Plötzlich wurde der Zorn in mir übermächtig.
Ich begann mich heftig zu wehren. Zu meiner Überraschung vermochte ich mich beinahe zu befreien – gegen den Griff der beiden muskulösen Männer. Ich glaube, sie waren selber sehr überrascht, denn sie wurden ein wenig zur Seite geschleudert. Aber schon hatten sie mich wieder fest gepackt. Zornig schaute ich ins Publikum hinaus. Hätte sich nur ein einziger Wächter um mich gekümmert, wäre ich bestimmt losgekommen, davon war ich überzeugt. Ich hatte gar nicht gewußt, daß ich so kräftig war.
Die Frauen im Publikum und die Ladies Tima und Tendite schienen gleichermaßen überrascht zu sein.
Sie blickten sich an.
»Ist er nicht zahm?« fragte eine Frau in der zweiten Reihe.
Zu meinem Erstaunen schienen mehrere Frauen beunruhigt zu sein. Ich sah zwei Wächter mit Speeren am Ende eines Tribünenganges Aufstellung nehmen. Von dort konnten sie schnell zur Bühne herabeilen, sollte das nötig werden.
Obwohl ich heftig atmete, war ich erfreut, was ich mir allerdings nicht anmerken ließ. Die vielen Bewegungen und die knappe Ernährung auf Gor hatten mir beachtliche körperliche Fortschritte gebracht, von denen ich auf der Erde nur hätte träumen können.
»Viele von euch besitzen Tharlarions!« rief Lady Tendite frohgemut in die Menge. »Die sind viel stärker als er. Und vielleicht auch klüger!«
Hier und dort wurde unsicher gelacht.
»Wer will schon einen dummen Sklaven?« rief eine Frau.
»Lady Tendite scherzt«, schaltete sich Lady Tima hastig ein. »Der Sklave ist hochintelligent. Das Haus von Tima bürgt dafür.«
»Ja!« sagte Lady Tendite. »Es war nur ein Scherz. Der Sklave ist intelligent.«
»Vielleicht zu intelligent!« rief eine Frau.
»Seht euch seine Augen an!« rief eine andere. »Er sieht nicht aus wie ein Sklave.«
»Vielleicht ist er ein Herr«, sagte eine andere Frau mit zitternder Stimme.
»Würdest du uns fürs Boudoir einen Sklavenherrn verkaufen?« fragte eine andere. Mehrere Frauen schnappten nach Luft, so kühn erschien ihnen der Gedanke. Ich war überrascht. In der Reaktion der Frauen war etwas ganz klar geworden, ein Ausdruck der Erregung, der aufgeregt-besorgten Wonne. War es das, was sie haben wollten – einen dominanten Herrn für ihr Boudoir? Aber wenn das so wäre, mußten sie auch wissen, daß sie in ihrem eigenen Boudoir nur Sklavinnen sein würden.
Ich mußte mich irren.
»Nein, nein, nein, nein!« rief Lady Tima lachend. »Nein!« Sie schien amüsiert zu sein, doch spürte ich, daß sie nicht erfreut war über die Wendung, die die Auktion genommen hatte. »Seine Intelligenz, die beträchtlich ist, ist die eines Erdenmannes. Er ist darauf trainiert, seine Fähigkeiten auf die Vorausahnung der Wünsche von Frauen zu verwenden und ihnen zu gehorchen und zu dienen. Die Intelligenz von Erdenmännern steht den Frauen zu Gebote. Sie tun, was Frauen ihnen sagen.«
»Gibt es denn keine Herren unter ihnen?« fragte eine Frau. »Sind es Seidensklaven?«
»So hat man mir berichtet«, antwortete Lady Tima. »Sie alle sind Seidensklaven der Frauen.«
Das konnte nicht stimmen, sagte ich mir. Auch auf der Erde hatte ich kräftige, selbständige Männer gekannt. Doch stimmte es, daß viele Männer von maskuliner Ausprägung Frauen gegenüber gehorsam waren. Man hatte sie gelehrt, daß sie keine richtigen Männer seien, wenn sie den Wünschen der Frauen nicht nachkämen. Auf Gor sind es natürlich die Frauen, die gehorchen, wenn sie versklavt worden sind.
»Nein!« rief ich. »Nein! Es muß auch auf der Erde richtige Männer geben!«
Im gleichen Augenblick traf mich die Peitsche der Lady Tendite an der Wange; sie hatte mit dem Stiel zugeschlagen, ohne die Schnüre loszulassen.
»O Jason!« rief Lady Tima mitleidig. »Hast du ohne Erlaubnis gesprochen?«
Wieder versuchte ich wütend die Männer abzuschütteln, die mich festhielten – aber wieder vergeblich.
»Das ist kein Seidensklave«, sagte jemand.
