»Und ich«, sagte Lady Florence, »unterschreibe hiermit unter Zeugen diese Zahlungsanweisung über denselben Betrag, gezogen auf die Bank des Reginald in Vonda, ordnungsgemäß bestätigt, ausgestellt auf Philebus aus Venna.«
Sie reichte Lady Melpomene die Verfügung. Lady Melpomene überreichte ihr den Schuldschein. Philebus aus Venna begab sich an den Tisch der Lady Melpomene und nahm die Geldanweisung an sich. Er betrachtete sie, erklärte sich zufriedengestellt und verstaute sie in seiner Gürteltasche. Lady Florence brachte den Schuldschein persönlich zum Präfekten, zur Lady Leta und Lady Perimene. Mit Unterschrift und seitens des Präfekten auch durch Stempel wurde der Schuldschein bestätigt und beurkundet.
»Du bist jetzt meine einzige Gläubigerin, Lady Florence«, sagte Lady Melpomene. »Ich hoffe, du wirst mich gnädig und freundlich behandeln.«
»Du wirst so behandelt, wie du es verdienst«, versicherte ihr Lady Florence.
»Dann wollen wir jetzt zusammen feiern!« rief Lady Melpomene. »Wir wollen unsere Becher erheben zum Wohl unserer hübschen und großzügigen Gastgeberin, mit der ich den Heimstein teile, meine liebste Freundin, Lady Florence aus Vonda!« Lady Melpomene griff nach ihrem Weinbecher.
»Daß du mir nicht den Becher berührst, Dirne!« fauchte Lady Florence.
»Florence!« rief Lady Melpomene.
»Hast du für den Wein bezahlt?« fragte Lady Florence. »Kannst du dafür bezahlen?«
»Ich verstehe nicht, was das soll!«
Lady Florence griff nach ihren winzigen Weinkelch und schleuderte den Inhalt gegen den Gesichtsschleier der anderen.
»Was machst du?« fragte Lady Melpomene ärgerlich.
»Welches Parfum trägst du?« wollte Lady Florence zornig wissen.
»Natürlich das deine – und das weißt du auch«, erwiderte Lady Melpomene in eisigem Ton. »Es stammt aus dem Laden des Turbus Veminius in Venna.« Ich mußte an das Parfum denken, das ich für meine Herrin abgeholt hatte, ehe ich von den Häschern der Lady Melpomene entführt wurde. Vermutlich war es dasselbe Parfum – aus einer anderen Bestellung.
»Mir gehört es nicht!« sagte Lady Florence. »Ich gebrauche es lediglich als Sklavenparfum. Ich überschütte damit meine Stalldirnen, ehe ich sie den Männern überlasse.« Das stimmte nicht. Lady Florence gestattete ihren Stallmädchen kein Parfum, nicht einmal Sklavenparfum.
»Wem gehören die Sachen, die du trägst?« fragte Lady Florence.
Lady Melpomene sprang auf. »Ich dulde es nicht, daß man mich beleidigt!« tobte sie. Sie raffte die Röcke zusammen und wandte sich schluchzend ab, um zur Tür zu eilen. Doch schon stellten sich ihr zwei stämmige Männer in den Weg. »Durbar! Hesius!« rief sie. »Bringt mich heim!« Es waren die beiden Männer, die mir vor langer Zeit in Venna aufgelauert und mich zu Lady Melpomene gebracht hatten, damit ich ihrem Vergnügen diente.
Die beiden Männer hatten Lady Melpomene an den Armen gefaßt. »Bringt mich nach Hause!« rief sie.
»Wir stehen jetzt in den Diensten der Lady Florence«, sagte einer der Männer.
Dann drehten sie Lady Melpomene herum und führten sie in den freien Raum zwischen den Tischen. Dort stand sie Lady Florence gegenüber.
»Was soll das alles?« rief Lady Melpomene.
»Wessen Kleidung trägst du?« beharrte diese.
Lady Melpomene versuchte sich aus dem Griff der Männer zu befreien, schaffte es aber nicht. »Die deinen!« rief sie.
»Dir gehört nichts mehr! Bin ich nicht deine einzige Gläubigerin?« fragte Lady Florence leise.
»Ja«, flüsterte Lady Melpomene.
Mit großer Geste hob Lady Florence den Schuldschein, der vor ihr auf dem Tisch gelegen hatte.
»Ich verlange Zahlung«, sagte sie. »Ich verlange, daß du mir augenblicklich die Summe von eintausendvierhundertundzwanzig Gold-Tarsks zahlst.«
»Ich kann nicht sofort zahlen«, erwiderte Lady Melpomene. »Das weißt du.«
Lady Florence wandte sich an Brandon, Präfekt in Vonda. Der Mann war damit beschäftigt, sich auf einem Zettel eine Notiz zu machen.
»Das kannst du nicht tun!« rief Lady Melpomene.
