»Es wird spät. Du mußt zu deiner Herrin zurück«, sagte ich. »Sie wundert sich bestimmt schon, wo du bleibst.«
»Die Herrin wird mich schon nicht bestrafen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich bin davon überzeugt. Bitte, bitte, Herr!« Sie lag neben mir im Tunnel. Sie regte sich kaum.
Ich stand auf, ertastete meine Tunika und zog sie an.
»Auf die Knie!« befahl ich.
Sie gehorchte. Ich griff ihr ins Haar, hielt sie mit der anderen Hand fest und zerrte ihr ein Büschel Haare aus.
»Oh!« rief sie. »Warum hast du das getan?«
»Weil ich Spaß daran hatte.«
»Das hat weh getan.«
»Sei still! Ich entlasse dich jetzt. Nimm deine Sachen.«
»Du entläßt mich!« rief sie.
»Sollte ich dich nicht zu deiner Herrin zurückschicken?« fragte ich lächelnd.
»Ja doch, Herr«, sagte sie ärgerlich.
Ich hörte, wie sie aufstand, und gab ihr zum Abschied einen Klaps auf die Kehrseite. »Lauf zu deiner Herrin!« befahl ich.
Sie stieß einen ärgerlichen Laut aus.
Ich brachte das dünne Büschel Haare an mich, das ich auf dem Tunnelboden abgelegt hatte, und steckte es in die Tunika.
Ich hörte sie schluchzend durch den Tunnel laufen.
Ich lächelte in der Dunkelheit.
21
Die lederne Sklavenhaube wurde mir vom Kopf gezogen. Ich hörte den Aufschrei der Menge. Barus rieb mir den Rücken ein. Kenneth wickelte lange Lederstreifen um meine Hände. Ich sah Sklavinnen am Gittertor stehen, einige auf den höheren Querstreben. »Jason! Jason!« riefen einige. »Krondar!« brüllten etliche freie Personen in der Menge. »Jason!« setzten andere dagegen.
Neues Geschrei stieg vom Publikum auf, als ein untersetzter, stämmiger Mann in die sandbedeckte runde Arena geführt wurde. Er wehrte sich gegen die Handschellen, die seine Arme auf dem Rücken zusammenhielten. »Er scheint begierig zu sein, den Kampf zu beginnen«, dachte ich.
»Krondar! Krondar!« riefen Männer im Publikum.
»Ich habe noch nie von diesem Sklaven gehört«, sagte ich zu Kenneth. »Ist nicht Gort der Champion des Miles aus Vonda?«
»Hier«, rief einer der Helfer des Schiedsrichters und deutete auf mich, »haben wir Jason, den Champion der Ställe der Lady Florence aus Vonda!« Jubelrufe wurden laut. »Jason! Jason!« riefen etliche Sklavinnen. Die Frauen im Publikum zeigten sich aufgeregt.
»Er scheint stark zu sein«, sagte ich zu Kenneth.
»Ja«, antwortete Kenneth, ohne sich zu mir umzudrehen; er beschäftigte sich weiter mit den Lederbändern.
»Sein Körper«, fuhr ich fort, »ist sehr vernarbt.«
»Kein Wunder«, sagte Kenneth. Ich verstand seine Bemerkung nicht.
»Krondar!« riefen freie Personen von den Rängen.
»Jason!« brüllten andere.
Ich blickte zu den Tribünen empor und entdeckte die prächtig herausgeputzte Gestalt des Miles aus Vonda. Er lächelte. Ich mußte daran denken, daß er einmal zu den abgewiesenen Freiern der Lady Florence aus Vonda gehört hatte. Er galt als einer der führenden TharlarionZüchter der Gegend. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ein so stolzer Mann die Abweisung gelassen eingesteckt hatte. Heute war Lady Florence bei den Kämpfen nicht zugegen. Aus Gründen, die ihrem Gesinde und den Sklaven nicht klar waren, hatte sie ein Unwohlsein angeführt und war in der Abgeschiedenheit des Hauses geblieben. Danach befragt, hatte Kenneth lediglich gegrinst und gefragt: »Weißt du es nicht?«
»Vielleicht«, hatte ich lächelnd geantwortet.
Miles aus Vonda gab einem der Schiedsrichterhelfer ein Zeichen, und er nahm dem stämmigen Mann, der mir gegenüber in der Arena stand, die Sklavenhaube ab.
»Aii!« flüsterte ich.
Ein entsetztes Luftschnappen ging durch die Tribünen.
