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Pallisers Hirn arbeitet bereits auf vollen Touren.»Und Sie, Sir?»

Dumaresq beobachtete seinen Steward, der Seifennapf und Rasiermesser neben seinem Lieblingsstuhl bereitlegte.

«Mit oder ohne Trinkwasser, Mr. Palliser, ich werde heute nacht Anker lichten und Ihnen folgen.»

Palliser sah ihn zweifelnd an.»Die Batterie könnte das Feuer eröffnen, Sir!»

«Bei Tageslicht vielleicht. Aber es geht hier um sehr viel, auch um das, was man >Ehre< nennen könnte. Ich beabsichtige, das auszuloten. «Er wandte sich ab und entließ sie damit, fügte dann aber noch hinzu:»Nehmen Sie den Dritten Offizier hier mit. Rhodes brauche ich, auch wenn sein Kopf von der Sauferei zu platzen droht, damit er Ihre Aufgaben hier an Bord übernimmt.»

Zu anderer Zeit hätte Bolitho den Auftrag freudig begrüßt, aber er hatte den Ausdruck in Pallisers Augen bemerkt und erinnerte sich an das Gesicht hinter den Kajütfenstern der Brigg. Aurora würde ihn nun verachten. Es war vorbei, genau wie sein schöner Traum von ihr.

VIII Verfolgungsjagd

Leutnant Charles Palliser ging mit langen Schritten zum Kompaß der Heloise und schaute dann zum Wimpel an der Mastspitze hinauf.

Wie um seine Befürchtungen zu bekräftigen, sagte Slade, der amtierende Master:»Der Wind hat etwas gekrimpt und flaut außerdem ab.»

Bolitho beobachtete Pallisers Reaktion und verglich sie mit der von Dumaresq. Ihr Kommandant lag mit der Destiny noch in Rio und beschäftigte sich zum Schein mit Routineangelegenheiten; so hatte er sogar zwei Matrosen zur Beförderungszeremonie vor versammelter Mannschaft auf dem Achterdeck empfangen. Den meisten Leuten der Besatzung war es völlig gleichgültig, ob die Trinkwasserprähme kamen oder ihr Kommandant vom Vizekönig empfangen wurde. Doch Bolitho wußte, was in Dumaresqs Überlegungen an vorderster Stelle stand: Egmonts Weigerung nachzugeben und seine plötzliche Abreise mit der Brigg Rosario. Ohne Egmonts Mitwirkung hatte Dumaresq keine andere Wahl, als weitere Weisungen von vorgesetzter Stelle abzuwarten. Inzwischen mußte sich die heiße Spur zu Garrick verlieren.

Slade hatte beobachtet, daß die Brigg auf Nordnordost-Kurs gegangen war. Egmont versuchte also, an der Küste entlang in die Karibik zu segeln. Auf einem solch kleinen Handelsschiff konnte es für seine junge Frau sicher recht ungemütlich werden.

Palliser kam zu Bolitho herüber. Auf dem beengten Deck der Brigantine wirkte er wie ein Riese, war jedoch ungewöhnlich zufrieden, stellte Bolitho fest. Palliser konnte hier als sein eigener Herr handeln, wie es ihm richtig schien. Immer vorausgesetzt, daß er die Fühlung zur Rosario nicht verlor. Aber da der Wind nun so rapide nachließ, bestand immerhin die Gefahr.

«Sie erwarten nicht, daß sie verfolgt werden. Das ist unser einziger Vorteil. «Palliser schaute beunruhigt auf, als die Breitfock kraftlos hin- und herflappte, weil der Wind sie nicht mehr füllte. Jetzt fiel auch kein Schatten mehr auf die an Deck schwitzenden Männer.»Verdammt!«Dann:»Mr. Slade behauptet, die Brigg würde unter Land bleiben. Wenn der Wind nicht umschlägt, kann er recht behalten. Wir laufen daher weiter auf diesem Kurs. Wechseln Sie die Ausguckposten so oft, wie Sie es für erforderlich halten, und lassen Sie alle Waffen an Bord überholen. «Er verschränkte die Hände auf dem Rücken.»Strengen Sie die Leute nicht zu sehr an!«Er sah Bolithos Überraschung und beantwortete sie mit leichtem Lächeln.»Sie werden bald zu den Riemen greifen müssen. Ich beabsichtige, die Heloise von ihren Beibooten schleppen zu lassen. Da werden die Männer noch alle Kraft brauchen.»

Bolitho tippte an seinen Hut und ging nach vorn. Das hätte er sich denken können. Aber er mußte sich eingestehen, daß er Pallisers Entscheidung bewunderte. Der Mann dachte an alles.

Er sah Jury und Midshipman Ingrave am Fockmast auf ihn warten.

