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Bolitho kämpfte sich zu dem verlassenen Ruder durch. Stimmen aus der Vergangenheit schienen ihm zu folgen und ihn zu ermahnen:»Sie werden jetzt auf dich schauen, jetzt, da der Kampfgeist und die Raserei aus ihnen entwichen sind.»

Er wandte sich um und befahl ene rgisch:»Bringt die Gefangenen nach unten und bewacht sie gut. «Er suchte nach einem bekannten Gesicht unter den Leuten, die ihm blindlings gefolgt waren, ohne daß sie wirklich wußten, was sie taten.

«Sie, Southmead, übernehmen das Ruder. Die übrigen helfen Maat Little, die über Bord hängende Takelage zu klarieren.»

Er warf einen schnellen Blick auf Jury. Die Augen des Jungen standen weit offen, als ob er sich Mühe gäbe, nicht vor Schmerzen zu weinen. Bolitho zwang sich zu einem Lächeln, das etwas schief ausfiel.»Wir haben ein Prise erobert, Mr. Jury. Vielen Dank für Ihren Degen. Das war sehr mutig von Ihnen. «Jury wollte antworten, aber er verlor das Bewußtsein. Durch das Getöse von Wind und See hörte Bolitho die mächtige, durch ein Megaphon verstärkte Stimme von Kapitän Dumaresq.

Bolitho rief Stockdale zu:»Antworten Sie für mich, ich bin zu erschöpft.»

Als die beiden Schiffe, deren schöne Linien durch gebrochene Rahen und herunterhängendes Tauwerk verunziert wurden, einander wieder näher kamen, hob Stockdale seine riesigen Hände an den Mund und rief:»Das Schiff ist unser, Sir!»

Man hörte rauhe Hurrarufe von der Fregatte herüberschallen. Offensichtlich hatte Dumaresq nicht erwartet, noch einen einzigen von ihnen lebend wiederzusehen.

Pallisers scharfe Befehle traten an die Stelle der sonoren Stimme des Kommandanten:»Bleiben Sie beigedreht liegen, wenn Sie können! Wir müssen erst Mr. Slade und sein Boot suchen!»

War es Einbildung, als Bolitho meinte, jemanden lachen zu hören? Er hob die Hand, als die Fregatte sich langsam und schwerfällig entfernte, während schon Männer auf ihren Rahen dabei waren, neue Segel anzuschlagen und Tauwerk durch Ersatzblöcke zu scheren.

Dann schaute er über das Deck der Brigantine, auf die verwundeten Männer, die leise stöhnten oder wie kranke Tiere wegzukriechen versuchten.

Einige würden sich nie mehr bewegen.

Als das Tageslicht weiter zunahm, prüfte Bolitho den Degen, den Jury ihm zu seiner Rettung zugeworfen hatte. In dem schwachen Licht sah das Blut auf dem Griff und auf seinem Handgelenk wie schwarze Farbe aus.

Little kam wieder nach achtern. Der neue Dritte Offizier schien ihm noch sehr jung. Im nächsten Augenblick würde er die Waffe in einer Aufwallung des Ekels darüber, was er mit ihr angerichtet hatte, über Bord werfen. Das wäre ein Jammer. Später würde ihm einfallen, daß er sie seinem Vater oder seiner Braut hätte schenken sollen.

Little sagte:»Geben Sie her, Sir, ich werde sie für Sie reinigen. «Er sah, daß Bolitho zögerte, und fügte warm hinzu:»Sie war ein guter Kamerad für Sie, und zu seinen Kameraden soll man halten, das sagt Ihnen Josh Little, Sir.»

Bolitho gab ihm die Waffe.»Ich glaube, Sie haben recht. «Er richtete sich straff auf, obwohl ihn jeder Muskel und jede Sehne schmerzten.

«Lebhaft, Leute! Wir haben noch viel zu tun. «Er rief sich die Worte des Kommandanten in Erinnerung:»Nichts geschieht von allein.»

Vom Fuß des Fockmastes aus, neben dem ein Haufen herabgefallener Takelage lag, beobachtete ihn Stockdale. Er nickte befriedigt. Wieder war ein Kampf vorüber.

Bolitho wartete müde neben Dumaresqs Tisch in der Kajüte der De-stiny. Er war so erschöpft, daß seine Glieder nicht mehr automatisch die Schlingerbewegungen der Fregatte auffingen. Im trüben Morgenlicht hatten sie lesen können, daß die Brigantine Heloise hieß, von

Bridport in der Grafschaft Dorset kam und in die Karibik kommandiert war. Unterwegs hatte sie in Madeira eine Ladung Wein übernehmen sollen.

Als Dumaresq das Logbuch der Brigantine durchgeblättert hatte, warf er Bolitho einen Blick zu.

«Setzen Sie sich, Mr. Bolitho, bevor Sie umfallen!»

