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Ich hob den Blick. Vor uns standen zwei verschleierte freie Frauen in prächtigen Gewändern.

Hastig kniete ich nieder. Eine dieser Frauen war meine Herrin.

»Meinen Glückwunsch, Jason«, sagte Lady Florence aus Vonda. »Du hast gut gekämpft.«

»Vielen Dank, Herrin«, antwortete ich und blickte zu ihr auf. Mein Hals steckte in ihrem Sklavenkragen. Ich atmete noch immer schwer.

Trotz des Schleiers hätte ich sie mühelos erkannt – ihre Augen, ihre Haltung, die Formen ihres Körpers. Zu meiner Überraschung erkannte ich auch die Frau neben ihr.

»Kenneth«, fuhr Lady Florence fort, »ich möchte dir meine liebe Freundin, Lady Melpomene aus Vonda, vorstellen.«

»Entzückt, Lady Melpomene«, sagte Kenneth und verbeugte sich.

»Jason«, sagte Lady Florence, »vielleicht erinnerst du dich an meine liebe Freundin, Lady Melpomene aus Vonda, meiner Heimatstadt.«

»Ja, Herrin«, erwiderte ich und senkte den Kopf.

»Wir haben unsere Differenzen beigelegt, Jason«, fuhr Lady Florence fort, »und sind jetzt ganz schnell die besten Freundinnen geworden.«

»Das freut mich zu hören, Herrin«, sagte ich.

»Lady Melpomene wird zwei oder drei Tage lang bei uns wohnen«, sagte Lady Florence. »In Kürze werden wir überdies weitere Hausgäste begrüßen können.«

»Ja, Herrin.«

»Du wirst dafür sorgen, daß das Grundstück und die Ställe in bestem Zustand sind, nicht wahr, Kenneth?«

»Selbstverständlich, Lady Florence«, erwiderte dieser.

»Und du läßt die Sklavendirnen an den Ketten, nicht wahr, damit unsere Gäste durch ihren Anblick nicht gestört werden.«

»Wie Lady Florence befiehlt.«

»Oh, Kenneth – wie macht sich denn das neue Mädchen, wie heißt es doch gleich?«

»Taphris«, sagte Kenneth.

»Ach ja! Stellt sie sich geschickt an?«

»Ja«, erwiderte Kenneth. »Sie hat die Anlagen zu einer hervorragenden Stalldirne.«

Taphris schnappte nach Luft und lief rot an.

»Lady Florence«, fuhr Kenneth fort, »ich wußte gar nicht, daß du dich für Stallkämpfe interessierst.«

»Das tue ich auch nicht«, erwiderte sie. »Nur hielten es Lady Melpomene und ich für ganz amüsant, uns einmal anzuschauen, wie niedere Kasten ihre freie Zeit verbringen.«

»Aha«, erwiderte Kenneth. »Hat der Kampf Lady Florence gefallen?«

»Einer Dame von Geschmack und Empfinden kann so etwas nicht gefallen. Solche Kämpfe sind viel zu brutal.«

»Mit deiner Erlaubnis, Lady Florence«, sagte Kenneth, »möchte ich Jason jetzt ins Gehege bringen, um ihn abzutrocknen und aufzuwärmen. Er soll sich nicht erkälten.«

»Ich hoffe, du kümmerst dich um meine Tharlarions so sehr wie um deine Kämpfer«, bemerkte Lady Florence.

»Selbstverständlich«, antwortete Kenneth grinsend.

17

Ich war nackt und schwitzte am ganzen Leibe. In der Nisthütte ist es heiß.

»Die Herrin scheint guter Laune zu sein«, bemerkte ich.

»Psst!« machte Barus, der den Oberkörper freigemacht hatte. Er legte das Ohr an den warmen Sand.

Ich machte es ihm nach und lauschte. Unter dem warmen Sand, etwa einen Fuß unter der Oberfläche, vernahmen wir ein leises Geräusch, eine Art Kratzen.

»Er kommt bald«, stellte Barus grinsend fest und richtete sich auf.

»Ja, Herr«, sagte ich.

»Taphris!« befahl Barus. »Leg neues Holz in den Flammengraben.«

Sie blickte uns an. Sie war nackt. Im Nistschuppen hatte sie sich ausziehen müssen wie ich. Ihre Haut war schweißfeucht und schimmerte rötlich im Widerschein des Feuergrabens, der die eingegrabene Brut beinahe vollständig umschloß. Tücher lagen bereit, aus alten Säcken gefertigt; mit ihnen sollten die geschlüpften Jungen abgetrocknet und geschützt werden. Maulgurte lagen griffbereit.

»Ich dürfte diese Arbeit eigentlich gar nicht tun!« sagte Taphris.

»Auf die Hände und Knie!« befahl Barus. »So bringst du die Holzscheite an Ort und Stelle.«

»Ja, Herr«, sagte sie zornig, und ich lächelte vor mich hin. Es befriedigte mich, die Spionin unserer Herrin so gehorsam zu sehen.

