Ich spürte, daß sie sich zurücklehnte. »Soll ich dir weiter die Stirn kühlen?« fragte sie.
»Nein. Aber du bist sehr nett zu mir.« Ich hörte, wie sie einen Lappen auswrang, hörte, wie Wasser in eine Schale tropfte. Dann stand sie auf und brachte Lappen und Wasser anscheinend in eine Ecke des Raumes. Gleich darauf war sie wieder bei mir.
»Hast du Durst?« fragte sie.
»Ja.«
Sie hielt mir eine Wasserflasche an die Lippen, und ich trank dankbar.
»Wie grausam man dich angekettet hat«, sagte sie. Im Sitzen mußte ich die Handgelenke in der Nähe meiner Füße halten, so knapp waren die Ketten berechnet.
»Hast du Hunger?« fragte sie.
»Ja.«
Sie brach Stücke von einem trockenen Brotlaib ab und fütterte mich.
»Möchtest du noch etwas trinken?«
»Ja.« Sie hielt mir wieder die Flasche an den Mund.
»Ich habe Fleisch für dich gestohlen«, flüsterte sie und steckte mir einige Stücke gekochtes Fleisch in den Mund.
»Du hättest ein solches Risiko nicht eingehen dürfen!«
»Iß«, drängte sie mich. »Das gibt Kraft.«
»Was würde man dir antun, wenn man erführe, daß du Fleisch gestohlen hast?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung. Vermutlich würde man mich nur auspeitschen. Vielleicht mir aber auch die Hände abhacken.«
»Warum begibst du dich in eine solche Gefahr – nur für mich?«
»Kommst du nicht von der Erde, Jason?«
»Ja, ich stamme von der Erde. Woher kennst du meinen Namen?«
»Ich habe gehört, daß du so genannt wurdest«, erwiderte sie. »Ist es nicht dein Taufname?«
»Doch«, sagte ich. »Kennst du die Erde?«
»Ja«, entgegnete sie sehnsuchtsvoll.
»Wie heißt du?«
»Es ist ein schändlicher Name«, sagte sie. »Bitte zwinge mich nicht, ihn auszusprechen.«
»Bitte!«
»Darlene.«
»Das ist der Name eines Erdenmädchens!« sagte ich aufgeregt. Ich erzitterte unter der Last der Ketten.
»Ja.«
»Ein wunderschöner Name.«
»Er scheint die Lust der goreanischen Herren zu wecken«, sagte sie.
»Warum gab man dir einen solchen Namen?«
»Um klarzustellen, daß ich nichts anderes bin als Dirne und Sklavin«, antwortete sie.
»Wie grausam doch die Goreaner sind!« rief sie. Und fügte hastig hinzu: »Es tut mir leid. Verzeih mir.«
»Warum denn?«
»Ich wollte dich nicht kränken.«
»Ich verstehe nicht, was du damit meinst …«
»Du bist doch Goreanerin, oder?«
»Nein.«
»Was denn dann?«
»Ein armes Erdenmädchen, weiter nichts.«
Ich war starr vor Überraschung. »Dein Goreanisch ist fehlerfrei!«
»Die Peitsche hat mich viel gelehrt.«
Überwältigt von Mitleid, brachte ich kein Wort heraus. Wie tragisch, sagte ich mir, als Mädchen von der Erde auf diese Welt verpflanzt zu werden, als Sklavin.
»Auf der Erde«, fuhr sie fort, »hieß ich Darlene. Dort war es allerdings mein eigener Name, kein Sklavenname, den mir mein Herr gegeben hatte.«
»Ich muß dich sehen«, sagte ich und zerrte an meinen Ketten.
»Iß, Jason«, forderte sie. »Es ist noch etwas Fleisch übrig.«
Ich schlang das letzte Stück Fleisch hinunter, das mir ihre zarten Finger vorsichtig in den Mund schoben.
»Mit dem Diebstahl des Fleisches hast du viel riskiert«, stellte ich fest. »Für einen Mann, der nichts anderes als ein Sklave ist.«
»Unwichtig«, sagte sie. »Du bist ein Mann von meiner Welt.«
»Du bist ein mutiges Mädchen.«
»Eine elende Sklavin, weiter nichts«, widersprach sie.
»Ich muß dich sehen«, sagte ich. »Können wir hier nicht irgendwie Licht machen?«
»Wir haben eine kleine Lampe«, sagte sie. »Aber ich hätte Angst, sie anzuzünden.«
»Warum?«
»Du bist ein Mann von der Erde. Er würde mich auf das äußerste beschämen, wenn du mich, ein Mädchen von der Erde, hier so sähst.«
»Warum?«
»Ich trage nur die Fetzen und den Kragen einer Sklavin.«
»Mach die Lampe an«, sagte ich freundlich. »Bitte, Darlene.«
»Wenn ich es tue«, bat sie, »dann versuch mich bitte mit der Rücksicht eines Mannes von der Erde zu sehen.«
»Natürlich. Bitte, Darlene.«
»Ich mache die Lampe an«, sagte sie, stand auf und ging in eine Ecke.
