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Selbst Bolitho, der wenig Erfahrung mit den Gepflogenheiten in ausländischen Häfen hatte, fiel die der Destiny auf gezwungene Isolierung auf. Ein paar Boote mit allerlei Handelswaren lungerten zwar voller Hoffnung auf Geschäfte um das Schiff herum, wurden aber von den aufmerksamen Wachbooten am Herankommen gehindert. Und ganz gewiß war, daß keine Nachricht von dem Mann namens Egmont kam.

Samuel Codd, der Zahlmeister, war nach achtern marschiert, um sich darüber zu beklagen, daß es ihm unmöglich sei, seine Vorräte an frischem Obst zu ergänzen. Das halbe Schiff mußte mit angehört haben, wie Dumaresqs Zorn sich sturzbachartig über ihn ergoß.

«Für was halten Sie mich eigentlich, Sie Geizkragen? Glauben Sie, ich habe nichts anderes zu tun als zu kaufen und zu verkaufen wie ein ambulanter Gemüsehändler? Nehmen Sie ein Boot und gehen Sie selber an Land, aber sagen Sie dem Kaufmann diesmal, die Vorräte seien für mich bestimmt!«Seine mächtige Stimme folgte Codd noch, als der längst die Kajüte verlassen hatte:»Und kommen Sie mir nicht mit leeren Händen zurück!»

Nur in der Offiziersmesse war die Stimmung kaum verändert. Es gab den üblichen Klatsch und aufgebauschte Berichte über die Ereignisse während der Tagesarbeit. Nur wenn Palliser erschien, wurde das Klima förmlich, fast frostig.

Bolitho hatte sich Murray kommen lassen und ihm die Beschuldigung, ein Dieb zu sein, eindringlich vor Augen gehalten. Murray hatte entschlossen verneint, irgend etwas mit der Angelegenheit zu tun zu haben, und Bolitho gebeten, für ihn einzutreten. Bolitho war von dem Ernst des Mannes beeindruckt. Murray war über die Aussicht auf eine zu unrecht erlassene Prügelstrafe weniger verängstigt als empört. Aber die Strafe war nicht mehr abzuwenden, wenn der wahre Dieb nicht gefunden werden konnte.

Poynter, der Oberwachtmeister, blieb unerbittlich. Er hatte die Uhr in Murrays Utensilienkasten bei einer kurzen Durchsuchung entdeckt. Jeder konnte sie da versteckt haben, aber aus welchem Grund? Es hatte festgestanden, daß etwas unternommen werden würde, um die verschwundene Uhr wiederzufinden. Ein vorsichtiger Dieb hätte hundert Möglichkeiten gehabt, sie an einem sicheren Ort zu verstecken. Aber so? Die Sache ergab keinen Sinn.

Am Abend des zweiten Tages kam die Heloise in Sicht. Sie näherte sich langsam der Küste. Ihre Segel schimmerten im scheidenden Sonnenlicht, als sie einen letzten Schlag in Richtung Hafeneinfahrt machte.

Dumaresq beobachtete sie durch sein Teleskop und brummte:»Braucht ja endlos! Da muß er sich schon etwas mehr anstrengen, wenn er befördert werden will!»

Rhodes sagte:»Haben Sie es bemerkt, Dick? Die Trinkwasserprähme sind nicht wie versprochen gekommen. Unser Vorrat muß ziemlich zu Ende sein. Kein Wunder, daß unser >Herr und Meister< vor Zorn rot anläuft.»

Bolitho erinnerte sich an Dumaresqs Worte, daß die Destiny am Tag nach ihrer Ankunft Frischwasser übernehmen wolle. Das hatte er über all dem, was seine Gedanken inzwischen gefangennahm, vergessen.

«Mr. Rhodes!«Dumaresq trat an die Querreling des Achterdecks.»Signalisieren Sie der Heloise, daß sie auf der äußeren Reede ankern soll. Mr. Slade soll nicht versuchen, bei Dunkelheit näher ans Land heranzusegeln. Um ganz sicherzugehen, schicken Sie ihm ein Boot mit dem Befehl, daß er frei von der Landzunge vor Anker gehen soll.»

Das Trillern der Bootsmannsmaatenpfeife brachte die Bootscrew im Laufschritt nach achtern. Einige stöhnten, als sie sahen, wie weit die Brigantine entfernt war. Das gab eine lange Strecke zu pullen, und zwar hin und zurück.

Rhodes suchte den Midshipman der Wache.»Mr. Lovelace, Sie fahren mit!«Er ließ sich nichts anmerken, als er Bolitho zuzwinkerte.»Verdammte Kadetten, was, Dick? Müssen ein bißchen beschäftigt werden.»

«Mr. Bolitho!«Dumaresq hatte ihn beobachtet.»Kommen Sie bitte zu mir.»

Bolitho eilte nach achtern, bis sie beide außer Hörweite der anderen an der Heckreling standen.