»Schickt ihn in die Steinbrüche!«
»Kettet ihn auf einer Ruderbank fest!« rief eine Frau.
»Präsentiert den nächsten Sklaven zum Verkauf!«
»Wartet! Wartet!« rief Lady Tima.
Es wurde still im Publikum.
»Haben wir euch wirklich hinters Licht geführt, meine Damen?« fragte sie lachend.
Die Zuschauerinnen blieben stumm.
Lady Tima wandte sich zu mir um: »Du hast gut gespielt, Jason«, sagte sie. »Du hast geschickt so getan, als wärst du nur unvollkommen gezähmt.« Ich schaute sie an, im Griff der Männer.
Wieder wandte sie sich an die Menge. »Verzeiht mir, meine Damen!« rief sie lachend. »Ich habe mir da leider einen schlechten Scherz erlaubt. Ich hatte geglaubt, ihr alle wüßtet, daß die Erdenmänner nur Sklaven sind – als dieser Sklave dann meinem Befehl gehorchte und sich wehrte, dachte ich, ihr würdet die Falschheit seines Handelns durchschauen. Ich muß aber erkennen, daß ihr mit den Männern der Erde nicht wirklich vertraut seid in eurer Angst, einige von ihnen könnten doch richtige Männer sein. Ist er kein guter Schauspieler?« Sie baute sich vor mir auf und schlug sich mit der Hand an die linke Schulter, als applaudiere sie mir zu meiner Leistung.
»Ist er denn zahm?« fragte eine Frau in der vierten Reihe.
»Er ist durchaus zahm«, erwiderte Lady Tima. »Ich habe ihn schon auf meiner eigenen Liegestatt benutzt.«
Ich senkte den Kopf. Nur zu gut erinnerte ich mich an das beschämende Erlebnis.
»Garantierst du seine Zahmheit?« fragte jemand.
»O ja«, erwiderte Lady Tima. »Das Haus von Tima gibt diese Garantie.«
»Beweise uns, daß er zahm ist!« rief eine Frau.
»Das werden wir tun«, sagte Lady Tima lächelnd und wandte sich zu mir um. Sie sprach leise weiter; ihre Worte waren im Publikum nicht zu hören: »Du hast deinen Spaß gehabt, Jason«, sagte sie. »Du hast den wilden Mann gespielt – aber jetzt wird es Zeit, daran zu denken, was du wirklich bist, ein Schwächling von der Erde.«
Ich blickte sie zornig an.
»Es gibt im Haus von Tima zahlreiche Sleen«, fuhr sie fort. »Vielleicht sollte man dich ihnen zum Fraße vorwerfen.«
»Nein!« rief ich und senkte erschrocken den Kopf. Nur zu gut erinnerte ich mich an die bedrohlichen, krummen Reißzähne, die langen, geschmeidigen Körper, die spitzen Krallen, an die explosive Kraft, Wendigkeit und Schnelligkeit dieser Wesen.
»Schau mich an, Jason!« befahl sie.
Ich hob den Kopf und begegnete ihrem Blick. Sie – und alle anderen, die auf dieser Welt zu den Herren gehörten – hatten die absolute Macht über mich. Sie waren alles, ich war nichts. Ich war Sklave.
»Was bist du, Jason?« fragte sie.
»Sklave.«
»Ihr braucht ihn nicht mehr festzuhalten«, sagte Lady Tima zu den beiden Männern. Sie ließen mich los. Reglos blieb ich auf der Plattform stehen. Man hatte mir zu Bewußtsein gebracht, daß ich gehorchen mußte.
Lady Tendite machte sich nun daran, mir die anderen Kleidungsstücke vom Leib zu schneiden. »Reg dich nicht auf, Jason«, sagte sie dabei liebenswürdig. »Du erinnerst dich sicher an mich – an Darlene, die kleine Sklavin von der Erde?«
»Ich hatte dir vertraut«, sagte ich verbittert.
»Wie töricht von dir!«
»Ja.«
»Ich hatte nicht angenommen, ich würde dich hinters Licht führen können.«
»Warum? Hattest du Angst, dein Englisch würde nicht ausreichen?«
»Mein Englisch ist ausgezeichnet!« sagte sie gekränkt.
Und damit hatte sie recht – es klang vielleicht ein wenig zu formell und präzise und war zu wenig umgangssprachlich, doch es hatte mich getäuscht.
»Die Sprache war es nicht«, fuhr sie fort, »aber hast du ernsthaft angenommen, eine echte Sklavin würde es wagen, sich auch nur in Gedanken mit einer solchen Fluchthilfe zu beschäftigen?«
Ich schwieg.
»Kennst du die Strafe, die auf dieses Verbrechen steht?« fuhr sie fort. »Die kleinen Dirnen wissen doch genau, was ihr Kragen bedeutet.«