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Ich arbeitete mich auf die Knie hoch und blickte nach links. Vor der Gitterwand meiner Zelle stand Lady Gina.

»Warum hast du nicht darauf hingewiesen, daß Lola den Wein verschüttet hat?« fragte sie.

»Du wußtest, daß sie es war?«

»Natürlich«, gab sie zurück. »Ihre kleine Hand war zwar schnell, aber für mein Auge nicht schnell genug. Außerdem hattest du deine Hände am Weingefäß und hättest den Kelch gar nicht berühren können.«

»Ich wollte nicht, daß du sie strafst«, sagte ich.

»Gut!« rief sie. »Wie ich sehe, lernst du dazu. Du wolltest sie für dich haben, die Chance, sie vielleicht später einmal selbst zu bestrafen! Gut! Du lernst allmählich, was es bedeutet, ein Mann zu sein.«

»Warum haßt Lola mich so?« fragte ich.

»Du unterscheidest dich sehr von den anderen Männern, die sie kennt. Sie findet dich abscheulich. Du weißt die Sklavin in ihr nicht zu beherrschen.«

»Sie ist eine Person, ein Mensch«, sagte ich. »Sie hat Gefühle.«

»Natürlich hat sie das«, bestätigte Lady Gina. »Sie hat die allesdurchdringenden, erregenden, umfassenden Gefühle einer Frau, die Sklavin ist. Hast du auf diese Gefühle in ihr reagiert?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Du bist eben ein Mann von der Erde«, sagte sie lächelnd.

»Ja! Solche Gefühle stehen ihr nicht zu! Sie sollte eine selbständige Person sein!«

»Frauen sind Sklaven«, sagte Lady Gina. »Sie sehnen sich nach ihren Herren. Das geht tiefer als deine Mythen und politischen Lügengespinste, so gut sie auch in die dir bekannten Gesellschaftsformen passen mögen.«

»Wie kannst du so sprechen?« fragte ich. »Du bist doch selbst eine Frau!«

»Sieh mich an, Jason«, erwiderte sie. »Bedenke meine Größe, meine Stärke, meine Strenge. Ich bin nicht so wie andere Frauen. Ich bin praktisch ein Mann, den eine Laune der Natur in einen Frauenkörper gesperrt hat. Das ist sehr schmerzhaft, Jason. Vielleicht liegt da der Grund, warum ich Männer wie Frauen so sehr hasse.«

»Ich glaube eigentlich nicht, Herrin«, sagte ich, »daß du beide wirklich haßt.«

Sie musterte mich verwirrt. »Hüte deine Zunge!«

»Ja, Herrin«, gab ich zurück. »Und doch finde ich, daß du seltsamerweise eine Frau voller Weitsicht und Güte bist.«

»Vorsicht, Sklave!« warnte sie mich. »Ich scheine dich wieder einmal verwirrt zu haben, Jason – das war nicht meine Absicht. Ich sollte wohl nicht so frei mit dir reden, wie ich es manchmal tue. Aus irgendeinem Grund scheine ich zuweilen zu vergessen, daß du nichts anderes bist als ein Erdenmann – und Sklave.«

Ich schwieg.

»Als Sklave bist du groß und kräftig, Jason«, fuhr sie fort. »Vielleicht vergesse ich deshalb manchmal, daß du als Erdenmann innerlich klein und schwach bist.«

»Es erfordert Mut, klein und schwach zu sein«, sagte ich zornig.

»Vielleicht. Ich weiß nichts davon. Ich bin weder klein noch schwach.«

Aufgebracht senkte ich den Kopf.

»Allerdings ist das ein interessanter Blickwinkel«, fuhr sie fort. »Vielleicht hat der Tor die Kraft, töricht zu handeln. Vielleicht bringt der Feigling den Mut auf, feige zu reagieren. Aber es ist schon traurig genug, Narr und Feigling zu sein, ohne aus diesen negativen Charakterzügen auch noch eine Tugend zu machen. Begreifst du nicht, daß du auf eine Moral der Schwäche getrimmt worden bist, auf eine Erfindung der Schwachen, die die Starken behindern und untergraben soll? Ach, ruh dich jetzt aus. Morgen wirst du von Sklavenhändlerinnen des Markts von Tima beschaut.«

»Was ist das – der Markt von Tima?« fragte ich.

»Das wirst du bald erfahren«, gab sie zurück. »Übrigens möchte ich dir zu deinen Goreanisch-Kenntnissen gratulieren. Du hast Sprachgefühl.«

»Danke, Herrin.«

»Und auch körperlich entwickelst du dich gut«, fuhr sie fort. »Die Übungen und die Ernährung schlagen an. Du hast zugenommen, wirst aber schlanker, denn wo du früher Fett hattest, sind jetzt Muskeln entstanden.«

»Danke, Herrin«, wiederholte ich. Sie hatte recht – Muskelgewebe war schwerer und kompakter als Fett.

