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Sie senkte den Blick. »Wir wollen bestellen«, sagte sie.

»Ich dachte, Sie wollten mit mir sprechen.«

»Bestellen wir!«

»Na schön. Etwas zu trinken vorweg?«

»Ja.«

Wir bestellten Getränke und später das Essen. Der Ober war aufmerksam, aber nicht aufdringlich. Wir tranken und aßen stumm. Zum Schluß wurde Kaffee aufgetragen.

»Jason«, brach sie schließlich das Schweigen. »Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich nicht weiß, was mit mir ist. Und das stimmt wirklich. Und ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll.«

Ich trank meinen Kaffee. Es hatte sicher keinen Sinn, sie zur Eile anzutreiben. Ich war neugierig.

»Vor einigen Monaten fing es an«, sagte sie und warf mir einen schnellen Blick zu. »Mich überkamen ungewöhnliche Gefühle und Sehnsüchte.«

»Welcher Art?«

»Na, es waren Gefühle, die früher als feminin galten, als die Menschen noch an das Weibliche glaubten.«

»Das tun die meisten auch heute noch«, gab ich zurück. »Ihre offizielle Einordnung, welchen politischen Wert sie auch haben mag, ist eine Perversion, nicht nur der Realität, sondern auch der Biologie.«

»Glauben Sie das wirklich?«

»Und ob«, erwiderte ich. »Ich an Ihrer Stelle würde mir aber keine großen Sorgen machen über die Dinge, die die Leute für wahr halten, sondern mehr über das, was wirklich die Wahrheit darstellt. Wenn Sie tiefverwurzelte weibliche Begierden haben, dann haben Sie sie eben. So einfach ist das. Sollen sich doch die, die so etwas nie selbst erfahren haben, darüber streiten, ob es so etwas wie eine Weiblichkeit überhaupt gibt. Und jene, die die Frage eindeutig beantworten können, weil sie sie nämlich an sich erfahren haben, sollten sich lieber anderen Problemen zuwenden.«

»Aber ich habe Angst vor meiner Weiblichkeit«, wandte sie ein. »Ich erlebe schlimme Träume.«

»Was für Träume?«

»Ich traue mich kaum, sie einem Mann zu offenbaren, so schrecklich sind sie.«

Ich schwieg, denn ich wollte sie nicht unter Druck setzen.

»Ich habe oft geträumt, ich wäre Sklavin und müßte einen metallenen Kragen tragen, ich müßte einem Manne dienen.«

»Ich verstehe«, sagte ich. Meine Hände umklammerten die Tischkanten. Einen Augenblick lang sah ich alles nur verschwommen. Ich hatte nicht geahnt, daß man eine so plötzliche Lust empfinden konnte, eine solche erstaunliche, verrücktmachende Begierde nach einer Frau. Ich wagte nicht mich zu bewegen.

»Ich besuchte einen Psychiater«, fuhr sie fort, »aber der reagierte als Mann. Er sagte mir, solche Gedanken wären ganz normal und natürlich.«

»Aha.«

»Daraufhin wandte ich mich an eine Psychologin – und die reagierte sogar zornig. Sie nannte mich eine lüsterne Hexe.«

»Das war ja psychologisch nun wirklich nicht geboten«, sagte ich lächelnd. »Aber anscheinend berührte ihre Geschichte eine empfindliche Stelle in ihr. Oder sie fühlte sich irgendwie bedroht – von etwas, das mit gewissen theoretischen Standpunkten wohl nicht vereinbar war.« Ich musterte mein Gegenüber. »Es gibt auf diesen Gebieten eine große Bandbreite von Auffassungen, besonders in der Psychologie. Wenn man sich gründlich umsieht, findet man bestimmt jemanden, der einem genau das sagt, was man hören will.«

»Aber ich möchte die Wahrheit wissen«, sagte sie. »Egal wie sie aussieht.«

»Vielleicht ist die Wahrheit gerade das letzte, was Sie hören wollen.«

»Wie das?«

»Nun ja, nehmen wir einmal an, die Wahrheit liefe darauf hinaus, daß Sie tief im Innern wirklich eine Sklavin wären.«

»Nein!« rief sie und senkte verlegen die Stimme. »Sie sind abscheulich!«

»Daß Sie tief im Innern Sklavensehnsüchte haben, käme wohl gar nicht in Frage?«

»Natürlich nicht.«

»Es paßt politisch nicht ins Bild.«

»Ja!« sagte sie. »Aber abgesehen davon kann es nicht stimmen. Es darf nicht stimmen! Ich darf nicht einmal an die Möglichkeit denken!«

»Aber Sie sind sehr schön und sehr weiblich.«

»Ich glaube nicht einmal an die Weiblichkeit«, sagte sie.