«Ich muß Ihnen mitteilen, daß Mr. Palliser keinen anderen Schuldigen gefunden hat. «Dumaresq musterte Bolitho eindringlich.»Das beunruhigt Sie, wie ich sehe.»

«Ja, Sir. Ich habe keinen Gegenbeweis, aber ich bin überzeugt, daß Murray unschuldig ist.»

«Ich werde warten, bis wir wieder auf See sind. Aber dann muß die Bestrafung vollzogen werden. Jedoch empfiehlt es sich nicht, Leute vor den Augen Fremder auszupeitschen.»

Bolitho wartete ab, da er ahnte, daß noch mehr kommen würde.

Dumaresq beschattete seine Augen, als er zum Wimpel an der Mastspitze emporschaute.»Eine schöne Brise. «Dann sagte er:»Ich brauche einen neuen Schreiber. Auf einem Kriegsschiff gibt es mehr Schriftstücke und Listen als Pulver und Blei. «Sein Tonfall wurde schärfer.»Oder Trinkwasser, was das betrifft!»

Bolitho straffte sich, als Palliser nach achtern kam und wie vor einer unsichtbaren Linie stehenblieb.

Dumaresq sagte:»Wir sind fertig. Was ist, Mr. Palliser?»

«Ein Boot nähert sich, Sir. «Er beachtete Bolitho nicht.»Das gleiche, welches Schweinefleisch für die Messe gebracht hat.»

Dumaresq hob die Brauen.»Wirklich? Das interessiert mich. «Er machte abrupt kehrt und sagte:»Ich bin in meinen Räumen. Und was den Schreiber betrifft, so habe ich mich entschieden, den neuen Gehilfen des Schiffsarztes, Spillane, mit der Aufgabe zu betrauen. Er scheint ein gebildeteter Mann zu sein und weiß, wie man sich Vorgesetzten gegenüber benimmt; außerdem will ich den guten Doktor nicht verwöhnen, er hat genügend andere Hilfskräfte, die sein Krankenrevier versorgen können.»

Palliser tippte an seinen Hut.»Zu Befehl, Sir.»

Bolitho ging zur Backbord-Laufbrücke, um das näherkommende Boot zu betrachten. Ohne Glas konnte er erkennen, daß niemand darin saß, den er kannte. Fast hätte er über sich selber gelacht, daß er so dumm sein konnte. Was hatte er erwartet? Daß Jonathan Egmont selbst herauskam, um den Kommandanten zu besuchen? Oder daß seine reizende Frau die unbequeme und anstrengende Fahrt unternahm, um ihm zuzuzwinkern? Er wurde offenbar schon kindisch. Vielleicht war er zu lange auf See gewesen, oder sein letzter Heimaturlaub in Falmouth, der so viel Unglück nach sich zog, hatte ihn anfällig für Phantastereien und unerfüllbare Träume gemacht?

Das Boot kam an die Großrüsten, und nach einer längeren Diskussion in Zeichensprache zwischen den Ruderern und dem Bootsmannsmaat der Wache wurde ein Briefumschlag zu Rhodes hinaufgereicht, den er sofort nach achtern zur Kajüte trug. Das Boot wartete ein paar Yards vom Schiff entfernt; seine dunkelhäutigen Insassen beobachteten die geschäftigen Matrosen und Seesoldaten und schätzten wahrscheinlich die Stärke einer Breitseite der Destiny ab.

Schließlich kam Rhodes zurück, rief das Boot heran und reichte dem Bootssteurer einen anderen Umschlag hinunter. Er sah, daß Bo-litho zuschaute, und kam zu ihm an die Hängemattsnetze.

«Ich weiß, daß Sie es nicht gern hören werden, Dick«, und dabei konnte er ein inneres Lachen nicht ganz unterdrücken,»aber wir sind heute abend zum Essen eingeladen. Ich glaube, Sie kennen das Haus bereits.»

«Wer wird hingehen?«Bolitho bemühte sich, seine plötzliche Besorgnis nicht zu zeigen.

Rhodes grinste.»Der >Herr und Meisten, alle Offiziere und — als höfliche Geste — der Schiffsarzt.»

«Das kann ich nicht glauben! Der Kommandant würde das Schiff doch niemals verlassen, wenn nicht wenigstens ein Offizier an Bord bliebe. «Bolitho schaute nach achtern, wo Dumaresq gerade an Deck erschien.»Bestimmt nicht!»

Dumaresq rief:»Holen Sie Macmillan und meinen neuen Schreiber Spillane!«Sein Ton war frohlockend, anders als in den letzten Tagen.»In einer halben Stunde brauche ich meine Gig.»

Rhodes eilte schon davon, als Dumaresq ihm laut nachrief:»Ich möchte, daß Sie, Mr. Bolitho und unser tapferer Rotrock bis dahin anständig angezogen sind. «Er lächelte.»Der Doktor ebenfalls. «Er ging mit langen Schritten davon, während sein Steward wie ein Ter-rier hinterhertrippelte.