Er erhob sich und ging zu den achteren Seitenfenstern, preßte sein Gesicht gegen das dicke Glas und schaute auf die Brigantine, die in Lee der Destiny lag. Palliser und ein frisches Prisenkommando hatten vor einiger Zeit übergesetzt, und die Erfahrung des Ersten Offiziers war jetzt auch nötig, um die Schäden auszubessern und das Schiff baldmöglichst wieder flott zu machen.

Dumaresq sagte:»Sie haben sich gut gehalten. Außerordentlich gut. Für einen so jungen Offizier mit so geringer Erfahrung in der Führung von Leuten haben Sie mehr erreicht, als ich zu hoffen wagte. «Er verschränkte die Hände unter den Rockschößen, als müsse er Ärger unterdrücken.»Aber sieben unserer Leute sind tot, weitere schwer verwundet. «Er griff nach oben und drückte mit dem Handrücken das Oberlicht auf.»Mr. Rhodes, versuchen Sie, herauszufinden, wo sich der verdammte Doktor herumtreibt!»

Bolitho vergaß seine Müdigkeit, seine Enttäuschung darüber, daß er das Kommando über die Prise an den Ersten Offizier hatte abgeben müssen. Es faszinierte ihn zu beobachten, wie der Zorn in Dumaresq hochstieg: wie eine glimmende Zündschnur, deren Feuer sich dem Pulverfaß näherte. Sie hatte bewirkt, daß der arme Rhodes oben, als er die Stimme seines Kommandanten unter seinen Füßen hörte, aufsprang.

Dumaresq wandte sich wieder Bolitho zu.»Gute Männer haben ihr Leben verloren — durch Piraten und Mörder, niemand anderen!«Von der falschen Berechnung, die beide Schiffe fast zu Wracks gemacht, aufjeden Fall aber schwer beschädigt hatte, kein Wort. Dagegen:»Ich wußte, daß sie etwas vorhatten. Es wurde mir in Funchal klar, daß es daheim zu viele Augen und Ohren gegeben hatte. «Er zählte die Argumente an seinen dicken Fingern ab:»Erst mein Schreiber, nur wegen des hhalts der Tasche. Dann die Brigantine, die England zur gleichen Zeit verließ, als wir aus Plymouth ausliefen, und die dann >zufällig< zur gleichen Zeit mit uns in Madeira lag. Ihr Kapitän muß gewußt haben, daß ich nicht gegen den Wind aufkreuzen und ihn jagen konnte. So lange er sich in gebührender Entfernung hielt, war er sicher.»

Bolitho verstand. Hätte die Destiny ihren Vorstoß bei Tageslicht unternommen, hätte die Helolse den Vorteil ihrer Position nutzen können. Die Fregatte hätte sie zwar in jedem fairen Wettkampf ausgesegelt, doch bevor sie sie erreicht hätte, wäre es dunkel geworden, und im Schutz der Dunkelheit konnte die Brigantine, wenn sie gut geführt wurde, mühelos entwischen. Bolitho dachte an den hageren Mann, den er im Kampf niedergestochen hatte. Er tat ihm jetzt beinahe leid. Du-maresq hatte befohlen, daß er herübergebracht wurde, damit Bulkley, der Schiffsarzt, sein Leben rettete, wenn es möglich war.

Dumaresq fügte hinzu:»Wahrhaftig, es paßt alles zusammen. Wir sind auf der richtigen Fährte.»

Der Posten draußen rief:»Der Schiffsarzt, Sir!»

Dumaresq warf dem schwitzenden Doktor einen kurzen Blick zu.»Es wird auch verdammt Zeit, Mann!»

Bulkley zuckte die Achseln, entweder weil ihn Dumaresqs explosives Temperament kalt ließ, oder weil er so daran gewöhnt war, daß es ihm nichts mehr ausmachte.

«Der Mann lebt, Sir. Eine schlimme Wunde, aber ohne Verunreinigungen. «Er warf Bolitho einen neugierigen Blick zu.»Außerdem ist er ein kräftiger Bursche. Ich bin überrascht und befriedigt, Sie noch in einem Stück vorzufinden, junger Mann.»

Dumaresq fuhr ungeduldig dazwischen:»Lassen wir das jetzt. Wie darf der Schurke es wagen, ein Schiff des Königs herauszufordern! Er hat von mir keine Milde zu erwarten, dessen seien Sie sicher.»

Langsam beruhigte er sich. Es war wie nachlassender Seegang, dachte Bolitho.

«Ich muß so viel wie möglich aus ihm herausholen. Mr. Palliser durchsucht inzwischen die Heloise, aber in Anbetracht dessen, was Mr. Bolitho schon tat, um etwas zu finden, habe ich wenig Hoffnung auf Erfolg. Aus ihrem Logbuch ist zu entnehmen, daß die Heloise im vorigen Jahr von Stapel gelaufen ist und erst vor einem knappen Monat fertiggestellt wurde. Für ein Handelsschiff, das Gewinn einfahren soll, ist sie aber kaum groß genug.»