»Du bist so groß wie viele Goreaner, Jason«, sagte sie. »Sogar größer als viele Männer dieser Welt. Wirklich schade, daß du dich nur zum Sklaven eignest.«

»Ja, Herrin.«

»Leg dich jetzt schlafen, Jason.«

»Ja, Herrin.«

6

»Interessant«, sagte die Frau. »Vielversprechend.«

Unwillkürlich erschauderte ich, als die kühle Lederpeitsche langsam an meiner Flanke emporfuhr.

»Wir nennen ihn ›Jason‹«, erklärte Lady Gina, die sich im Hintergrund hielt.

Meine Hände waren in dem niedrigen, fackelerleuchteten Raum an einen Deckenring gefesselt. Auch meine Fußfesseln endeten in einem Ring dicht neben meinen Zehen. Ich war nackt.

»Ein netter Name«, sagte die Frau, »aber natürlich können wir den Tarsk nennen, wie wir wollen.«

»Natürlich«, sagte Lady Gina.

Ich bildete den Anfang einer Reihe von einundzwanzig männlichen Sklaven, die wie ich gefesselt waren und zur Schau standen. Fünf Frauen in Schleiern und schweren Roben begutachteten uns. Es waren Sklavenhändlerinnen.

»Mund auf«, sagte eine der Frauen zu mir.

Ich gehorchte.

Sie drückte mit dem Daumen gegen meinen oberen Gaumen. Die Gewänder und Schleier der Frauen waren aus kostbarer Seide und wiesen vorwiegend die Farben gelb und blau auf, die Farben der Sklavenhändler. Ein Ärmel des Gewandes rutschte zurück, und ich bemerkte am linken Arm der Frau ein schweres, metallbesetztes Armband aus schwarzem Leder. Sie hatte kluge dunkle Augen, ungezügelt, objektiv, abschätzend, gnadenlos. Ich bezweifelte nicht, daß sie in ihrem eigenen Gehege so rücksichtslos auftrat wie Lady Gina. Ich begegnete ihrem Blick nicht. Sie machte mir angst – ähnlich wie Lady Gina, wenn sie sich ernst gab. Solche Frauen, das wußte ich, würden mich mit großer Strenge behandeln. Sie kannten keine Rücksicht mit Männern, die das Pech hatten, ihnen als Sklaven in die Hände zu fallen. Ausgiebig untersuchte sie meinen Mund, wobei sie mir den Kopf hin und her drehte. »Nicht schlecht«, sagte sie schließlich und trat zurück. »Kopf hoch«, befahl sie.

»Ja, Herrin«, antwortete ich und gehorchte.

Die Frauen untersuchten uns als das, was wir waren – Tiere und Sklaven.

»Der hier hat gute Schenkel«, sagte eine Frau weiter unten an der Reihe.

»Gut«, bemerkte eine andere.

»Wächter«, sagte die Frau, die mich untersucht hatte.

»Hier«, antwortete Lady Gina.

»Dieser Sklave«, sagte die Frau und deutete auf mich, »hat am linken Oberarm eine Narbe und ein Stück Metall in einem Zahn hinten links. So etwas habe ich bisher nur bei Kajirae von der Sklavenwelt erlebt.«

»Dies ist ein Männchen von der Sklavenwelt«, gab Lady Gina Auskunft.

»So etwas hatte ich mir gedacht«, meinte die Frau. »Aber wir zahlen deswegen nicht mehr für ihn.«

»Solche Fragen mußt du mit meinen Vorgesetzten erörtern«, sagte Lady Gina.

»Aber deine Vorgesetzten sind Männer«, erwiderte die Frau spöttisch.

»Ja.«

»Ich könnte eine Frau wie dich gebrauchen.«

»Ich habe hier meine Arbeit.«

»Wie du willst«, sagte die Frau. »Sind sie vital?« fragte sie.

»Ich glaube schon – obwohl wir sie natürlich in den Gehegen sehr eingeschränkt haben, um sie als Sklaven besser lenken zu können.«

»Eine schwierige Sache«, sagte die Frau, die mich untersucht hatte. »Doch meine ich, daß eine intelligente Herrin das Problem stets zu ihrer Zufriedenheit lösen wird.«

»Der hier ist munter«, sagte eine der Frauen weiter unten und begann zu lachen. Sie nahm die Hand vom Körper eines Sklaven.

»Machen wir uns einen Spaß«, sagte die Frau, die mich untersucht hatte. »Laß eine Kajira kommen.«

Lady Gina begab sich zur Tür des langen, niedrigen Raums. »Prodicus!« rief sie. »Lola soll erscheinen!«

Gleich darauf trat Lola ein. Ich hatte sie noch nie so unterwürfig erlebt. Sie trug das Haar zurückgekämmt und hatte es mit einem weißen Band zusammengebunden. Sie war gewaschen und trug eine kurze ärmellose weiße Tunika. Lola eilte zu Lady Gina und kniete vor ihr nieder. Die Anwesenheit freier Frauen erschreckte sie. Zum erstenmal gewann ich einen unmittelbaren Eindruck von dem Abscheu und Haß, den die freien Frauen ihren versklavten Schwestern entgegenbringen.