»Und dies«, rief ein anderer Schiedsrichterassistent und deutete auf den untersetzten Mann, dessen Sekundanten ihm bereits die Handfesseln öffneten, »ist Krondar, ein frisch erworbener Sklave Miles’ aus Vonda, der neue Champion seiner Ställe!«
Krondar bäumte sich auf, wurde von seinen Sekundanten aber festgehalten. Einer der Schiedsrichterassistenten zog eine kurze, scharfe goreanische Klinge und bohrte sie dem Stämmigen ein Stückchen in den Leib. Krondar beruhigte sich. Er wußte, was es bedeutete, von goreanischem Stahl bedroht zu sein. Eine solche Klinge läßt sich mühelos in einen Körper versenken.
Nun suchte Krondars Blick den meinen. Unter den vorgewölbten Brauen wirkten seine Augen klein. Sein Gesicht war eine einzige Fläche vernarbten Gewebes.
»Das ist kein gewöhnlicher Kampfsklave«, sagte ich zu Kenneth.
»Nein«, antwortete dieser, ohne mich anzuschauen. »Das ist Krondar, ein berühmter Kampfsklave aus Ar.«
»Sein Gesicht«, sagte ich beinahe ehrfürchtig.
»In den Arenen Ars«, erklärte Kenneth, »hat er gegen das gespickte Leder und mit Messerhandschuhen gekämpft.«
»Zweifellos hat er Miles aus Vonda eine große Summe gekostet«, stellte Barus fest, der mir noch immer den Rücken einrieb.
»Warum sollte Miles aus Vonda einen solchen Sklaven kaufen?« fragte ich. »Ist es möglich, daß ihm die Stallmeisterschaft dieser Stadt soviel bedeutet?«
»Es geht um mehr als eine Ortsmeisterschaft«, erwiderte Barus. »Es hat Miles sehr mißfallen, daß sein früherer Champion Gort dir weichen mußte. Er mißbilligt, daß seine Ställe gegenüber denen der Lady Florence verloren haben, um die er einmal vergeblich geworben hat. Außerdem ist allgemein bekannt, daß du zuvor Seidensklave der Lady Florence warst. So dürfte er wohl nicht ganz unzufrieden sein, solltest du in der Arena erniedrigt und überlegen besiegt, ja, vielleicht sogar zerschmettert, entstellt und vernichtet werden.«
»Er kann doch unmöglich auf mich eifersüchtig sein«, sagte ich staunend. »Er ist eine freie Person, ich aber nur ein einfacher Sklave.«
Kenneth lachte.
Auf der anderen Seite der Arena waren Krondars Sekundanten damit beschäftigt, ihm Lederstreifen um die Fäuste zu wickeln.
»Daß du dich nicht täuschst«, sagte Kenneth. »Er wird jeden Schlag genießen, der gegen deinen Körper geführt wird. Wenn du zerschmettert und blutüberströmt vor Krondar zu Boden sinkst und dich nicht mehr bewegen kannst – wäre das keine süße Rache für ihn? An dir und gewissermaßen auch an Lady Florence?«
»Zweifellos.«
»Nimm keine Rücksicht – ziele auf sein Gesicht, Krondar!« rief Miles aus Vonda seinem Sklaven zu.
»Ja, Herr!« brummte der Sklave.
»Wenn Krondar mit ihm fertig ist, wird kein weiblicher Tharlarion ihn mehr als Seidensklaven haben wollen!« Dieser Ausruf löste lautes Gelächter aus.
»Krondar scheint mir ein eindrucksvoller Gegner zu sein«, sagte ich.
Barus lachte auf.
»Er ist einer der besten Kampfsklaven Ars«, sagte Kenneth.
»Es sieht aus, als könne er mich in Stücke reißen«, sagte ich lächelnd.
»Ich halte das nicht für unmöglich«, erwiderte Kenneth und beendete seine Arbeit an meinen Händen.
Ich verspürte Unbehagen. »Meinst du, ich kann siegen?«
»Natürlich nicht.«
»Warum kämpfe ich dann überhaupt?«
»Du bist Champion«, stellte Kenneth fest. »Du mußt kämpfen.«
»Hast du auf mich gesetzt?« fragte ich.
»Nein«, antwortete Kenneth.
»Aber auf Krondar?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Eine solche Wette würde die Ehrlichkeit der Stallkämpfe in Zweifel ziehen«, erwiderte Kenneth.
»Solche Wetten ließen sich aber heimlich durch Mittelsmänner plazieren.«
»Zweifellos.«
»Aber du hast das nicht getan?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich wette nicht gegen meine eigenen Leute«, sagte Kenneth.
»Sagt der Herr da die Wahrheit?«
»Eine kühne Frage.«
»Und die Antwort?«
»Ja«, sagte Kenneth lächelnd und schlug mir auf die Schulter, »ich sage die Wahrheit!«
»Dann wette!« forderte ich ihn auf.
»Ich soll wetten?«
»Ja«, sagte ich grinsend. »Ich werde nämlich siegen.«