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Ich kehrte ihr den Rücken zu und begann meinen Marsch durch den Tunnel. Ich hörte, wie die Falltür über uns geschlossen wurde. Augenblicklich herrschte undurchdringliche Finsternis in dem unterirdischen Gang.

Ich marschierte ungezwungen los, wobei ich mit dem rechten Fuß auf dem Mittelbrett blieb.

»Warte, Sklave!« rief sie hochmütig.

Aber ich wartete nicht. Ich kannte mich im Tunnel sehr gut aus.

»Warte, Sklave! Warte, Sklave!« rief sie zornig. Dann hörte ich sie durch die Dunkelheit stolpern.

Taphris war eine Plage. Ich hatte es satt, unentwegt von ihr verfolgt zu werden. Kenneth und Barus hatten ebenfalls genug von ihrem Herumspionieren; nichts entging ihr, und ständig gab sie Meldungen an ihre Herrin durch. Die beiden hätten nichts dagegen gehabt, das Mädchen aus den Ställen verschwinden zu sehen.

Ich spielte mit dem Gedanken, den jungen Tharlarion abzulegen und mich des Mädchens einmal gründlich anzunehmen. Aber dann verzichtete ich doch darauf. Nicht daß ich Angst vor der Herrin hatte. Vielmehr durfte dem Jungtier nicht kalt werden. Ich hatte sein Schlüpfen überwacht. Ich fühlte mich für das Wesen verantwortlich. Außerdem respektierte ich es. Es war ein freies Tier. Es war kein Sklave.

18

»Ich weiß nicht, wie ich dir jemals danken soll, Lady Florence«, sagte Lady Melpomene atemlos.

»Ach, keine Ursache«, erwiderte Lady Florence. »Immerhin haben wir einen gemeinsamen Heimstein und sind schnell wieder Freundinnen geworden.«

»Wie sehr ich unsere früheren Differenzen bedauere!« fuhr Lady Melpomene fort und umfaßte die Hände ihres Gegenübers.

Lady Florence nickte. Ihr Gesicht war deutlich zu sehen hinter dem dünnen Hausschleier, der gut zu einem weniger formellen Abendessen unter Freunden paßte. Lady Melpomene trug einen ähnlichen Schleier. Beide Frauen waren vornehm gewandet.

Ich stand mit Kenneth hinter einem Vorhang. Durch den Vorhangstoff konnten wir verfolgen, was sich im großen Saal des Hauses der Lady Florence aus Vonda abspielte. Es war nicht nur ein großer, sondern auch ein prachtvoll ausgestatteter Saal, mit Mosaiken und kunstvollen Kachelmustern, mit Wandbehängen und schlanken Säulen. In der Mitte war ein Kreis kleiner Tische errichtet, daran saß auf Kissen und Matten eine Handvoll Gäste. Außer der Gastgeberin und ihrem besonderen Hausgast, der Lady Melpomene, waren es vier Männer und zwei Frauen. Schimmernde weiße Decken hüllten die Tische ein, darauf lag goldenes Geschirr. Jedem Gast waren winzige Tospit- und Larma-Scheiben aufgetragen worden, außerdem kleine Gebäckstücke und in einer winzigen goldenen Schale mit einem kleinen Goldlöffel die winzigen schwarzen Eier des weißen Grunt. Der erste Wein, ein leichter Weißwein, wurde von Pamela und Bonnie dargereicht. Beide Sklavinnen sahen in ihren weiten, klassisch-weißen Gewändern prächtig aus. Ihre Arme waren natürlich nackt, wie es bei Sklavinnen üblich ist, ebenso wie die Füße. Schmale Silberkragen zierten ihre Hälse.

»Wenn diese Papiere unterzeichnet sind«, sagte Lady Melpomene und hob lachend einige Dokumente hoch, die vor ihr auf dem Tisch lagen, »werde ich meine Schulden los sein.«

Es gab höflichen Applaus, Fäuste wurden gegen die linke Schulter geschlagen.

»Und all dies verdanke ich meiner lieben Freundin, Lady Florence!«

Wieder gab es Beifall, in den Lady Florence aber nicht einfiel; vielmehr verbeugte sie sich leicht.

»Ich hebe meinen Wein zum Wohl der Lady Florence aus Vonda!« sagte Lady Melpomene.

»Wir heben unseren Wein zum Wohl der Lady Florence aus Vonda«, wiederholten die Gäste.

Daraufhin tranken alle – nur Lady Florence blieb regungslos sitzen und lächelte vor sich hin. Dann blickte sie in die Runde. »Ich danke euch, ihr Bürger Vondas und ihr anderen, meine Freunde. Nun möchte ich meinerseits einen Trinkspruch ausbringen.«

Bis auf Lady Melpomene hoben alle die Becher.

