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Er schaute zum Mond auf und dann hinüber zum Ankerplatz der

Destiny, aus deren offenen Stückpforten Licht fiel und sich im Wasser spiegelte, als ob das Schiff brenne.

Der Schiffsarzt trat zu Bolitho an die Brüstung und holte tief Luft.»Das war ein richtiges Gastmahl, mein Junge!«Er stieß kräftig auf.»Es hätte ausgereicht, ein ganzes Dorf einen Monat lang zu sättigen. Stellen Sie sich vor: Das alles muß aus Frankreich und Spanien herübergebracht werden — ohne Rücksicht auf die Kosten. Wenn man bedenkt, daß viele Menschen froh wären, wenn sie nur einen Laib Brot hätten, wird man ziemlich nachdenklich.»

Bolitho sah ihn an. Auch er hatte schon daran gedacht, allerdings nicht in Zusammenhang mit der Ungerechtigkeit. Er fragte sich, wie Egmont, ein Fremder in diesem Land, so reich hatte werden können. Reich genug, um sich alle Wünsche zu erfüllen, sogar den nach einer schönen Frau, die halb so alt war wie er. Der doppelköpfige Vogel an Mrs. Egmonts Hals war aus purem Gold gewesen und ein Vermögen wert. Gehörte er zum Schatz der Asturias? Egmont hatte Dumaresqs Vater gekannt, aber dessen Sohn offenbar bisher nicht kennengelernt. Die beiden hatten- soweit Bolitho beobachten konnte — kaum miteinander gesprochen oder höchstens in Gegenwart anderer und im üblichen leichten Plauderton.

Bulkley lehnte sich vor und rückte seine Brille zurecht.»Da fährt ein übereifriger Kapitän, der nicht bis zur Morgentide warten kann.»

Bolitho wandte sich um und schaute seewärts. Sein geübtes Auge entdeckte schnell ein Schiff, das gerade die Reede verließ.

Bulkley sagte beiläufig:»Muß ein Einheimischer sein. Jeder Fremde würde hier auf Grund laufen.»

Palliser rief aus der offenen Tür:»Kommen Sie herein, und leisten Sie uns Gesellschaft!»

Bulkley lachte in sich hinein.»Immer großzügig, wenn's nicht auf seine Kosten geht.»

Aber Bolitho blieb, wo er war. Aus dem Raum drang schon Lärm genug, Gelächter und Geklirr von Gläsern, dazu Colpoys' Stimme, die sich immer höher über die anderen erhob. Bolithos Abwesenheit schien gar nicht aufzufallen.

Er spazierte auf der mondbeschienenen Terrasse auf und ab und ließ den Seewind sein Gesicht kühlen. Als er an einem abgelegenen Raum vorbeikam, hörte er Dumaresq Stimme, sehr nahe, sehr eindringlich:

«Ich bin nicht so weit hergekommen, um mich mit Ausreden abspeisen zu lassen. Sie steckten von Anfang an bis zum Hals in der Sache drin. So viel hat mir mein Vater immerhin erzählt, bevor er starb. «Die Verachtung in seiner Stimme war schneidend wie ein Peitschenhieb.»Meines Vaters >tapferer< Erster Offizier, der sich zurückzog, als er dringend gebraucht wurde!»

Bolitho wußte, daß er hätte weitergehen sollen, aber er konnte sich nicht bewegen. Dumaresqs Ton schien seine Beine zu lähmen. Es lag etwas darin, das sich in Jahren aufgestaut hatte und nicht länger zurückhalten ließ.

Egmont protestierte lahm:»Ich habe es nicht gewußt. Sie müssen mir glauben. Ich mochte Ihren Vater. Ich habe ihm treu gedient und ihn immer bewundert.»

Dumaresqs Stimme klang jetzt gedämpft. Er mußte sich ungeduldig abgewandt haben.

«Aber mein Vater, den Sie so bewundert haben, starb als armer Mann — das übliche Schicksal eines abgehalfterten Schiffskommandanten, der nur noch einen Arm und ein Bein besaß. Dennoch bewahrte er Ihr Geheimnis, Egmont, er zumindest hielt sich an das, was wir Loyalität nennen! Jetzt könnte das Ende für alles gekommen sein, was Ihnen lieb ist.»

«Wollen Sie mir drohen, Sir, in meinem eigenen Haus? Der Vizekönig schätzt mich. Er wird sich sehr schnell äußern, wenn ich mich bei ihm beschwere.»