»Kenneth hat die Nase voll von ihr«, sagte Barus zu mir. »Er kann ja in den Ställen keinen Schritt tun, ohne daß dieser weibliche Sleen der Herrin davon Meldung macht.«

Ich nickte.

Wir sahen zu, wie Taphris das erste Holzstück ins Feuer warf. »Es geht an die Nerven«, fuhr Barus fort, »eine solche Spionin im Nacken zu haben. Außerdem hält sie sich für wichtig. Sie meint, sie wäre immer noch Haussklavin. Ihre Anwesenheit hier im Stall ist nicht gut für die Disziplin der anderen Mädchen.«

Damit hatte er recht. Wenn ihr nicht dieselben Strafen drohten wie allen anderen, bestand bald die Gefahr, daß sich Unsicherheit, Ratlosigkeit und vielleicht sogar Unfriede einschlichen mit dem Wunsch, dieselben Privilegien zu besitzen.

»Wir müssen etwas unternehmen«, fuhr Barus nachdenklich fort. Am frühen Morgen hatte eine Arbeitsgruppe männlicher Sklaven, zu der auch ich gehörte, unter Barus’ Aufsicht auf der Südost-Wiese gearbeitet. Taphris war bei uns gewesen, um Wasser zu tragen. Am Rand der Wiese stellten wir angespitzte Pfosten auf, die nach innen wiesen und weidende Tharlarions vom Ausbrechen abhalten sollten.

»Seht!« rief Barus und deutete zum Himmel.

Dort hatten wir eine Tarn-Kavalkade entdeckt, die etwa hundertfünfundzwanzig Mann umfaßte. Sie flogen auf Südkurs. Wir sahen die Speere, die jeweils im rechten Steigbügel standen und aus der Ferne wie Nadeln aussahen, und die Schilde, die sich klein und rund ausmachten. Der Wimpel des Standartenträgers wehte lang und schmal am Lanzenschaft; er zeigte die Farben Vondas. Dabei wußte ich, daß Vonda gar keine Tarntruppen hatte. Die Männer waren Söldner.

»Eine Patrouille«, sagte der Mann neben mir.

»Dafür ist die Truppe ziemlich groß«, stellte ich fest.

»Ich arbeite nun schon seit vier Jahren hier am Zaun«, sagte der Mann, »und habe die Truppe schon viermal gesehen. Normalerweise kehrt sie vor Dunkelwerden zurück.«

»Sicher hat auch Ar solche Patrouillen in der Luft«, schaltete sich ein anderer Mann ein.

»Gestern«, meldete sich ein weiterer, »habe ich einen einzelnen Tarnkämpfer beobachtet, der nach Nordosten flog. Vielleicht ein Kundschafter Ars.«

»Glaubst du, daß es Ärger gibt?« wandte sich ein Mann an Barus.

»Den hat es längst gegeben«, erwiderte dieser. »Scharmützel in umstrittenen Grenzgebieten.«

»Aber solche Dinge sind doch auch schon früher vorgekommen, oder?« erkundigte sich jemand.

»Ja«, sagte Barus.

»Und es entwickelte sich nichts weiter daraus?«

»Ja.«

»Du glaubst also nicht, daß es ernsthafte Probleme gibt?« fragte einer der Männer.

»Nein«, antwortete Barus und blickte den verschwindenden Tarnkämpfern nach. »Es gibt in Vonda eine Partei, die den Krieg anstrebt«, fuhr er fort. »Aber soweit ich weiß, findet der Gedanke an Krieg mit Ar in der Konföderation sonst kaum Freunde.«

»Aber was ist mit dem Ubar Marlenus aus Ar?«

»Der kann auf den Ärger mit der Konföderation gut verzichten«, erklärte Barus. »Er hat alle Hände voll zu tun mit Cos und den Schwierigkeiten im Vosk-Tal.« Er meinte die Rivalität zwischen Ar und Cos um die Märkte und Bodenschätze des weiten Vosk-Einzugsgebietes. Beide Staaten gedachten ihre Hegemonie in diese Bereiche auszudehnen. Zwischen diese Mühlsteine gerieten kleine Städte und Flecken am Fluß, zum Beispiel Ven und Turmus, gewöhnlich energisch und sogar kriegerisch auf ihre Unabhängigkeit pochend. Sie wurden nun halb durch militärische Übermacht gezwungen, halb durch Allianzen und Verträge dazu verlockt, in der Auseinandersetzung der Großmächte Position zu beziehen.

»Ja!« lachte Barus plötzlich los. »Wie schlau von euch! Ihr verwickelt mich in ein Gespräch und laßt unterdessen in eurer niederen Arbeit nach! Haltet ihr euch für freie Personen, die jederzeit das Recht haben, miteinander zu plaudern? Nein, ihr seid Sklaven! Arbeitet, ihr Kragenburschen, wenn ihr den Sonnenuntergang noch erleben wollt, arbeitet!«