Jury wirkte sehr ernst, während Ingrave, der ein Jahr älter war, kaum seine Freude darüber verbergen konnte, daß er vom Posten des stellvertretenden Schreibers beim Kommandanten abgelöst war.

Hinter ihnen entdeckte Bolitho unter den in aller Eile ausgewählten Leuten weitere Bekannte: Josh Little, den Feuerwerksmaat, dessen Bauch fett wie eh und je über den Hosengurt hing; Ellis Pearse, der Bootsmannsmaat, ein Mann mit buschigen Augenbrauen, der die gleiche Genugtuung über Murrays Flucht verraten hatte wie Bolitho. Pearses Aufgabe wäre es gewesen, Murray — den er immer gemocht hatte — auszupeitschen. Und selbstverständlich war auch Stockdale dabei. Er stand da, die kräftigen Arme vor der Brust verschränkt, und musterte das Deck der Brigantine. Vielleicht erinnerte er sich an den wilden, verzweifelten Kampf, den Bolitho mit dem jetzt toten Kapitän des Schiffes ausgetragen hatte. Da war auch Dutchy Vorbink, ein Holländer vom Vortoppp, der den geregelten und bezahlten Dienst bei der Ostindischen Handelsgesellschaft einem Kriegsschiff zuliebe verlassen hatte. Er sprach schlecht englisch und auch das nur, wenn er Lust hatte. So kannte bisher noch niemand den Grund, warum er sich freiwillig zur britischen Marine gemeldet hatte.

Es gab noch andere Gesichter, die Bolitho inzwischen vertraut waren, einige grob und seelenlos, andere aggressiv. Die Leute stritten sich gern mit ihren Kameraden, solidarisierten sich aber ebenso schnell wieder, wenn ein Angriff von dritter Seite kam.

Bolitho sagte:»Mr. Spillane, inspizieren Sie die Waffenkiste und machen Sie eine Bestandsliste. Mr. Little, Sie sollten sich die Pulverkammer anschauen. «Er warf einen Blick auf ihre wenigen Drehbassen, von denen zwei sogar noch von der Destiny stammten.»Etwas wenig für einen Krieg.»

Das brachte ihm einige Lacher ein; Stockdale murmelte:»Unten sind immer noch ein paar Gefangene eingeschlossen, Sir.»

Bolitho sah Little an. Er hatte ganz vergessen, daß es ja noch die Originalbesatzung der Heloise gab. Wer nicht getötet oder verwundet worden war, war unten eingesperrt. An sich waren sie dort gut verwahrt, aber wenn es zum Kampf kam, mußten sie bewacht werden.

Little grinste mit seinen lückenreichen Zähnen.»Für die ist gesorgt, Sir. Ich habe Olsson als Posten eingeteilt, vor ihm haben sie solche Angst, daß sie ihn bestimmt nicht angreifen.»

Bolitho stimmte ihm zu. Olsson war Schwede und — wie es hieß — halb verrückt. Seine Augen, die wie blaues Milchglas aussahen, bestätigten das. Aber er war ein guter Seemann, der Segel reffen, das Ruder bedienen und jede andere Handarbeit erledigen konnte. Nur — als sie diese Brigantine geentert hatten, war es Bolitho kalt über den Rücken gelaufen, als Olsson sich mit schrillen Schreien und dem Beil einen Weg durch seine Gegner bahnte.

Er zwang sich zu einem Lächeln.»Bei dem würde auch ich es mir zweimal überlegen.»

Pearse brummte, als die Segel immer wieder schlaff gegen Tauwerk und Rahen schlugen.»Weg ist er, der verdammte Wind!»

Bolitho beugte sich über das Schanzkleid und schaute ins tiefblaue Wasser. Er sah weit vor dem Bug leichte Kräuselspuren wie von einem Fischschwarm, mit denen sich der letzte Windhauch verabschiedete.

Die Brigantine hob und senkte sich in der Dünung, Blöcke und Segel quietschten in gemeinsamem Protest, als der Segeldruck ausblieb.

«In die Boote!«Palliser stand neben den Rudergängern.

Nackte Füße trappelten über die vor Hitze weichen Decksfugen, als die Besatzungen von Bord hasteten und das Beiboot der Heloise und den Kutter der Destiny, die sie am Heck nachgezogen hatten, bemannten.

Es dauerte eine gewisse Zeit, bis die Schleppleinen klariert und von der Back an die Boote hinuntergereicht waren. Dann endlich begann das mühsame, langwierige Pullern, ohne daß das Schiff dadurch viel Fahrt machte. Aber es bewirkte wenigstens, daß die Heloise nicht völlig steuerlos herumdümpelte und gleich auf dem richtigen Kurs liegen würde, wenn wieder Wind aufkam.