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»Kennst du mich?« fragte sie.

Ich erkannte sie, hielt es aber für ratsam, dies zu leugnen. Obwohl sie verschleiert gewesen war, als ich sie in Ar gesehen hatte, fiel es mir nicht schwer, die Augen, die Wangenknochen und die Stimme zu identifizieren.

»Nein, Herrin«, sagte ich.

»Ich bin Lady Melpomene aus Vonda«, sagte sie.

»Ja, Herrin.«

Sie stand neben der Liege und blickte auf mich herab. »Deine Herrin«, sagte sie schneidend, »hat in Ar behauptet, ich hätte für dich keine sechzehn Tarsks bieten können. Das ist unzutreffend. Ich fand nur, daß du keine sechzehn Tarsks wert bist.«

»Ja, Herrin.«

»Du bist ihr Lieblings-Seidensklave, nicht wahr?«

»Ich nehme es an.«

»Du hast dich von dem Tassa-Pulver schneller erholt als erwartet«, sagte sie. »Aber egal. Du kannst zuschauen, während ich mich vorbereite.« Sie kniete vor einem Schminktisch nieder und begann, sich das lange dunkle Haar zu bürsten.

Ich ließ den Blick durch das Zimmer wandern. Es war groß, aber ziemlich schäbig. Die Vorhänge waren alt. Manche Wände wiesen Risse auf. Es schien niemand sauberzumachen.

Langsam und genüßlich kämmte sich Lady Melpomene das Haar mit einem Kamm aus Kailiauk-Horn. Sie trug ein langes, gelbes und beinah durchsichtiges Gewand. Ihre Füße waren bloß.

Der Boden war staubig. Ich hatte gerüchteweise gehört, sie habe ihre Sklaven verkaufen müssen – oder wenigstens die meisten. Meine Herrin sprach gelegentlich von ihr. Die Familien der beiden Frauen waren in Vonda seit langem verfeindet. Während die Familie meiner Herrin ihren Wohlstand mehren konnte, war die Familie der Lady Melpomene ins Unglück geraten. Die meisten Verwandten von Lady Melpomene hatten im Laufe der Jahre die Stadt verlassen. Sie war in Vonda geblieben und gebot über die jämmerlichen Reste eines einst beträchtlichen Vermögens.

Lady Melpomene legte den Kamm aus der Hand und tupfte hier und dort etwas Parfum an.

»Mein Gespräch mit deiner Herrin in Ar hat mir ganz und gar nicht gefallen«, sagte sie. »Sie unterstellte, meine Vermögenslage sei bedenklich.«

»Vielleicht meinte sie das nicht böse«, sagte ich.

»Ich bin kein Dummkopf!« fauchte sie und setzte sich neben mich auf die Liege. »Du bist ein hübscher Sklave.«

»Vielen Dank, Herrin.«

Sie berührte mich. »Wie ich sehe, findest du mich attraktiv.« Sie beugte sich herab und ließ ihr Haar über mein Gesicht fallen. »Riechst du das Parfum?«

»Ja, Herrin.«

»Es ist das deiner Herrin. Was hat es gekostet?«

»Fünf Silber-Tarsks«, antwortete ich. »Wie du vielleicht weißt, wurde es im Laden des Veminius gekauft.«

»Es gab einmal eine Zeit, da ich mir ebenfalls Parfum zu fünf Tarsks hätte leisten können.«

»Dann stimmt es also, daß die Herrin in finanziellen Dingen vom Unglück verfolgt ist?«

»Ich habe Probleme gehabt, Jason«, sagte sie. »Das ist allgemein bekannt. Ich war in Ar, um den Verkauf dieses Hauses auszuhandeln. Das ist mir gelungen, und ich ziehe morgen hier aus.«

»Die Herrin hat ihr Vermögen nun geordnet?«

»Nur zu einem geringen Teil«, sagte sie lächelnd. »Ich habe nach wie vor hohe Schulden.«

»Die Herrin besitzt ein Haus in Vonda. Vielleicht kann sie das ebenfalls verkaufen.«

»Ich könnte zehn Häuser verkaufen, ohne aus den Schulden herauszukommen, die ich in einem Dutzend Städte habe.«

»Was gedenkst du zu tun?«

»Morgen, wenn ich das Geld aus dem Verkauf dieses Hauses erhalte, werde ich alles zurückgewinnen, an einem einzigen Nachmittag. Ich werde wieder eine der reichsten Frauen Vondas sein.«

»Wie wäre das zu erreichen?«

»Ich weiß von sicheren Siegern bei den TharlarionRennen.«

»Ist es klug, sein Kapital so aufs Spiel zu setzen?«

»Ich werde damit tun, was mir gefällt.«

»Ja, Herrin.«

»Von mir sind viele Wechsel in Umlauf«, sagte sie. »Ich muß etwas unternehmen.«

»Ja, Herrin.«

»Aber sei unbesorgt, Lady Melpomene aus Vonda wird siegen – und dann kommt vielleicht der Tag, da sie deine Herrin ruiniert und deinen Verkauf erzwingt. Vielleicht nehme ich dich dann für mich.« Sie berührte mich spielerisch, und ich bäumte mich auf.

