, wie er von ihr abglitt und zuBoden sackte.»Du hast auf mich geschossen, du Miststück. Du hast auf mich geschossen…«
Tracy war wie gelähmt. Ihr wurde schlecht, und die Augen taten ihr höllisch weh. Sie rappelte sich mühsam hoch, wandte sich um, stolperte zu der Tür am anderen Ende des Raumes und stieß sie auf. EinBadezimmer. Sie taumelte ans Waschbecken, ließ kaltes Wasser einlaufen und nahm ein Augenbad, bis der Schmerz halbwegs erträglich war und sie wieder klar sehen konnte. Dann schaute sie in den Spiegel. Ihre Augen warenblutunterlaufen, ihrBlick flackerte unruhig. Mein Gott, ich habe eben einen Mann getötet. Sie rannte ins Wohnzimmer zurück.
Joe Romano lag auf demBoden, und seinBlut färbte den weißen Teppich rot. Tracy stand mit leichenblassem Gesicht neben Romano.»Es tut mir leid«, stammelte sie verwirrt.»Ich wollte Sie nicht…«
«Einen Krankenwagen…«Romanos Atem ging stoßweise.
Tracy eilte zum Telefon, wählte und sprach mit erstickter Stimme in die Muschel.»Bitte schicken Sie sofort einen Krankenwagen. «Sie nannte Romanos Adresse.»Hier liegt ein Mann mit einer Schußwunde.«
Sie hängte ein undblickte auf Joe Romano nieder. Lieber Gott, betete sie, laß ihn nicht sterben. Du weißt, daß ich ihn nicht töten wollte. Sie kniete sich neben Romano, um festzustellen, ober noch lebte. Er hatte die Augen
geschlossen, aber er atmete noch.»Der Krankenwagen ist schon unterwegs«, sagte Tracy.
Dann floh sie.
Siebemühte sich, nicht zu rennen, denn sie wollte kein Aufsehen erregen, zog deshalbauch ihre Jacke um sich, damit man die zerrisseneBluse nicht sah. Vier Straßen von Romanos Haus entfernt versuchte sie, ein Taxi zu kriegen. Sechs fuhren an ihr vorbei. Allebesetzt. Lauter glückliche, lachende Fahrgäste. Von fern hörte Tracy eine Sirene, und Sekunden später raste ein Krankenwagen an ihr vorbei, in die Richtung von Joe Romanos Haus. Ich muß schnell weg von hier, dachte Tracy. Zehn Meter vor ihr hielt ein Taxi amBordstein. Die Fahrgäste stiegen aus. Tracy rannte auf das Taxi zu.»Sind Sie frei?«
«Kommt ganz drauf an. Wo wollen Sie hin?«
«Zum Flughafen. «Tracy hielt den Atem an.
«Steigen Sie ein.«
Auf dem Weg zum Flughafen dachte Tracy nach. Wenn der Krankenwagen zu spät gekommen war… wenn Joe Romano tot war… dann war sie eine Mörderin. Sie hatte den Revolver, der ihre Fingerabdrücke trug, nicht eingesteckt. Aber sie konnte der Polizei sagen, daß Romano versucht hatte, sie zu vergewaltigen, und daß die Waffe aus Versehen losgegangen war — nur würde ihr das niemand glauben. Sie hatte den Revolver gekauft, der neben Joe Romano auf demBoden lag. Sie mußte so rasch wie möglich fort aus New Orleans.
«Na, hat Ihnen der Karneval Spaß gemacht?«fragte der Fahrer.
Tracy schluckte.»Ich… ja. «Sie holte einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche und richtete sich notdürftig her. Was für eine Dummheit von ihr, Romano zu einem Geständnis zwingen zu wollen. Alles war verkehrt gelaufen. Wie sage ich's Charles? Sie wußte, er würde schockiert sein. Aber wenn sie ihm alles erklärt hatte, würde er sie verstehen. Und wissen,