»Ein solcher Schuldschein ist auf Verlangen zahlbar!« rief Lady Florence. »Das weißt du sehr wohl.«
»Ja, ja!« rief die andere und ballte die kleinen Fäuste. »Aber ich hätte nicht gedacht, daß du die Forderung so bald stellen würdest.«
»Das ist mein gutes Recht.«
»Du mußt mir Gelegenheit geben, mein Vermögen zurückzugewinnen.«
»Das gedenke ich nicht zu tun.«
»Willst du mich denn völlig ruinieren?«
»Meine Absicht geht weit darüber hinaus!« rief Lady Florence.
»Das verstehe ich nicht.«
»Das Zahlungsverlangen ist gestellt worden, Lady Melpomene«, schaltete sich Präfekt Brandon ein. »Kannst du zahlen?«
»Du hast mich hergelockt!« rief Lady Melpomene. »Du hast mich aus dem Schutz der Mauern Vondas gelockt!«
»Die Mauern Vondas würden dir keinen Schutz mehr bieten«, widersprach der Präfekt streng, »denn deine Schulden gehören nun zur Gänze einer Bürgerin dieser Stadt.«
Lady Melpomene erschauderte. »Man hat mich hereingelegt«, sagte sie.
»Kannst du bezahlen?« fragte der Präfekt.
»Nein!« jammerte Lady Melpomene. »Nein!«
»Dann knie nieder, Lady Melpomene, freie Frau aus Vonda«, sagte der Präfekt.
»Bitte nein!« schluchzte sie.
»Ist dir lieber, daß wir dies in aller Öffentlichkeit tun, auf dem großen Platz von Vonda, wo du deinem Heimstein Schande machen würdest?« fragte der Präfekt.
»Nein, nein!«
»Knie nieder!«
Furchtsam zitternd gehorchte Lady Melpomene.
»Ich erkläre dich hiermit zur Sklavin«, sagte er.
»Nein!« rief sie. »Nein!« Aber es war bereits geschehen.
»Sie soll den Kragen tragen.«
Schluchzend senkte die Frau den Kopf.
Lady Florence stieß einen Freudenschrei aus und schlug triumphierend in die Hände. Lady Leta und Lady Perimene machten es ihr nach und lachten. Sie schlugen sich applaudierend mit der Faust gegen die Schultern und beglückwünschten damit Lady Florence zu ihrem Sieg über die langgehaßte Feindin.
»Auf Hände und Knie, Sklavin!« befahl Tenalion aus Ar, der in diesem Moment aufgestanden war. Aus einem Kasten neben sich hatte er einen Kragen mit Kette genommen.
»Dürfte ich dir unseren Freund Tenalion in neuem Lichte vorstellen?« wandte sich Lady Florence an die zitternde Sklavin am Ring. »Er ist natürlich Sklavenhändler – wie auch sein Helfer Ronald. Aber ehe ich dich an ihn verkaufe, damit du in Ar an den Meistbietenden abgegeben werden kannst, sollst du erfahren, was es bedeutet, Sklavin zu sein.«
19
Ich stand in der absoluten Dunkelheit des Tunnels. Es war der Haupttunnel jenes Gewirrs von Gängen unter dem Besitz der Herrin, durch das die verschiedenen Gebäude wie Vorratsschuppen, Nistschuppen, Jungtierraum und gewisse Ställe miteinander verbunden sind.
Mein Rücken schmerzte. Zweimal war ich in dieser Woche gründlich durchgepeitscht worden.
Gestern abend, angekettet in meiner Box liegend, hatte ich zwei Besucher empfangen – Taphris und später Kenneth.
»Erkennst du endlich die Macht, die ich über dich habe?« hatte die Sklavin gefragt.
»Ja«, hatte ich geantwortet.
»Ich stehe bei meiner Herrin nach wie vor in hohem Ansehen«, fuhr Taphris fort. »Ich kann dich auspeitschen lassen, wann ich will.«
»Stimmt.«
»Bist du nun bereit, mich im Tunnel zu treffen?« hatte sie gefragt.
»Nein.«
Sie stand am offenen Ende der Box. »Interessiert dich gar nicht, was ich mit dir vorhabe?«
»Was denn?«
»Ich trage einen Kragen. Ich bin eine Sklavin und muß gehorchen. Aber ich möchte gern Herrin sein.«
»Herrin?«
»Ich möchte dich besitzen, in der Abgeschiedenheit des Tunnels, als meinen eigenen Seidensklaven«, sagte sie. »Dort wirst du mir gehorchen.«
Ich schwieg.
»Ich finde deinen Körper nicht unattraktiv, Jason«, sagte sie.
»Aha.«
»Außerdem bist du ein kräftiger Mann. Ich hasse solche Männer. Du gehörst zu den Männern, in deren Armen sich eine Frau weinend wie eine Sklavin fühlen kann. Ich hasse solche Männer! Es wird mir ganz besonders gefallen, dich zu brechen und zu erniedrigen. Wir treffen uns im Tunnel.«