»Sei unbesorgt, Jason, es passiert dir nichts.«

»Was hast du mit mir vor?«

»Bist du nicht Sklave genug, um das zu wissen?«

Zornig starrte ich sie an. Die Ketten machten mich wehrlos.

»Glaubst du, du kannst mir widerstehen?«

»Nein«, antwortete ich. Sie war prächtig anzuschauen.

Sie bestieg mich.

»Mach mich los«, sagte ich. »Ich möchte dich in die Arme nehmen.«

»Ich bin doch kein Dummkopf!« erwiderte sie. »Ich lasse mich von keinem Mann zur Sklavin machen!«

»Aii!« rief ich.

»So nehme denn ich, Lady Melpomene, den Seidensklaven meiner Feindin, der abscheulichen Lady Florence aus Vonda!« rief sie.

Erschaudernd blickte ich zu ihr auf.

»Das ist erst der Anfang!« rief sie.

14

»Die Stallsklaven sind zur Inspektion bereit, Lady Florence«, sagte Kenneth, der Sklavenaufseher der Herrin. Barus, sein Assistent, stand neben ihm.

Wir knieten auf dem sonnenhellen Hof zwischen den weitläufigen Stallgebäuden der Herrin. Wir waren umgeben von Scheunen, Geräten und Fütterungsschuppen. Die Gebäude waren vorwiegend gelb gestrichen und mit blauer Farbe abgesetzt. Diese Farben waren nicht nur Sklavenfarben, sondern wurden auch – ob absichtlich oder nicht – im Zusammenhang mit Haustieren eingesetzt.

Ich kniete ziemlich am Ende der Reihe. Die Herrin, die eine lange Tharlarion-Gerte in der Hand hielt, begann die Inspektion.

Als Lady Melpomene nach einer langen Nacht mit mir fertig war, hatte sie mir wieder einen Trank mit TassaPulver einflößen lassen. Meinen anfänglichen Widerstand hatte sie mit einer Dolchspitze schnell überwunden.

»Aufrechter knien, Sklave!« sagte Lady Florence weiter unten an der Reihe.

Anscheinend waren die beiden Männer zurückgekehrt, die mich entführt hatten. Ich kam erst wieder zu mir, als ich auf eine harte Oberfläche geworfen wurde. Eilige Schritte entfernten sich. Ich war in einem Sklavensack gefesselt. »Was geht hier vor?« fragte eine Stimme. »Halt!« Es war die Stimme Kenneth’s, des Oberaufsehers meiner Herrin, der Lady Florence aus Vonda. »Was ist los?« fragte eine Frauenstimme, die meiner Herrin. Dann band jemand den Sack auf. »Es ist Jason«, hatte Kenneth gesagt und mich herausgezogen. »Da ist ein Zettel am Kragen«, stellte er fest. Allerlei Männer und Frauen aus dem Haushalt, freie Männer und Frauen wie auch Sklaven, hatten sich um mich versammelt. Der Zettel wurde meiner Herrin überreicht. Zornbebend las sie den Text, knüllte das Papier zusammen und warf es fort. Mit blitzenden Augen sah sie mich an. »Schick ihn in die Ställe«, sagte sie.

»Ja, Lady Florence«, hatte Kenneth erwidert.

»Habt ihr anderen denn nichts Besseres zu tun, als einen Stallsklaven anzustarren!« fauchte sie.

Hastig verlief sich die kleine Menge wieder. Lady Florence, Kenneth und ich blieben allein auf der Veranda zurück.

Kenneth löste meine Fußfesseln. Ich hob den Blick nicht.

Kenneth stand auf. »Lady Florence«, sagte er.

»Ja?«

»Wenn wir in deine Villa in Vonda zurückkehren, soll er dann im großen Stall arbeiten – und nicht in deinem Privatstall?« Lady Florence besaß mehr als tausend Tharlarion. Sie züchtete diese Tiere, und ihre Ställe gehörten zu den besten in der Umgebung Vondas.

»Er ist Stallsklave«, sagte sie zornig. »Setze ihn entsprechend ein.« Und sie entfernte sich mit wallenden Roben.

Ich hob den Kopf. Kenneth lachte leise vor sich hin.

»Herr?« fragte ich.

»Ja?«

»Dürfte ich erfahren, was auf dem Zettel stand?«

»Ich bin ebenfalls neugierig«, sagte er grinsend und hob den Zettel auf. »›Meiner süßen Freundin und Landsmännin, Lady Florence aus Vonda‹«, las er vor. »›Vielen Dank für den Gebrauch deines niedlichen Seidensklaven Jason. Ich hatte großen Spaß mit ihm. Man kann schon verstehen, warum er dir soviel bedeutet. Auch vielen Dank für das nette Parfumgeschenk. Ich hatte es angelegt, während ich mit ihm meinen Freuden nachging. Noch einmal vielen Dank, süße und verständnisvolle und großzügige Freundin, für deine liebe Gabe. Ich wünsche dir alles Gute. Melpomene, Lady aus Vonda.‹«