»Ich trinke«, fuhr Lady Florence fort, »auf das Wohl der Lady Melpomene aus Vonda, die schön genug ist, um sogar einen Sklavenkragen tragen zu können!«

Dieser kühne Spruch wurde mit Gelächter beantwortet. Lady Melpomene errötete und senkte lächelnd den Blick. »Bitte, Lady Florence«, sagte sie, »es sind Gäste anwesend, die nicht aus Vonda stammen. Was werden sie denken?« Ihr Blick wanderte zu drei Männern, von denen einer aus Venna und zwei aus Ar kamen.

»Sei unbesorgt, Lady Melpomene«, sagte ein Gast aus Ar und hob den Becher. »Ich bin sicher, der Trinkspruch der Lady Florence ist in jeder Beziehung zutreffend.«

Wieder gab es Gelächter, und alle tranken bis auf Lady Melpomene, die verlegen lächelte.

Pamela und Bonnie machten erneut die Runde und schenkten Wein nach; es war noch der erste Wein. In reichem Hause werden auf Gor zum Abendessen bis zu zehn verschiedene Weine gereicht, die im Geschmack nicht nur zueinander passen müssen, sondern auch zu den jeweiligen Gängen der Mahlzeit.

Durch den Vorhang schaute ich mir die Gäste der Lady Florence ein wenig genauer an. Der Mann aus Venna, der eine weiße, mit Gold abgesetzte Tunika trug, hieß Philebus und war Schuldenaufkäufer, bei den Kaufleuten mehrerer Städte gut bekannt. Es war sein Geschäft, Forderungen mit Abschlag zu erwerben und dann die Papiere zum Nennwert zu kassieren, wenn er konnte. Ein harter Beruf. Was die beiden Männer aus Ar beruflich machten, wußte ich nicht. Tenalion hatte seinen Helfer Ronald mitgebracht. Der vierte Mann hieß Brandon. Er stammte aus Vonda und bekleidete dort das Amt des Präfekten. Gewisse Dokumente wurden nur durch seine Beurkundung gültig. Die beiden Ladies, Leta und Perimene, beide aus Vonda stammend, waren mit den Ladies Florence und Melpomene befreundet. Als freie Bürgerinnen Vondas konnten sie geschäftliche Abmachungen bezeugen.

»Lady Melpomene trägt ein kostbares Gewand«, sagte ich leise zu Kenneth, der neben mir stand.

»Es gehört Lady Florence«, erwiderte er.

»Aha.«

»Selbst das Parfum, das sie trägt, stammt aus dem Besitz unserer Herrin.«

»Ich verstehe.«

Unterdessen hatten fünf Musiker den Raum betreten und nahmen in einer Ecke Platz. Es waren ein Czeharspieler, zwei Flötenspieler, ein Kalikaspieler und ein Mann mit einer Kaska, einer kleinen Handtrommel.

Zwischen den Tischen erstreckte sich ein runder Kreis von etwa zwölf Fuß Durchmesser mit einem Eisenring in der Mitte.

»Was für ein Schauspiel hast du vorbereitet, Lady Florence?« erkundigte sich Lady Melpomene.

»Das soll eine Überraschung sein«, erwiderte die Angesprochene.

»Ich kann es kaum noch erwarten«, sagte Lady Melpomene.

»Du tust ja so geheimnisvoll, Florence!« sagte Lady Leta lachend, als wolle sie die Freundin tadeln. Doch glaubte ich an ihrem Lachen zu erkennen, daß sie wußte, was uns erwartete.

Auf der anderen Seite des freien Mittelbereichs räusperte sich Philebus. »Kommen wir zum Geschäftlichen«, sagte er. »Dann erst können wir uns den Vergnügungen des Abends zuwenden.«

»Ein ausgezeichneter Gedanke!« sagte Lady Florence.

»Ein ausgezeichneter Gedanke!« wiederholte Lady Melpomene.

»Lady Melpomene aus Vonda«, begann Philebus, »vor dir liegen mehrere Papiere, die die Zusammenfassung deiner Schulden betreffen. Diese Papiere tragen die Bestätigung der Bank des Bemus aus Venna und die zweier Bürger jener Stadt als Zeugen. Bestätigst du, daß die Endsummen stimmen und die Schulden die deinen sind?«

»Ja«, sagte Lady Melpomene.

»Infolge der von mir erworbenen Rechte erhebe ich hiermit Anspruch auf diese Forderungen und verlange Zahlung.«

»Und dank meiner Freundin, der Lady Florence aus Vonda«, antwortete Lady Melpomene, »wirst du die Zahlung augenblicklich erhalten. Lady Florence hat sich großzügig bereiterklärt, mir den fälligen Betrag zinslos zu leihen.«

Dies kam mir unglaublich großzügig vor. Kenneth, der mit mir hinter dem Vorhang stand, lächelte.

»Ich unterschreibe hiermit unter Zeugen«, fuhr Lady Melpomene fort, »diese Schuldurkunde, ausgestellt auf Lady Florence aus Vonda, über die volle Summe von eintausendvierhundertundzwanzig Gold-Tarsks.«