»Haben Sie das schon den Hormonen gesagt, die in Ihrem wunderhübschen kleinen Körper so überreichlich vorhanden sind?«

»Ich weiß, daß ich feminin wirke«, sagte sie abrupt. »Ich kann nicht über meinen Schatten springen. Das müssen Sie mir glauben. Ich weiß, es ist falsch und abscheulich, aber ich kann nicht anders. Ich schäme mich ja so. Ich möchte eine richtige Frau sein, aber ich bin zu schwach, zu feminin.«

»Es ist nicht falsch, man selbst zu sein.«

»Außerdem habe ich Angst«, fuhr sie fort. »Letzten Sommer habe ich sogar auf eine Rundfahrt durch die Karibik verzichtet.«

»Sie hatten Angst vor dem berüchtigten BermudaDreieck?«

»Ja«, gab sie zu. »Ich wollte nicht verschwinden. Ich wollte nicht entführt und auf einem anderen Planeten versklavt werden.«

»Jedes Jahr durchqueren viele tausend Flugzeuge und Schiffe unbehindert das Bermuda-Dreieck.«

»Ich weiß.«

»Sie sehen also selbst, wie dumm Ihr Einwand ist.«

»Ja«, räumte sie ein. »Haben Sie schon einmal von dem Planeten Gor gehört?«

»Ja«, sagte ich. »Eine ziemlich gut bekannte Romanwelt.« Plötzlich mußte ich lachen. »Soweit ich weiß, haben das Bermuda-Dreieck und Gor nicht das geringste miteinander zu tun.« Ich lächelte sie an. »Wenn die goreanischen Sklavenhändler es auf Sie abgesehen haben, meine Liebe, dann warten sie bestimmt nicht ab, bis Sie eine Reise in die Karibik antreten.«

»Ihre Worte sind ausgesprochen tröstlich, Jason«, sagte sie dankbar.

»Außerdem – sollten wirklich die Sklavenhändler über Sie herfallen, würden Sie bestimmt irgendwann einen Herrn finden, der Sie freundlich behandelt.«

»Die Goreaner behandeln ihre Sklaven sehr streng«, bemerkte sie erschaudernd.

»Das habe ich auch schon gehört.«

»Ich habe Angst. Glauben Sie, daß es Gor gibt?«

»Natürlich nicht«, gab ich zurück. »Es ist eine interessante Fiktion. Niemand glaubt, daß es diese Welt wirklich gibt.«

»Ich habe mich ein wenig damit beschäftigt«, sagte sie. »Es gibt einfach zu viele unerklärte Dinge. Mir scheint da eine Art Plan sichtbar zu werden. Wäre es nicht denkbar, daß die Gor-Romane auf eine Weise dazu bestimmt sind, die Erde und ihre Völker auf die Enthüllung vorzubereiten, daß es wahrhaft eine Gegen-Erde gibt, sollte es eines Tages angebracht sein, die Existenz zu offenbaren?«

»Reden Sie keinen Unsinn!«

»Es gibt aber so viele Einzelheiten«, fuhr sie fort. »Kleinigkeiten, die einem Romanautor nicht einfallen würden, sinnlose Dinge wie die Konstruktion eines Sattels und die Art und Weise, wie Münzen geprägt werden.«

»Ach, schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Gor ist eine erfundene Welt.«

»Ich glaube nicht, daß John Norman der Autor der Gor-Bücher ist«, fuhr sie fort.

»Warum nicht?«

»Ich habe ihn kennengelernt, und mir scheint, daß seine Art zu sprechen und zu schreiben so gar nicht zu den Büchern paßt.«

»Er hat sich stets nur als Herausgeber der Bücher bezeichnet. Soweit ich weiß, handelt es sich dabei um die Arbeiten anderer, in der Regel eines Mannes namens Tarl Cabot.«

»Es gab da einmal einen Cabot, der verschwunden ist.«

»Norman erhält die Manuskripte von einem gewissen Harrison Smith, nicht wahr? Vermutlich dem eigentlichen Autor.«

»Harrison Smith ist nicht der richtige Name«, widersprach sie. »Auch hier handelt es sich nur um ein Pseudonym, das den Freund schützen soll. Aber ich habe mit diesem ›Harrison Smith‹ gesprochen. Er erhält die Manuskripte, scheint über ihre Herkunft aber nicht mehr zu wissen als alle anderen.«

»Ich finde, Sie nehmen die Sache zu ernst«, meinte ich.

»Kann ich Ihnen erzählen, was mir widerfahren ist, Jason?« fragte sie.

Plötzlich war mir unwohl zumute. »Aber ja doch«, sagte ich lächelnd. »Haben Sie etwa einen goreanischen Sklavenhäscher gesehen?«