«Wirklich?«Dumaresqs Stimme wurde gefährlich ruhig.»Piers Garrick war ein Pirat, vielleicht von vornehmer Herkunft, aber seinem Wesen nach ein verdammter Pirat. Wenn die Wahrheit über die Astu-rias herausgekommen wäre, hätte ihn selbst sein Kaperbrief nicht vor dem Galgen retten können. Das Schatzschiff hat sich tapfer gewehrt, und Garricks Kaperschiff wurde schwer beschädigt. Der Don strich die Flagge, weil er wahrscheinlich nicht erkannt hatte, daß Garricks Schiff völlig durchlöchert war. Das war das Dümmste, was er tun konnte.»

Bolitho wartete mit angehaltenem Atem und fürchtete, die plötzliche Stille könnte bedeuten, daß seine Anwesenheit bemerkt worden war.

Doch Dumaresq sagte unvermittelt:»Garrick versenkte sein eigenes

Schiff und übernahm die Asturias. Wahrscheinlich tötete er die meisten Spanier oder ließ sie da, wo niemand sie finden konnte, verhungern. Es war ja alles so einfach für ihn. Unter irgendeinem Vorwand führte er das Schatzschiff in diesen Hafen. England und Spanien lagen im Krieg miteinander, so durfte die Asturias kurze Zeit bleiben, um — offiziell — Reparaturen auszuführen; in Wirklichkeit aber, um zu beweisen, daß sie nach dem Gefecht mit Garrick noch schwamm. «Egmont sagte unsicher:»Das ist eine Vermutung.«»Wirklich? Lassen Sie mich fortfahren, dann können Sie entscheiden, ob Sie immer noch den Vizekönig um Hilfe bitten wollen. «Seine Stimme war so schneidend, daß Bolitho fast Mitleid für Egmont empfand.

Dumaresq fuhr fort:»Ein englisches Kriegsschiff wurde ausgesandt, um den Verlust von Garricks Schiff und das Verschwinden des Schatzes, der eine rechtmäßige Prise des Königs gewesen wäre, zu untersuchen. Dieses Schiff wurde von meinem Vater geführt. Sie, sein Erster Offizier, wurden losgeschickt, um eine Erklärung von Garrick einzuholen; er muß erkannt haben, daß er reif für den Galgen war, wenn er Sie nicht auf seine Seite zog. Mit Ihrer Hilfe wurde er rehabilitiert. Und während er sein Gold aus dem Versteck holte, wo er es nach Versenkung der Asturias verborgen hatte, quittierten Sie den Dienst in der Marine und tauchten seltsamerweise ausgerechnet hier in Rio auf, wo alles begonnen hatte. Aber diesmal als reicher Mann, als sehr reicher Mann. Mein Vater hingegen diente weiter. Dann, im Jahr 1762, als er mit Admiral Rodney von Martinique aus die Franzosen von den Karibischen Inseln vertrieb, wurde er schwer verwundet, was ihm den Lebensnerv zerschnitt. Welche Folgerungen sind aus dieser Geschichte zu ziehen?»

«Was wünschen Sie von mir?«Egmont wirkte benommen, überwältigt von Dumaresqs totalem Sieg.

«Ich verlange eine beschworene Erklärung, die bestätigt, was ich soeben gesagt habe. Notfalls werde ich die Hilfe des Vizekönigs in Anspruch nehmen, sobald der Haftbefehl aus England eintrifft. Den Rest können Sie sich denken. Mit Ihrer Erklärung und der Vollmacht, die Seine Majestät und die Lords der Admiralität mir erteilt haben, beabsichtige ich, Sir Piers Garrick festzunehmen und nach England vor Gericht zu bringen. Außerdem will ich den Goldschatz oder vielmehr das, was noch davon übrig ist. Aber in erster Linie will ich Garrick!»

«Warum behandeln Sie mich dann so schlecht? Ich hatte nichts mit dem zu tun, was Ihrem Vater bei Martinique passierte. Damals war ich nicht mehr in der Marine, das wissen Sie doch!»

«Piers Garrick lieferte Waffen und sonstiges militärisches Material an die französischen Garnisonen in Martinique und Guadeloupe. Ohne ihn — und Sie — wäre mein Vater vielleicht unverwundet geblieben. Und Garrick hätte nicht ein zweites Mal Gelegenheit gehabt, sein Vaterland zu verraten.«»Ich — weiß… Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken.«»Ihre Zeit ist abgelaufen, Egmont. Sie hatten volle dreißig Jahre Frist. Ich verlange, daß Sie mir Garricks Schlupfwinkel nennen, mir sagen, was er tut, und alles, was Sie über den Goldschatz wissen. Alles! Wenn Sie meine Forderung erfüllen, segle ich weiter, und Sie sehen mich nicht wieder. Wenn nicht. «Dumaresq ließ den Rest ungesagt.

Egmont sagte:»Kann ich Ihnen trauen?»