Ich hörte Steine gegeneinanderklicken, vermutlich Feuersteine, und sah Funken fliegen. Mir stockte der Atem, als ich im kurzen Aufzucken des schwachen Lichts einen kurzen Eindruck von dem prächtigen knienden Mädchen gewann. Sie trug aufreizend kurze Sklavenfetzen aus braunem Rep-Tuch, an der Seite – vermutlich absichtlich – aufgerissen, gehalten durch einen einzelnen schmalen Gurt über der linken Schulter. Unter diesem dünnen braunen Tuch wogten kaum verborgen ihre süß gerundeten, schweren Brüste. Die Funken hatten zugleich auch den engen schmalen Halskragen aufblitzen lassen. Sie war barfuß.
Wieder trafen die Steine aufeinander, und wieder sah ich sie, über einen Ballen Moos gebeugt, Zunder, den sie in Flammen zu setzen versuchte. Sie hatte dunkles Haar, kurz, aber voll, das ihr vor das Gesicht fiel. Wieder gewahrte ich die angenehmen Rundungen ihres Körpers, den Kragen, die nackten Füße.
Im nächsten Moment glimmte das Moos auf, und sie drückte einen Strohhalm hinein. Dieser Halm, an einem Ende brennend, entzündete den Docht einer kleinen Öllampe aus Ton. Darlene schüttelte den Strohhalm wieder aus, breitete mit den Fingern das Moos auseinander und drückte die dort entstehende winzige Flamme zu einer Reihe glühender Punkte auseinander, die schnell verlöschten. Sie nahm die Lampe auf und kam auf mich zu. Vor mir hockte sie sich nieder, stellte die Lampe seitlich ab und kauerte auf den Zehenspitzen. Im schwachen Lampenschein wurde ihre Schönheit offenbar, kaum verhüllt durch das zerfetzte Gewand, die Knie der nackten Beine eng zusammengepreßt.
Sie musterte mich in mitleiderregendem Protest.
Wie konnte ein Mann, der noch einen Tropfen Blut in den Adern hatte, der noch atmete, eine solche Frau mit Zurückhaltung anschauen?
Am liebsten hätte ich ihr die Knie auseinandergedrängt, hätte sie an den Haaren auf die Steine geworfen und sie besessen – erbarmungslos, vor Wonne schreiend. Ich ballte die Fäuste. Ich war angekettet. Wie sehr beneidete ich in diesem Moment die Ungeheuer Gors, die solche Frauen zu ihrem Vergnügen halten!
»Verzeih mir«, sagte ich.
Sie fuhr erschaudernd zurück. »Du schaust mich an wie ein Goreaner, den eine Frau als ihren Herrn ansieht, dem sie gehorchen muß.«
»Nein, nein!« widersprach ist. »Das stimmt nicht.«
»Vielleicht kann ich mich glücklich schätzen«, sagte sie lächelnd und entspannte sich, »daß du gefesselt bist.«
»Vielleicht.«
Sie lachte und blickte mich an. Dann berührte sie den Fetzen, den sie trug: »Es ist wohl schwierig«, sagte sie, »ein Mädchen zu respektieren, das den Sklavenfetzen trägt, die Ta-Teera.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Und nicht mal ein Mädchen, das in einem Sklavenkragen steckt?«
»Selbstverständlich nicht.«
Aber wie sollte man eine solche Frau anders behandeln, denn als Sklavin? Der Anblick einer so gekleideten Frau diente nicht gerade dazu, Respekt zu erwecken, sondern löste tiefere, primitivere Gefühle aus, wie Liebe, Begehren und Lust und das Streben nach Dominanz und kompromißloser Vorherrschaft.
»Ich respektiere dich voll und ganz«, sagte ich.
»Eben noch«, sagte sie tadelnd, »hast du mich angesehen, als wäre ich eine Sklavin.«
»Verzeih mir«, sagte ich lächelnd.
»Ich verzeihe dir, wenn du mich wirklich respektierst.«
»Vielen Dank.« Ich war erleichtert, daß sie mir verziehen hatte: Einen Augenblick lang hatte ich sie angesehen, wie ein Mann eine Frau anblickt.
Sie lächelte. »Ich mag dich wirklich sehr«, fuhr sie fort. »Du bist seit Jahren der erste Mann, der mich freundlich behandelt, der im Umgang mit mir sanft und respektvoll ist.«
Ich zuckte lächelnd die Achseln.
»Außerdem bist du für mich seit Jahren der erste Mann von meiner Heimatwelt. Welche angenehmen Erinnerungen an die Männer der Erde weckst du in mir!«